Wieder mal eine schöne Postkarte aus Beirut. Das Shoegaze-Trio aus dem Libanon hat sein mittlerweile 4. Album veröffentlicht und es ist einmal mehr ein sehr gelungenes Scheibchen der melancholischen und wehmütigen Klänge. Teilweise finanziert wurde dessen Produktion vom Institut Français du Liban, einer französischen Institution, die zeitgenössische Musik aus dem Libanon unterstützt.
Julias Gesang fängt einem vom ersten Moment an engelsgleich ein. „I Stand Corrected“ leitet hart geschlagen und stürmisch das Album ein und der Nachfolger „Dust Bunnies“ lässt keine Verschnaufpause zu, wenn die treibende Basslinie den Hörer aufwirbelnd mit sich reißt. Der Gesang ist hier verzerrt wie aus eine Blechbüchse klingend, wenn von hoffenden Idioten, Narben, die ständig jucken und den Traurigen, die auf den Scherben verbleiben, die Rede ist. Danach nimmt man das Tempo raus und landet bei „Wasteland Rose“, einem der Höhepunkte des Albums. Ich fühle mich hier an Julee Cruises Gesangbeiträge vom Twin Peaks-Soundtrack erinnert, was sich bis zum Ende der A-Seite nicht mehr ändern wird, aus der man bei „Nine“ nur mit Gesang und Akustikgitarre – also wahrscheinlich einem Solo der Sängerin und Gitarristin Julia Sabra – verabschiedet wird. B-Ware sucht man dann auch auf der gleichnamigen Seite vergebens. Farbenblind, durch Ruinen, über Baustellen zur dunklen Traurigkeit geführt, erreichen den Hörer vertraute Postpunk-Elemente und sauber abgemischte Songstrukturen. Zu keinem Zeitpunkt ist hörbar, dass ein großer Teil der Lieder live zu Hause aufgenommen wurde. Bei „Ruins“ erinnert die Verzerrung des Gesangs ein wenig an den Ruf des Muezins. Vielleicht kommt mir der Gedanke aber auch nur wegen der Herkunft der Musiker in den Sinn. „Angel“ ist ähnlich arrangiert wie die Lieder von „Cigarettes After Sex“ und am Ende ist es bei „Dark Blue“, als würde man in einer verrauchten Bar auf die trübe Welt da draußen vorbereitet werden.
Eine Platte, geboren aus Wut, Kummer und Unsicherheit in einer Welt, die zu zerbröseln scheint. Wahrscheinlich ist dies im Libanon viel mehr spürbar als in unseren Breiten. Getragen wird diese Veröffentlichung zweifelsohne vom Gesang und einer unvergleichlichen Schwermut. Lediglich das Cover wirkt wenig einladend, wenn man nicht wüsste, mit wem man es zu tun hat. (M. W.)
Format: LP |