Als THROBBING GRISTLE nach ihrem Konzert am 29.05.1981 in San Francisco („Mission Of Dead Souls“) ihre Mission als beendet erklärten, hinterließen sie ein solch einflussreiches Erbe, das nicht nur das Industrial-Genre wegweisend prägte, sondern letztendlich sogar bis in die Pop-Kultur hinein reichte. Die vier Bandmitglieder splitteten sich nach dem Ende von THROBBING GRISTLE in CHRIS & COSEY und PSYCHIC TV (wie etwas später noch in COIL) auf, waren mit den jeweiligen Projekten weiterhin prägend und eine Wiedervereinigung auf Grund ihrer starken Egos eigentlich ausgeschlossen. 2004 passierte dann jedoch genau das unwahrscheinliche und die sogenannten „Zerstörer der Zivilisation“ gaben ihre Reunion bekannt. Diese lief aber etwas holprig an, denn ein geplantes Mega-Festival fand nicht statt und es erfolgte nur ein einziger Auftritt in London in jenem Jahr. In dieser Zeit erschienen unter „Mutant TG“ Techno-Remixe ihrer „Hits“ und mit „TG Now“ 4 neue Tracks, die aber eher wie Solo-Arbeiten der einzelnen vier Mitglieder wirkten. Silvester 2005 kam es dann zu einem zweiten vielbeachteten Auftritt in der Berliner Volksbühne. Dort auf geschichtsträchtigen Grund offenbarten sich deutlich sichtbar die vier absolut verschiedenen starken, schwierigen wie eigenwilligen Charaktere der Künstler, die optisch weniger an die Zyklon B-Zombies aus Auschwitz erinnerten, sondern mehr nach einer Dragqueen-Ausgabe von ABBA aussahen. Neues gemeinsames Material schien in dieser Konstellation fast ausgeschlossen, zumal die Reunion von THROBBING GRISTLE überwiegend aus rein finanziellen Interessen statt fand! Doch gerade hier zum Jahreswechsel in Berlin boten sie überraschend erste Ausblicke auf ein neues Album, welches dann 2007 als „Part Two: The Endless Not“ erschien. Musikalisch klang die Band natürlich im ersten Eindruck nicht mehr so brutal-radikal wie damals, was aber auch an den über die vielen Jahre veränderten Hörgewohnheiten lag. Bei genauerer Betrachtung offenbarte das Set trotzdem (oder gerade) diverse Sound-Widerhaken und massives Alptraum-Potential. Insbesondere die deutlich in den Vordergrund gerückte nölig-kreischende Stimme von Genesis Breyer P Orridge über den monoton tuckernden Minimal-Rhythmen hob den subversiven Anspruch von THROBBING GRISTLE auf ein neues hypnotisches Level. Jener erzwang an diesem Abend übrigens die erste Zugabe von THROBBING GRISTLE überhaupt, indem er einfach ohne die anderen auf die Bühne zurückging und „Hamburger Lady“ intonierte! Ein Novum in der Geschichte dieser Formation, was von frenetischen Applaus begleitet wurde und früher ebenfalls undenkbar gewesen wäre, da man meist ein eher aufgebracht-traumatisiertes Publikum zurückgelassen hat. Dieser somit denkwürdige Abend wurde ja schon im vorigen Jahr via Mute Records mit der „TG Berlin“-Box allumfassend dokumentiert. Diese war mit eine 10“-Vinyl, 4 CDs, eine Blu-ray + Booklet bestückt und auf 1000 Exemplare limitiert. Auf Grund ihres Gehalts war die Box allerdings recht teuer, weshalb es jetzt das Ganze in abgespeckter Form bzw. nur das eigentliche Konzert noch einmal als Einzel-CD und erstmals auf Vinyl zum normal erschwinglichen Preis gibt. Durch den abrupten Ausstieg von Genesis Breyer P. Orridge 2010 waren THROBBING GRISTLE dann wirklich Geschichte und das rasch improvisierte Nachfolge-Projekt X-TG mit dem überraschenden Tod von Peter Christopherson im selben Jahr ebenso. Genesis verließ uns dann vor 5 Jahren auch ins Nirvana und so bleibt letztendlich nur noch das umfangreiche Werk von THROBBING GRISTLE bestehen, das mit Mute Records einen schon über Jahrzehnte kompetenten Nachlass-Verwalter gefunden hat. (Marco Fiebag)
Format: 2LP/CD |
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