Mit „Aubade“ legen die unermüdlichen Zwillinge Klive und Nigel Humberstone eine Kollektion ihrer Frühwerke vor. Roh und unpoliert klingen IN THE NURSERY auf diesen 18 Stücken noch eher nach JOY DIVISION, obwohl die für ITN typischen orchestralen Anklänge bereits vorhanden sind. Der größte Unterschied zu den späteren, episch-filmmusikalischen Produktionen besteht im Einsatz der Gitarre, denn ITN bestritten ihre frühen Platten und Auftritte noch als Trio, bevor man sich von Gitarrist und Sänger Ant Bennett trennte, um auf sphärischeren Pfaden zu wandeln.
Die CD bietet mithin nicht nur eine Kollektion der frühen ITN-Veröffentlichungen (die EPs „When Cherished Dreams Come True“, „Sonority“ und „Temper“ sind zur Gänze enthalten, ebenso die Single „Witness (To A Scream)“ mit dem imposanten und rätselhaft betitelten „E984“, sowie die Beiträge zum gesuchten NER-Sampler „From Torture To Conscience“), sondern auch einen originellen Einblick in die Bandästhetik der Anfangszeit, als ITN noch zwischen episch rockigen Indie-Sounds, Avantgarde-Pop und militärisch-rhythmischen Soundtrack-Pfaden wandelten. Dank des Remasterings klingen die Stücke wie aus einem Guss und werden mit dieser Compilation wieder verfügbar gemacht, denn die original Vinylscheiben sind mittlerweile gesuchte Sammlerstücke. Ergänzt wird diese Rückschau durch das live aufgenommene Titelstück sowie Fotos (sowohl aus dem Studio wie auch PR-Aufnahmen) aus der Epoche. Der Gesamteindruck bleibt jedoch gemischt, da – unschwer nachvollziehbar – die Gruppe zu jener Zeit ihren charakteristischen Stil noch nicht gefunden hatte, so dass Anklänge an die frühen DEAD CAN DANCE hörbar sind, wie auch an die bereits erwähnten JOY DIVISION, jedoch ohne die markante Größe jener Gruppen anknüpfen zu können; zu amateurhaft und bemüht klingen manche Stücke, insbesondere Bennetts Gesang auf dem Opener „A to I“ ist schon sehr grenzwertig. Aber so war das eben in der guten alten Zeit der frühen 80er; Intention und Innovation waren wichtiger als technische Perfektion. Alles andere als überproduziert, kann diese Scheibe dem entstaubten Material durchaus Spaß entlocken und ist von daher vor allem für ITN-Fans empfehlenswert, die sich noch nicht an die Frühphase der Band heran gewagt haben, aber auch generell für Menschen, die sich dem Post-Punk verbunden fühlen und weder die Zeit noch die Motivation aufbringen, sich die alten Veröffentlichungen dieser Stücke zusammen zu jagen.
Wer sich aber bereits im Besitz der Platten (oder der 1989 auf Normal erschienen Compilation „Prelude“) befindet, braucht sie in erster Linie zur Komplettierung der Sammlung – wenn überhaupt. Für alle anderen ist sie ein interessanter Trip in die Steinzeit des sogenannten „Military Pop“, bei dem der „Pop“ (wenn auch in seiner melancholischen Darreichungsform) nicht zu kurz kommt: Ein musikgeschichtliches Dokument, und mit 18 Stücken bei voll ausgeschöpfter CD-Laufzeit stimmt das Preis-/Leistungsverhältnis allemal. (AN)
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