Dächte ich nicht, dass das aus der Bretagne stammende Projekt NATURE MORTE ganz außergewöhnlich schöne Musik macht, ich hätte mir wahrscheinlich den Sampler „Trame du Temps“ nicht zugelegt. Denn jene auf 267 Stück limitierte, ganz in schwarz gehaltene Platte (das Covermotiv ist nur dank eines Sonderdrucks sichtbar) lässt bis auf die erwähnte Band nur zumindest mir bisher gänzlich unbekannte bretonische Bands erklingen. Mit „Pan de Mémoire“ von BBRC beginnen diese Klänge sehr leise, ein zunächst dünnes Rauschen, welches an- und abschwillt, wie der Wind oder vielleicht ein Rinnsal, das zum Bach wird und den Fluss in sich trägt. Sehr reduziert, quasi natürlicher Ambient und potentiell sehr entspannend. Bei „Gwignenn va C’Halon“ von RONAN LE DÉROFF fließen deutlicher menschengemachte Töne in die „Soundscapes“ ein, die Musik bleibt indes geradezu andächtig ruhig und feierlich. Man sollte hier nicht an Kirchenorgeln denken, die durch gotische Prachtbauten dröhnen, sondern viel mehr an den leisen Wind und fernen Singsang Sinnsuchender, die durch eine bereits ansatzweise von Wildkräutern überwucherte Klosterruine wehen. Erst bei „Sous Brest“ von UNITED 79 mischen sich zumindest mal ganz leichte Noise-Elemente, man denke an Steine, die übereinander rollen, in das Grundrauschen; der Klangteppich bleibt aber weiterhin flächig und trotz der synthetischen Töne wirkt alles natürlich oder zumindest Feldaufnahmen nachempfunden. NATURE MORTEs „Névé“ reduziert das Ganze wieder auf den von ihnen, wie ich finde, geprägten Naturambient und lässt den Track langsam anschwellen, dann aber origineller Weise nicht in einer Kakophonie oder Klangdestruktionen, sondern Kleinkinderlachen enden. Nun, bei orchestralen und in Richtung dunkles Ambient gehenden Klängen mag manch einer an LJDLP denken, bei dem Sound von NATURE MORTE muss man sich allerdings eigentlich jegliches martialische Pathos sowie historische Samples wegdenken. Die oft bedrückende und schwermütige Stimmung kann man aber wirklich ein wenig vergleichen. Die zweite Seite der Platte beginnt mit den Klängen einer Kirchenorgel, in die sich einfache, stark verzerrte E-Gitarren-Akkorde mischen, denen viel Zeit zum Ausklingen gegeben wird. Es sind die mir bis dato unbekannten SORC’HENN, die hier quasi andere Saiten aufziehen und mit „(45) Mi-Lord“ ein Zwischending von neoklassischem Ambient und so was wie Stonerrock versuchen. „Strates de Tonnere“ enthält ein treibendes Element, welches die dunklen, erneut wieder dem Wind ähnelnden Klangflächen etwas strukturiert, und so gelingt dem Projekt DUNKELHEIT ein interessanter, mich neben den erwähnten Franzosen auch etwas an REUTOFF erinnernder Sound. Dann wird’s allerdings überraschend noisig, und zwar so richtig mit Feedback und Beats, die wirklich noch wie „Schläge“ klingen, also so mit Hammer auf Metall und nicht mit dafür gefertigtem Schlagzeug, was es dann wiederum ermöglicht, den Bogen zu den „unverfälschten Klängen“ zu ziehen. OVIL KTON heißt das hierfür verantwortliche Projekt und veröffentlicht von DETRUSOR beschließt ein Stück namens „Isocell“, welches ebenfalls mit dem unruhigen „Gefrickel“, der sich über und durch den dunklen Soundteppich erhebt, einen gewissen experimentellen, noisigen Industrial- Charakter hat, den dunklen und interessanten Reigen des Albums. Zumindest die erste Seite klingt fast wie aus einem Guss und mündet quasi in das gelungene Stück von NATURE MORTE. Auch auf der zweiten Seite gefällt mir das ruhige, „Strates de Tonnere“, am besten, wobei die anderen Lieder durchaus für experimentelle und mithin eigenwillige Abwechslung sorgen. Für Freunde und Sammler von NATURE MORTE sicherlich ein Muss und für jene, die sich für außergewöhnliche französische oder allgemein für neue experimentelle (Dark) Ambient Musik interessieren, eine gute Empfehlung.
(flake777)
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