Massimo Magrini alias BAD SECTOR gilt als Meister der atmosphärischen Ambient Drones. Im Unterschied zu vielen Kollegen aus der gleichen Zunft genießt er dabei sogar einen Ruf als talentierter Livemusiker. Mit einer minimalen Bühnenshow, bei der er lediglich seine Regler und Laptops bearbeitet, bringt er eine dichte und mitreißende Stimmung zustande, die sich schwer beschreiben lässt. Hat man solche Momente einmal selbst erlebt, so vermögen es auch seine Studioaufnahmen, diese Stimmung auf eindringliche Weise ins Bewusstsein zurück zu holen. Dies vermag auch die neueste Veröffentlichung “Chronoland“.
Die Musik von BAD SECTOR lässt massives Kopfkino – Fliegen durch Raum und Zeit – entstehen. Die atmosphärischen Industrialklänge erreichen Ratio und Gefühl zugleich: Die Vielschichtigkeit der Kollagen mit experimentiellem Soundtrackcharakter und ihr am Ende doch harmonischer Wohlklang erreichen den Hörer auf recht unterschiedliche Weise. Verschiedene Soundcapes, teils rituell-perkussiv eingespielt, teils in rauen Dronesounds aufgelöst, rufen Bands wie LUSTMORD oder SHINJUKU THIEF ebenso in Erinnerung wie die besseren Tage des CMI-Labels.
Thematisch behandelt die Platte eine vage angedeutete Zeitreise, die im Jahr 1969 beginnt und zehn Jahre später endet, wobei keinerlei Hinweis auf die Bedeutung dieses Zeitraums vorliegt. Auch die Titel der einzelnen Stücke, bei denen es um Räume, Bäume, Glocken, Hände und allerhand mehr geht, offerieren keinerlei Anhaltspunkte, mit denen man sich einen Reim auf die angedeuteten Inhalte machen könnte. In “Rooms“ schleicht sich ein leicht unterkühlt wirkender und zunächst nur unterschwellig wahrnehmbarer Technosound in die Ohren, vermengt mit zirpenden Geräuschen und einem Klangteppich aus erhabenen Ambientsounds. Bei anderen Songs wie „Trees“ oder „Wings“ dominieren Drones, die in den intensivsten Momenten ein beeindruckendes Raumgefühl entstehen lassen.
Dass die Atmosphäre sich nicht auf eindimensionale Stimmungsbilder beschränkt, zählt vielleicht zu den größten Stärken des Albums. Es gibt bedrohliche, rasante Momente, meist etwas aufgelockert durch gesampelte Spieluhren, Kinderstimmen und merkwürdig rhythmisches Klicken. Dann wieder Passagen, die ein schwebendes Gefühl erzeugen – ein Gefühl, in das sich auch melancholische Töne mischen, die durchaus noch mehr Raum verdient hätten.
Am Ende bleibt das Gefühl, eine imaginäre Reise durch dunkle, erdrückende Atmosphären erlebt zu haben, unter Umständen sogar der Eindruck von einer Art Gesamtkunstwerk. Mein Tipp wäre eine Reise in die Antarktis zu buchen und die dahin schwimmenden Eisschollen zu beobachten, natürlich mit BAD SECTOR im Ohr.
(S.Ericksen)
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