Dass Aleister Crowley den modernen Satanismus begründet hat, ein mit schwarzer Magie hantierender Scharlatan und nebenbei noch der böseste Mann der Welt war, gegen den die Schlächter des zwanzigsten Jahrhunderts wie Waisenknaben wirken, dürfte allgemein bekannt sein. Weniger bekannt dürfte sein, dass Crowley im Februar 1930 auf Einladung der Oxford University Poetry Society einen Vortrag über Gilles de Rais halten sollte. Allerdings musste diese Veranstaltung kurzfristig abgesagt werden, nachdem Father Ronald Knox, der katholische Kaplan der Universität, die studentischen Organisatoren mit Drohungen und Einschüchterungen massiv unter Druck gesetzt hatte. Kurzerhand ließ Crowley den Vortrag drucken und die Broschüre von seinem Verleger in den Studentenkneipen und Debattierclubs Oxfords verkaufen, um so auf elegante Weise die Zensur auszuhebeln.
Crowleys Rede, die der Belleville Verlag in einer zweisprachigen Ausgabe nun wieder neu aufgelegt hat, behandelt Gilles de Rais eigentlich nur am Rande. Tatsächlich nutzt Crowley den mittelalterlichen Landedelmann als bloßen Vorwand, um in seinen weiteren Ausführungen, dem Wesen des Wissens und dessen Möglichkeiten nachzuspüren (wer mehr über Gilles de Rais erfahren will, sollte die entsprechenden Kapitel aus Joris-Karl Huysmans Roman Tief unten lesen – ob man nach der Lektüre allerdings mehr weiß, steht auf einem ganz anderen Blatt). Vor allem widmet Crowley sich aber der Frage, mit welchen Methoden insbesondere die Kirchen versuchten, jegliches Streben nach Wissen jenseits der Dogmatik zu unterbinden. Die Diffamierung der Wissenssuchenden als Schwarzmagier und Handlanger des Bösen, als Erzschurken und Wüstlinge erwies sich dabei durch die Jahrhunderte als probates Mittel, dem Gilles de Rais ebenso zum Opfer fiel wie später Crowley selbst. Dies alles wird in einem gänzlich unaufgeregten, von feinsinnigem Humor durchzogenen Ton vorgetragen, der auf Polemik gänzlich verzichtet. Eingerahmt wird der Vortrag von einem Interview mit Crowley über die Oxford-Affäre sowie einem biographischen Essay von Hans Schmid.
Dem schmalen Band beigegeben ist eine CD mit dem 2007 vom WDR produzierten Hörspiel Do what you like. 17 Songs for Aleister Crowley. Unterlegt mit der Musik von Zeitblom, wird hier das Leben des Magiers und Dichters nacherzählt, wobei der Autor und Verleger Michael Farin geschickt biographische Fakten mit Originaltexten Crowleys zu einem atmosphärisch dichten Ganzen verwebt.
Alles in allem eine kleine und sehr schöne Edition, die ein anderes Bild Crowleys zeichnet als die landläufigen Karikaturen, die auch heute noch für viele Publikationen und Medienberichte typisch sind.
(M.Boss)
Format: Buch |
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