… ODER IMMER WIEDER “BLUE MONDAY”
Gerhard Potuznik aus Wien ist GD LUXXE bzw. Musiker, Produzent und Grafiker in Personalunion. Seine Produktionen für CHICKS ON SPEED, waren damals eine wichtige Initialzündung für das Genre Electroclash, ich selbst wurde aber erst durch seine Arbeit mit BUNNY LAKE und BRUCKMAYR auf ihn aufmerksam (obwohl ich unbewusst schon Jahre sein Drum’n Bass-Projekt Cube & Sphere zusammen mit Hans Platzgumer im Schrank stehen habe). Sein elegant schlanker Soundstil bei GD LUXXE hat es mir nun besonders angetan, weil er dort die Klang-Atmosphäre zwischen kühl und warm, perfekt ausbalanciert und immer wieder das große Vorbild NEW ORDER durchscheinen lässt. Es war mir ein besonderes Vergnügen, mit ihm nun dieses ausführliche und hoffentlich auch interessante Interview zu führen.
? Laut Deiner Biographie begann Deine musikalische Karriere Ende der 80er Jahre mit dem Projekt HYPE bei Gig Records, welches ein absoluter Flop gewesen sein soll – kannst Du Dich noch an diese Situation erinnern und welchem Sound war HYPE verpflichtet?
Das die Single damals ein Flop wurde war nicht so dramatisch, weil Gig-Label-Boss Markus Spiegel das irgendwie prophezeit hatte. Ich kann mich aber auch noch an ein Gespräch erinnern, wo er meinte, dass sich mein Leben total verändern würde, sollte die Single ein Hit werden. Habe mich aber nicht sehr umstellen müssen, nachdem die Single releast war… Der Sound war damals wie zum Teil auch heute noch sehr NEW ORDER und PET SHOP BOYS lastig – Electropop eben.
? Hattest Du des weiteren auch mit FALCO zu tun, der ja auf dem gleichen Label veröffentlicht hat?
Nein, mit FALCO hatte ich labeltechnisch nichts am Hut, aber ich kannte ihn vom sehen bzw. aus meiner Schulzeit, wo wir bei DRAHDIWABERL-Konzerten den Roadies helfen durften (Chef der Band war unser Zeichenlehrer). Damals spielte FALCO bei DRAHDIWABERL Bass und hing somit da auch immer rum. Ich war damals cirka 14/15 Jahre alt und viel zu schüchtern um mit FALCO dort ein Gespräch anzufangen. Glaub es hätte ihn auch wenig interessiert, sich mit mir abzugeben.
? Mir bist Du das erste Mal als Produzent der “The Late Night Tapes” von BUNNY LAKE aufgefallen – warum wurde die Zusammenarbeit mit BUNNY LAKE eigentlich nicht fortgesetzt, zumal laut Christian Fuchs Du das Projekt erst auf den richtigen Weg gebracht, denn die ersten Demo-Aufnahmen von BUNNY LAKE klangen ja noch etwas anders?
Christian hat schon während den Sessions zu “The Late Night Tapes” mit Christopher Just zusammengearbeitet. Er hat ein paar Remixe gemacht und zeigte sich an BUNNY LAKE sehr interessiert. Da die nächste BUNNY LAKE-CD deutlich Dancefloor lastiger ausfallen sollte, haben sie das dann mit Just gemacht, einfach weil er das besser kann als ich. Zur Zeit sitzen wir allerdings wieder gemeinsam an neuen BUNNY LAKE-Stücken.
? So richtig bekannt geworden bist Du aber als Produzent von CHICKS ON SPEED – wie kam es zu diesem Kontakt, der Dir letztendlich das Prädikat des Wegbereiters des Electroclash eingebracht hat… war doch sicher eine wilde Zeit oder?
Ich lernte Alex, Melissa und Kiki über Hans Platzgumer kennen. Damals lebten alle in München (nicht so weit von Wien weg) und es gab eine Art Kommune (ohne zusammenhausen) die sich Gang Of Munich nannte. Dabei waren eben die CHICKS und Platzgumer, genauso wie Catroina Shaw (MISS LE BOMB) und ein Haufen anderer. Ich hab da manchmal aufgelegt und damals entstand gerade die erste CHICKS-Single “Warm Leatherette”. Ich war (als alter 80er Jahre Hase) sofort total begeistert und habe ihnen angeboten, ein paar Tracks für sie zu produzieren. Sie kannten meine Sachen, die ich gemeinsam mit Tex Rubinowitz unter dem schönen Namen MÄUSE machte. Die CHICKS mochten den wirren Sound ebenso wie ich ihre Sachen. So kam es zur Zusammenarbeit und daraus entstand dann die “Smash Metal”-Doppel-Single mit DMX KREW. Wir sind immer noch, wenn auch sehr lose, in Kontakt und am nächsten CHICKS-Album wird ein kleiner Beitrag von mir zu hören sein, der ein Track aus einer Session ist, die wir hier in Wien mit Mark Stewart aufgenommen haben. Watch Out! Wilde Zeit: Nun, es war schon aufregend, diese Aufbruchsstimmung mitzuerleben – einfach weil man das Gefühl hatte, am Puls zu sein und nicht irgendwo hinterher hechten musste. Ich war aber nie der große Raver oder Partyking und war eher immer verzweifelt, wenn sich ein Auftritt in frühe Morgenstunden verschoben hat – ich wollte immer lieber im Hotel chillen und fernsehen…
? Nicht nur Produzent, sondern auch am Songwriting beteiligt warst Du bei dem Solo-Debüt von BRUCKMAYR – eine weitere schillernde Persönlichkeit aus Wien. Was schätzt Du insbesondere an der Person des Didi Bruckmayr und der Arbeit mit ihm?
Das faszinierende an ihm ist, dass er ein unglaublich intensiver Live-Performer ist – etwas das ihn grundlegend von all den Leuten unterscheidet, mit denen ich sonst zu tun habe (von den CHICKS mal abgesehen). Er singt des weiteren bei seiner Hauptcombo FUCKHEAD, das geht allerdings schon eher in Richtung Aktionismus bzw. Theater. Er singt auch noch mit WIPEOUT und BRUCKMAYR sollte quasi sein Solo-Projekt werden. Ich habe dafür die Songs mit Clemes Haipl und Alex Joechtl geschrieben. Uns alle verbindet die Liebe zum großen Popsong und wir haben auch sehr ähnliche Wurzeln. Wenn wir mit BRUCKMAYR als Band Live auftreten (ich spiel da Bass und singe Backing-Vocals), dann ist es für mich immer ein völlig anderes Ding als die Auftritte, die man mit Laptop und ein paar Midi-Controllern bestreitet. Das mag ich sehr, obwohl viel dabei Playback ist. Mit MÄUSE (die Band die ich vorhin erwähnte) ist das sogar noch extremer – da gab es kein Playback und wir probten eigentlich auch nicht. Die Konzerte entstehen während wir spielen und das ist schon was anderes, als Tracks vom Ableton Live abzuspielen!
? Auf der Höhe der Electroclash-Welle, die Du ja maßgeblich mitbestimmt hast, entdecktest Du die Gitarre neu – hat das etwas mit Deiner musikalischen Sozialisation zu tun und wenn ja, wie sah diese aus?
Aufgewachsen bin ich hauptsächlich mit Metal, Glam Rock, Hardrock und natürlich – ganz wichtig Prog! Danach eben Punk und New Wave, also alles Stile, wo die Gitarre sehr wichtig ist. Disco hab ich eigentlich immer gehasst – Soul und Funk – nein danke! Grade mal Reggae war so irgendwie am Rande meines musikalischen Horizonts vertreten, aber auch hauptsächlich wegen “Sandinista” von THE CLASH. Erst 1988, wo ich zufällig in eine Acidparty in Londons Club “Heaven” gestolpert bin, hat sich meine Welt schlagartig verändert – ich hab mir eine 303 besorgt und die folgenden Jahre dem Rock’n Roll den Rücken zugekehrt. Gitarre ist übrigens das einzige Instrument wo ich Noten kenne und Akkorde spielen kann, viele Songs auf meinen Alben basieren auf Gitarren-Kompositionen wenn man so will. Wiederentdeckt hab ich sie mit MÄUSE und die Musik war bzw. ist total frei. Eine Mischung aus Samples, Soundfetzen, Electro-Tracks, aber auch Indierock-mäsig verzerrten Gitarren-Stuff. Das hat großen Spaß gemacht, und vor allem später, durch Software wie “Ableton Live” war das verfremden des Sounds so einfach, dass ich wieder vermehrt Gitarren verwendet habe. Die Spitze des Eisbergs ist mein vorletztes Album “Make”, wo die Gitarre das Hauptinstrument auf fast allen Tracks ist, auch wenn es sich teilweise nicht so anhört. Aber gerade das macht für mich den Reiz aus – ein Gitarren-Feeling im Track zu haben, obwohl es eher nach Synthesizer klingt.
? Eine wichtige musikalische Inspiration für Dich scheint ja auch NEW ORDER gewesen zu sein?
Ja, ich war seit jeher ein glühender Fan. Für mich war das auch eine der wenigen Ausnahmen, wo ich Disco plötzlich super fand. Als “Blue Monday” rauskam, hab ich ein halbes Jahr nur immer wieder diesen einen Track gehört. Mich faszinierte die Mischung aus der kalten Elektronik und der warmen, brüchigen Stimme von Bernard Sumner. Dieses “Mensch gegen Maschine”-Ding fand ich einfach spannend. Ich versuche ja auch gar nicht NEW ORDER zu kopieren oder so – das passiert irgendwie automatisch, wenn ich mich an so poppige Sachen wie auf “Crave” rantaste – ich kann gar nicht anders.
? Ist meine Interpretation richtig, dass das Cover von “The 21th Door” eine Hommage an Factory Records ist?
Stimmt zu 100% Sir! Das Coverartwork stammt von Brendan Mac Gillan, dem Chef von Interdimensional Transmissions. Auch ihn erinnerte mein Sound an frühe 80er Jahre und er schickte mir irgendwann diesen Coverentwurf – ich war natürlich sofort begeistert!
? Stimmt es, dass Deine aktuelle CD “Crave” gar kein richtiges Album ist, sondern mehr eine Resteverwertung aus einzelnen Songideen?
Für mich ist es schon ein richtiges, in sich sehr stimmiges Album, vielleicht sogar mein bisher albumartigstes. Allerdings stimmt es auch, dass die Basis davon viele Songs bildeten, die es als Layouts schon länger gab, die aber nicht zu den älteren Sachen passten und deshalb liegen geblieben sind. Mir tat das leid, weil ich die Songs ja sehr mochte. Als ich ein paar davon ausgewählt und in verschiedenen Reihenfolgen angehört hab, merkte ich, dass das sehr gut funktioniert. Es ist kein “Reste verwerten”, sonder ein eigenständiges und eher poppiges GD LUXXE-Album. Cirka die Hälfte der Songs sind älter, die andere Hälfte entstand während ich die alten Songs neu mischte und teilweise neu arrangiert habe. Die alten Stücke dienten quasi als Inspiration für die neuen und diese Mischung macht aus dem ganzen eine, wie ich finde, runde Sache und ist so ganz im Sinne einer LP.
? Auf “Crave” ist auch eine Coverversion von “This Corrosion” der SISTERS OF MERCY zu finden und Du coverst diesen Klassiker schon zum zweiten Mal – in wie weit unterscheiden sich Deine beiden Versionen von einander und was bedeutet Dir der Song bzw. die Band persönlich?
Die erste Version war etwas sperriger und die jetzige ist von der Produktion einfach ausgereifter bzw. ein klassischer Re-Work mit besserem Equipment. Die SISTERS waren auch so eine Band, die ich schon seit ihren ersten Maxis verehrte. Vor allem die Coverversionen (“1969”, “Jolene”…) mochte ich sehr und das war im Prinzip auch die Grundidee, den Spieß umzudrehen und die SISTERS OF MERCY selbst zu covern. Ich finde, als Andrew Eldritch sich von den Alt-Rockern Hussey und Co befreite, konnte sich erst die wahre Seele der SISTERS entfalten. Sein “Solo-Album” “Gift” ist nach wie vor für mich ein Meilenstein und seine Zusammenarbeit mit Jim Steinman machte dann alles irgendwie fast zur Karikatur, aber im positiven Sinne – nicht Micky Maus, sondern Watchmen! “This Corrosion” hatte auf mich eine ähnliche Wirkung, wie Jahre zuvor “Blue Monday” – das war für mich die Essenz von den SISTERS bzw. die perfekte Symbiose aus Underground und Mainstream. Deshalb war es natürlich nahelegend, dann dieses Stück zu covern.
? Warum ist Deine Version so nah am Original angelegt, ohne natürlich deren bombastischen Jim Steinman-Sound je erreichen zu können?
Hat sich einfach so ergeben – klingt doof, ist aber so. Ich wollte ursprünglich eine richtige Elektro-Version davon machen, so wie die alten Demos (auf YouTube zu hören) – also ohne Walküren-Gesang und Bombast – eben genau das Gegenteil. Beim produzieren und vor allem nachdem ich die Vocals gemacht habe, ist mir das immer schwerer gefallen. Der Bombast hat sich mir förmlich aufgedrängt und so hat sich das dann in die jetzige Richtung entwickelt. Ich wollte in meinem Witz-Homestudio ja nie gegen Jim Steinman antreten, sondern den Track einfach so machen wie ich ihn mochte. Irgendwann war dann Catroina (MISS LE BOMB) zu Besuch und ich hab ihr das vorgespielt und wir dann die weiblichen Vocals dazu aufgenommen. Es war sehr lustig und für Catroina wahrscheinlich das einzige Mal, wo sie fast opernartige Laute von sich gegeben hat. Am Ende blieb die aufgemotzte Version übrig und meine Elektro-Grund-Idee verblasste immer mehr.
? Vor ein paar Jahren hast Du einen Remix für ESPLENDOR GEOMETRICO gemacht – wie kam es zu dieser Kollaboration und hast Du persönlich für einen Bezug zu dieser spanischen Industrial-Legende?
Um ehrlich zu sein gab es gar keinen Bezug, obwohl ich ja viel 80er Industrial/Wave-Zeugs hörte, ist das an mir irgendwie vorbeigerauscht. Alek Stark sagte eines Tages zu mir, dass er ein Ding im Ärmel hatte, das wie extra für mich gemacht sei und erklärte mir dann ganz feierlich was es war. Ich kannte das Stück zu dem Zeitpunkt peinlicherweise gar nicht, tat aber so (sorry Alek). Trotzdem hat es natürlich gleich voll eingeschlagen bei mir, als ich den Track zum ersten Mal gehört habe. Der Remix ging mir dann leicht von der Hand und ich hab auf Spanisch gesungen, was mir viel Spaß machte. Das Ganze klingt angeblich gar nicht so daneben, wie mir so manch Spanisch sprechender Mensch schon versichert hat, aber ich glaub eher nur aus Höflichkeit. Ich finde ja so was manchmal ganz charmant, wenn man deutlich merkt, dass der Sänger in einer ihm fremden Sprache singt und bestes Beispiel dazu ist wahrscheinlich “Helden” von Großmeister David Bowie (übrigens eines meiner All Time Top Ten-Songs!)
? Gibt es eine Band oder einen Künstler, den Du mal gerne produzieren möchtest?
Früher hab ich darauf immer gesagt: “Ja, die MELVINS”. Mittlerweile bin ich da nimmer so sicher. Im Moment finde ich Dubstep und alles was damit zusammenhängt sehr spannend. Was ich gerne machen würde, wären Tracks in dieser Richtung zu produzieren und mit TIKIMAN als Sänger, obwohl seine Sachen als RHYTHM AND SOUND wahrscheinlich nicht zu toppen sind, aber ich würde ja wahrscheinlich alles sehr poppig erklingen lassen. Wir (MÄUSE) waren übrigens letzten November mit RHYTHM AND SOUND auf einem Festival in Porto und dort durfte ich Moritz von Oswald und eben TIKIMAN kennenlernen. Wirklich extrem sympathische Menschen, aber ich war natürlich ähnlich schüchtern wie damals bei FALCO und hab mit keiner Silbe etwas von meinem Wunschtraum erwähnt.
? Wien hat ja den Ruf einer Nekropole, hinter deren beschaulichen Fassade sich aber auch ein glitzerndes Nachtleben verbirgt – bist Du noch ein Clubgänger, der sich am Puls der Zeit bewegt?
Am Puls bin ich einfach durch meine Verbindung zur Musik und zu den Leuten, die auf meinem Label releasen, so wie durch meine alten Bekannten aus der ganzen Elektronik-Ecke. Ich hab das Glück, dass mir da fast beiläufig immer ganz gute Sachen auf diese Weise zugetragen werden und ich vieles einfach nur konsumieren muss – ganz praktisch. Der große Clubgänger war ich ja nie so wirklich und wenn, dann wollte ich meistens nur wissen, wie meine Sachen im Club klingen. Habe mich dabei dann schon oft von so einer Nacht inspirieren lassen, aber mein Ausgehen hält sich in Grenzen. Ich hocke lieber im Studio rum und werkele an meinen Projekten.
? Mir ist aufgefallen, dass Deine Texte bisher nur im Booklet des “Between Zero & Eternity”-Albums abgedruckt wurde – war dieser Mangel sonst nur dem Layout geschuldet oder gibt es dafür besondere Gründe?
Adam und Nicola von Ersatz Audio haben das Artwork konzipiert und mich gefragt, ob sie die Texte innen abdrucken sollen. Ich wollte das Anfangs nicht, weil Englisch ja nicht meine Muttersprache ist. Ich hatte da ein bißchen Angst, dass die Texte für Leute, deren Muttersprache eben Englisch ist, vielleicht sehr naiv rüberkommen, doch die beiden meinten, dass die Texte völlig in Ordnung sind. So kamen sie dann ins Booklet, aber prinzipiell mag ich es ja mehr, wenn man nicht alles verstehen kann, was ich singe. Ich finde es viel spannender, das ein wenig im Dunkeln zu lassen und meine Texte erzählen ja auch nie eine Geschichte. So was mag ich nicht und sie sind einfach Fetzten, Eindrücke, gut klingende Wörter aneinandergereiht oder Zeilen von anderen Songs geklaut. Vieles ergibt Anfangs auch keinen Sinn, aber es ist mir schon sehr oft passiert, dass vieles von dem was ich da so schreibe, erst Jahre später für mich eine Logik bekommt oder das Situationen entstehen, wo plötzlich die eine oder andere Zeile dann Sinn macht. Das finde ich sehr spannend und toll.
? Du selbst bist ja Betreiber des Angelika Köhlermann-Labels – kannst Du uns etwas über die Philosophie des Labels berichten und wer ist eigentlich Angelika? Das Label mache ich gemeinsam mit einem sehr guten Freund (Tex Rubinowitz), mit dem ich ja auch die Band MÄUSE machte. Als wir nach exakt 50 Gigs beschlossen, dass mit der Band bleiben zu lassen, war es eine sehr willkommene Art und Weise uns weiterhin mit Musik aktiv zu beschäftigen, ohne selber auf der Bühne zu stehen. So kam die Idee, ein Label für Musik die uns beiden gefällt zu machen, völlig egal welches Genre. Gestartet haben wir 1999 und die Initialzündung kam von dem bezaubernden Duo SAM & VALLEY aus Tokio, die uns mit Demos versorgten nachdem wir ihnen eine Email geschickt haben. Ihre Email-Adresse war auf ihrer ersten Platte “My Favourite Clinic” (Rephlex) abgedruckt und Tex wie ich waren von diesem Album schwer begeistert. Wir schrieben ihnen, dass wir ein Label starten und ob sie nicht Lust hätten was zu veröffentlichen. Dann kamen die Demos (auf Kassette) und so entstand die erste Release. Anfangs war uns eine gewisse Unschuldigkeit wichtig, Wir wollen keine glatt und fett produzierten Songs veröffentlichen, sonder eher zarte, fragile Homerecording-Aufnahmen, die immer eine gewisse Magie besitzen. Im Laufe der Zeit und mit immer besser werdenden technischen Möglichkeiten änderte sich das natürlich, doch was geblieben ist, das Angelika Köhlermann ein Song-orientiertes Label ist, denn Vocals sind und waren uns immer wichtig – es gibt kein einziges Instrumental-Album und das ist sozusagen der rote Faden, der sich durch den bunten Haufen zieht. Es ging uns auch nie um Kohle, da wir sind sehr schlechte Geschäftsleute sind und wir haben mit dem Laden bisher noch keinen Cent verdient. Im Gegenteil, wir müssen da immer wieder ein bisschen was reinstecken um alles am Leben zu erhalten, aber das ist in Ordnung. Es macht Spaß, eine Art teures Hobby wenn man so will. Der Name war eine Erfindung von Tex und er bedeutet nichts – wir kennen keine Angelika Köhlermann, obwohl es bestimmt einige davon gibt. Obwohl, Anne Laplantine, eine Musikerin aus Frankreich, die unter dem Namen Michiko Kusaki auf AK ein Album veröffentlicht hat, nennt sich zeitweise Angelika Köhlermann und hat auch unter diesem Namen eine Platte auf Tomlab gemacht.
? Mit der Sängerin ZEEBEE hast Du vor einigen Jahren zusammen gearbeitet und jene ist ja jetzt durch WALDECK recht erfolgreich im Geschäft – hast Du das damals schon geahnt und bist Du auf Deinen Kollegen vielleicht etwas neidisch?
ZEEBEE dachte auch erst, das Angelika Köhlerman eine Frau ist, die ein Label betreibt und das fand sie gut und deshalb schickte sie uns ihre Demos. Als ich zum ersten Mal ihre Stimme hörte, wusste ich, dass ich da etwas sehr Spezielles höre und wollte ihr unbedingt zusammen arbeiten. Die Tracks zu denen sie sang waren mir aber immer etwas zu schwer, so “Rotwein-Trip Hop”. Ich wollte eher R&B beeinflusste, luftige Popsongs mit ihr machen und auf dem ersten Album “Chemistry” ist uns das auch ganz gut geglückt, wie ich finde. Doch ich hatte immer das Gefühl, dass sie damit nur zu 80 Prozent glücklich war und wir entfernten uns ein wenig voneinander, was die musikalischen Geschmäcker betrifft. Ich bin nicht neidisch auf ihre WALDECK-Zusammenarbeit und ganz im Gegenteil, bin ich sogar ein bisschen stolz drauf, wenn ein kleiner Angelika Köhlermann-Artist Karriere macht. Ich schätze auch WALDECK’s Sachen und finde das ZEEBEE perfekt zu seinem Sound passt.
? Ganz aktuell hast Du gerade Maximilian Freudenschuss produziert und veröffentlicht, der ja wie NEW ORDER auf Deutsch klingen soll – war das ein ausschlaggebender Grund für Dich?
Max ist ein alter Bekannter sozusagen und es war nicht unsere erste Zusammenarbeit. Vor einigen Jahren hatte er diese Band mit seiner Schwester namens SKITZE und ich hab deren Album damals produziert. Das wir alle große NEW ORDER-Fans waren, war immer schon klar und sicher auch eine Basis für die neue Zusammenarbeit. Ich hab ihn im Sommer 2008 zufällig getroffen und er erzählte mir, dass er neue Stücke als Solo-Artist gemacht hat und ein Label sucht. Schon nach den ersten Takten schmolz ich dahin und war auch der von der Idee angetan, eine 7inch Vinyl-Single zu machen, und keine CD und auch kein Album. Das war die Idee von Max. Außerdem ist das was Max macht, etwas was ich so noch nie gehört habe. Die meisten deutschsprachigen Sachen klingen nach 90er Soft Indie Rock und die deutschen R&B-Sachen klingen nach Peter Maffay oder Roland Kaiser. Das alles hat mich nie sonderlich gekickt, abgesehen von ein paar guten deutschen Hip Hop-Sachen, aber die Sound-Ästhetik einer Band wie NEW ORDER und dazu deutsche texte – hey, das ist was Neues und es funktioniert extrem super! Also anhören, downloaden und bei mir die Single bestellen, sofort!
? Wo wir jetzt doch schon viel über Deine Produzentenrolle erfahren haben, möchte ich nun mal wissen, was ein Produzent wirklich für Aufgaben hat, da ja zum Beispiel ein neues DEPECHE MODE-Album ohne diese Planstelle nie etwas werden würde? Ich frage mich inzwischen auch, was die eigentlich selber noch beitragen, wenn selbst das Programming von externen Leuten übernommen wird?
Das Programming mache ich als Produzent auch teilweise und das kann ich schon nachvollziehen, denn im Endeffekt ist der Artist ja dann derjenige, welcher entscheidet, ob er das so haben möchte oder nicht – quasi der Kunde, dem man seine Dienstleistung anbietet. Ich gehe sogar soweit zu sagen, dass es mich gar nicht interessiert einen Song jetzt nur technisch auf einen guten Stand zu bringen, wenn ich nicht auch musikalisch ein bisschen eingreifen darf. Das ist dann reines Engineering und man macht nur einen guten Stereo Mixdown. Bei MEDIENGRUPPE TELEKOMMANDER war das zum Beispiel so. Da hab ich kaum was verändert und nur bestimmte Sachen mehr betont und andere weniger. Das machte mir aber insofern Spaß, weil ich die Band sehr mag.
? Was sind Deine weiteren Pläne mit GD LUXXE und Angelika Köhlermann?
Nach der Max Freudenschuss-Single, wird noch ein neues Album von VILLALOG erscheinen, Stichwort “Cosmickrautrockdisco”. Für den Herbst ist noch nichts Konkretes geplant und GD LUXXE erholt sich gerade von den Anstrengungen des letzten Albums, hehe… nein im Ernst, ich mache meistens ein bisschen Pause, nachdem ich ein Album gemacht habe und lass mich von neues Dingen inspirieren die ich dann einfließen lassen oder auch nicht. Es gibt eine vage Ahnung, wo es musikalisch hingehen soll, aber noch nicht mehr – Deutsch werde ich nicht singen, das steht jedenfalls fest. Allerdings bin ich auch an einem neuen Label beteiligt und produziere zur Zeit wieder mehr Tracks statt Songs. Schuld dran ist Dubstep, etwas wovon ich leider erst viel zu spät etwas mitbekommen habe, das mich aber dazu bewegte, wieder Tracks zu machen. Das neue Label (www.phlox.at) betreibe ich mit Bekannten gemeinsam, Tracks und Artists gibt es schon, nur noch keinen Vertrieb und zur Zeit suchen wir danach. Die Idee ist, immer sogenannte Vinyl-Bundels zu releasen, also 10” oder 12” mit 2 bis 4 Artitst drauf, eher clubmäßig. Die kompletten Veröffentlichungen der Artists gibt es dann als Digital Download und das scheint mir ein gehbarer Weg, denn CDs wollen wir keine machen.
? Was sind Deine aktuellen musikalischen Favoriten bzw. All Time-Alben?
All Time ändert sich ständig, aber Dinge die ich gerne gehört hab in den letzten Tagen sind: MAYBES “Mount Kimble”, Brain Eno “Here Come The Warm Jets”, HARMONIC 313 “When Machines Exceed”, KING MIDAS SOUND “Cool Out”, David Bowie “Heroes”, ROXY MUSIC “Country Life”, SIDESHOW “Admit One”, Rocky Erikson “I Think Of Demons”, WIRE “154” und JOKER “Digidesign”.
? Ich danke Gerhard Potuznik für dieses Interview und wünsche für die Zukunft alles Gute. Des weiteren geht Dank an Ed Benndorf von Dense Promotion für seine Unterstützung.
– M.Fiebag. –
Diskografie
1999 – “Submission” (LP/CD) – Breakin’ Records
2002 – “The 21st Door” (2LP/CD) – Interdimensional Transmission
2003 – “Vendetta” (12”/EPCD) – Suction Recods
2004 – “Between Zero And Eternity” (LP/CD) – Ersatz Audio
2005 – “Make” (CD) – Angelika Köhlermann
2008 – “Crave” (CD) – Angelika Köhlermann
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