Nachdem mich schon das letzte Album „Cross-Pollination“ von Chris Watson (zusammen mit Marcus Davidson) zu begeistern wusste, lässt das ehemalige CABARET VOLTAIRE-Gründungsmitglied mit „El Tren Fantasma“ ein weiteres Glanzlicht im Genre der Fieldrecordings folgen. Das Ausgangsmaterial dazu nahm Chris Watson jedoch schon vor rund 10 Jahren auf, wo er im Auftrag der BBC auf einer legendären Bahn-Verbindung quer durch Mexiko bzw. vom Pazifik zum Atlantik reiste. Die Route wurde danach geschlossen, aber dank dem durch Chris Watson gesammelten Audio-Material lebt diese nun hörbar weiter. War Chris Watson schon in der Vergangenheit als ein Pionier des Geschichtenerzählens mittels Fieldrecordings bekannt, so liefert er mit „El Tren Fantasma“ ein wahrhaft poetisches Meisterwerk ab. Es ist eine hörspielartige Sinfonie aus ratternden Rädern, klappernden Bohlen, schnaufenden Dampfloks, bimmelnden Schranken, quietschenden Bremsen und laut tönenden Signalhupen. Dazwischen sind aber auch Momente der Stille zu hören, unterbrochen nur von dem zirpen der Insekten und dem singen der Vögel. Man spürt dabei die sengende Hitze des Kontinents schon fast körperlich, wenn der Zug ein Dorf passiert oder einen kurzen Halt an einer Station macht. Neu für Chris Watsons-Arbeit ist dagegen der Einsatz von gefakten Bahnsteigansagen („Last Call For The Ghost Train“) und der überraschend auftauchende hypnotische Techno-Beat in der zweiten Hälfte von „El Divisadero“, der dem vorangegangenen repetiven Schienengehämmer perfekt noch einen drauf setzt. Jenes Stück gibt es übrigens auch als 12“ auf Vinyl unter dem Titel „The Signals Man’s Mix“ und ich kann mir diesen tranceartigen Track gut in einem DJ-Set vorstellen. Am Ende ist „El Tren Fantasma“ ein beeindruckendes wie begeisterndes Audio-Reisebuch einer längst vergangenen Ära, welches weit über über die Genre-Grenzen der Fieldrecordings hinausgeht und sich angenehm von der Flut ähnlicher Veröffentlichungen auf diesem Gebiet abhebt. Ebenfalls möchte ich diese CD auch nostalgischen Eisenbahn-Fans ans Herz zu legen, die meist nur via „Eisenbahn-Romantik“ auf den dritten Programmen im TV ihrer Passion frönen. (Marco Fiebag)
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