MOGWAI – Hardcore Will Never Die, But You Will (DCD)

Für den Umgang mit einem Mogwai – jenem hamsterartigen Gesellen aus dem Film „Gremlins – Kleine Monster“ – gelten drei einfache, aber unbedingt einzuhaltende Regeln: Man darf das possierliche Tierchen keinesfalls ins Licht stellen, der Pelz ist streng von Wasser fernzuhalten, und nach Mitternacht bricht für den kleinen Freund die Zeit der Nulldiät an bis zum Morgen. Bei Nichtbeachtung drohen Unannehmlichkeiten: Unversehens verwandelt das zahme Haustier sich in einen garstigen Kobold, der dem Besitzer das Leben schwer macht und das Sterben erleichtert.

Das Monster allerdings, das die Jungs aus Glasgow seit Anfang der Neunziger auf ihre Hörer loslassen, scheint eher die umgekehrte Entwicklung zu nehmen: Vom einstmals bösartig knurrenden, fiependen und brodelnden Feedback-Troll mutiert es auf „Hardcore Will Never Die, But You Will“ zum gefällig schnurrenden Stubentiger, der gut dressiert und mit gezogenem Zahn durch den porösen Reifen des Alternative-Rock springt. Der Hörer fragt sich: Ist das noch dieselbe Band, die erst kürzlich mit der fabelhaften Live-Platte „Special Moves“ für psychedelisches Ohren- und Geistesrauschen sorgte? Deren Opener „I’m Jim Morrison, I’m dead“ den Raum in Sirup tränkte, während repetitiv-minimalistische Keyboards unter einer Decke weiß rauschenden Schnees begraben wurden – dabei zarte Meditationsklänge und elternnervendes Nichtmusikgetöse vereinend?

Auf „Hardcore Will…“ ziehen MOGWAI ganz neue (eigentlich aber ganz alte) Register. Der einstmals hochprozentige Cocktail aus Melodie und Krach wird zum lauen Alko-Pop: Geht rein wie Apfelsaft, schmeckt wie Zuckerwasser, und danach dröhnt ordentlich die Birne, ohne dass man sich an irgendwas erinnern kann. Komisch, waren für die Grundversorgung mit gehaltlos-süffigen Trendgetränken nicht AIR zuständig? An genau die erinnern MOGWAI nämlich auf ihrem neuen Album, auch wenn der Fahrstuhl schon noch etwas schneller ankommt. Leichte Langeweile stellt sich auf der Fahrt zur Lounge aber trotzdem bereits ein. Ist das nun Post-Post-Rock, wenn man das Rauschen und Gefrickel weglässt, oder hatten Mogwai Angst, sich selbst zu ähnlich zu werden?

Das Problem haben sie sicherlich beseitigt; wie MOGWAI klingen sie nun nicht mehr so recht, dafür wie alle anderen Bands, die mit Gitarre, Bass, Schlagzeug und ein paar elektronischen Spielzeugen vor sich hin rocken. Was MOGWAI auf „Hardcore Will…“ auszeichnet, lässt sich nur mehr noch ex negativo definieren, denn nach wie vor gibt’s bei den meisten Stücken keinen Gesang. Aber nicht singen – auch das können andere Bands, oder? Warum also ein Wahnsinns-Monster von einem Konzept, das MOGWAI über Jahre hinweg aufgezogen haben, auf so lahme Art durch die Manege führen?

Interessantes gibt’s allerdings doch zu hören, und zwar auf der zweiten CD, auf der sich der Sound zum Projekt „Monument for a forgotten Future“ des Künstlers Olaf Nicolai befindet – MOGWAI haben den Track eigens geschrieben, um damit die Ausstellung der maßstabgetreuen Nachbildung einer Felsformation aus dem Joshua Tree National Park (Kalifornien) auf der Gelsenkirchener „Wilden Insel“ zu untermalen. Hier operieren MOGWAI in epischer Breite mit Streichern, Rauschen und Knistern statt Konsens, und damit sind sie wenigstens auf der zweiten Platte dieses Doppelpacks über den künstlichen Berg. Der Rest geht über die Klippe.

(M.Reitzenstein)

Format: DCD
Vertrieb: ROUGH TRADE
 

Stichworte:
, , , , ,