BOBBY BEAUSOLEIL – The Lucifer Rising Suite (4LP)

Die Entstehungsgeschichte von Kenneth Angers Lebenswerk Lucifer Rising und der dazugehörigen Filmmusik von Bobby BeauSoleil gehört, samt der erst operettenhaften und später tragischen Begleitumstände, zu den schillerndsten Episoden der amerikanischen Okkultur. Sie beginnt 1967 am Vorabend des Summer of Love in San Francisco und endet 1980 mit der entgültigen Fertigstellung des Films durch Anger. Dank der schon vor geraumer Zeit bei Ajna Records veröffentlichten 4-LP-BOX The Lucifer Rising Suite ist es nun möglich, die gesamte Entwicklung des Scores nachzuvollziehen.

Die ersten Aufnahmen spielte BeauSoleil mit dem extra zu diesem Zweck geformten The Powerhouse of OZ ein, wobei es sich hier aber nicht um ein fertig durchkomponiertes Stück, sondern um mehr oder weniger freie Improvisationen handelt. Die auf dem Album präsentierte Fassung entstand im August 1967 und stellt die einzige Überlieferung der Urversion des Soundtracks dar. Wenig später überwarfen sich Anger und BeauSoleil und das Projekt Lucifer Rising wurde für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt.

1976 erfuhr BeauSoleil, der zu diesem Zeitpunkt bereits seit sieben Jahren wegen Mordes im Gefängnis saß, dass Anger an einer neuen Fassung des Films arbeitete und sicherte sich erneut den Auftrag für die Musik, nachdem Led-Zeppelin-Gitarrist und Crowley-Anhänger Jimmy Page sich von dem Projekt zurückgezogen hatte. Mit anderen Insassen formte BeauSoleil das Freedom Orchestra, einem Ensemble mit häufig wechselnder Besetzung, und begann unter den widrigen Umständen, die in der Natur des Haftalltags lagen, seine neue Musik einzuspielen. In seiner damaligen Situation war die kreative Arbeit für BeauSoleil der einzige Weg, um überhaupt in der von vielschichtiger Brutalität geprägten Welt hinter Gittern überleben zu können. In den Aufnahmen mischen sich Blues- und Jazzelemente mit Versatzstücken von Prog Rock und Psychedelia. Für die elektronischen Passagen entwickelte und baute BeauSoleil eigene Keyboards sowie einen Gitarrensynthesizer, bediente sich also im Prinzip der gleichen künstlerischen und technischen Strategien wie jene Experimentalmusiker, die zur gleichen Zeit jenseits der Gefängnismauern von Tracy an neuen Wegen zur Klangerzeugung arbeiteten. Aus dem so entstandenen Material destillierte BeauSoleil in dem in seiner Zelle aufgebauten Tonstudio dann die entgültige, knapp 45 Minuten lange Endfassung: eine eigenständige Klanglandschaft, die, wenn überhaupt, am ehesten vergleichbar ist mit Werken von Pink Floyd aus den späten sechziger, frühen siebziger Jahren und die stark genug ist, auch ohne die Bilderwelten Angers ihre suggestive Kraft zu entfalten.

Als Bonusmaterial enthält die opulent ausgestatte Box zwei Poster mit Artwork von BeauSoleil und dem Graphiker Dennis Dread sowie ein Booklet mit Texten zur Entstehung des Soundtracks von Michael Moynihan (die deutsche Übersetzung des Essays ist im letzen Jahr in der Anthologie Schillerndes Dunkel erschienen) und BeauSoleil. Ferner berichtet Dennis Dread, was ihm widerfahren ist, als er BeauSoleil zum ersten Mal im Gefängnis besucht hatte.

Während Kenneth Anger nach Lucifer Rising keinen weiteren Film mehr gedreht hat, vollzog BeauSoleil mit diesem Projekt seine künstlerische Wiedergeburt und konnte in den folgenden Jahren weitere Alben einspielen. Da ihm aber im Dezember 2010 abermals eine Begnadigung verweigert wurde, wird er seine künstlerischen Visionen für mindestens fünf weitere Jahre nur unter den einschränkenden Bedingungen des Gefängnisalltages verwirklichen können.

(M. Boss)

Format: 4LP
Vertrieb: AJNA RECORDS
Mailorder: Going Underground
 

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