UNDERWORLD – Barking (CD+DVD)

Vermutlich kann man unmöglich eine Rezension zu “Barking“, dem neuen Longplayer von UNDERWORLD schreiben, ohne den Eckpfeiler der Band-Karriere zu erwähnen, der sie einer größeren Öffentlichkeit bekannt machte. Dieser Eckpfeiler ist natürlich “Born Slippy“, seines Zeichens jener Track, den Danny Boyle für die Schlussszene in “Trainspotting“ verwendete, woraufhin sich die Tanzflächen aller Welt plötzlich zu den Klängen des Techno- und Dancefloor-Duos füllten. Dabei machten Karl Hyde und Rick Smith zu dem Zeitpunkt schon etliche Jahre auf die eine oder andere Art Musik zwischen Rock und Elektronik.

An den Soundtrack-Erfolg schloss sich eine erfolgreiche Phase an, in der auf das innovative Album “Second Toughest In The Infants“ (1996) der Megaseller “Beaucoup Fish“ (1999) folgte. Hier zeigten sich UNDERWORLD auf der Höhe ihres kommerziellen Erfolgs, gemeinsam mit Techno und Dancefloor, die in den Neunzigern dereinst auf dem Vormarsch waren. Und anschließend, mit dem Abebben der Techno-Hysterie spätestens im neuen Jahrtausend, begann bei vielen Hörern das chronische Ausschleichen der Faszination. Das letzte, was UNDERWORLD, nach einigen Alben, die nicht an die Vorgänger der 90er heranreichten, von sich hören ließen, war die Remix-Platte “The Bells The Bells“ (2008).

Nun sind sie wieder da mit frischem Material, und im Gegensatz zu THE PRODIGY, die vor einiger Zeit ebenfalls noch einmal nachlegten, gelingt es UNDERWORLD tatsächlich, den Sound der Neunziger ins Hier und Jetzt zu zerren. Das liegt einerseits – im Hinblick auf die Hörerschaft der ersten Stunde – vielleicht daran, dass man nun langsam bereit ist für auditive Nostalgie, nachdem dieser spezifische Drum´n Bass-Sound doch schon eine Weile nicht mehr in derart populär aufbereiteter Form zu hören war. Zum anderen gibt es ja eine neue Generation, die zum Zeitpunkt von “Trainspotting“ noch mit dem Hören von Benjamin Blümchen beschäftigt war. Diese Jungspunde wird UNDERWORLDs neues Album vermutlich auf neue und andere Art erreichen als die Fraktion ihrer großen Brüder und Schwestern.

Nachdem die CD – zugegebenermaßen wider Erwarten – auf Repeat in meinem Player rotierte, hatte ich allerdings vor der beigelegten DVD etwas Bammel: Würden UNDERWORLD meine spontane auditive Euphorie nun mit langweiligen (oder gar peinlichen) Videos zunichte machen? Ach was! Die visuelle Untermalung ist vom Feinsten und lässt der Musik genügend Luft zum Atmen. Absolutes Highlight ist das Video zu “Louisiana“, einem Downbeat-Piano-Stück, das auf der CD ein glanzvolles Schlusslicht darstellt. Wir sehen Karl Hyde als Schwarzweiß-Silhouette auf einem Sessel mit todtrauriger Miene in die Kamera singen, während eine junge Frau den Raum um ihn herum in grellstem Technicolor für eine Geburtstagsparty schmückt. Großes Kino!

Mit “Barking“ schaffen UNDERWORLD es, gleichzeitig aktuell und historisch zu klingen. Das geht in die Beine, kann sich als letztendlich zeitlos gute Popmusik aber nicht nur tanzen, sondern durchaus auch anhören lassen: Da sind neun im Beat eingängige, im Detail verspielte Dance-Stücke entstanden, die weder beim Abtanzen in der Disco um die Ecke noch beim einsamen Lauschen im stillen Kämmerlein langweilen. (M.R.)

Format: CD+DVD
Vertrieb: VERTIGO BERLIN/ UNIVERSAL
 

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