die anderen – Berlin Radio/Global Minded (LP)

Die Diskografie der DDR-Subkultur wurde in den vergangen Jahren durch diverse Labels und die Initiative von Einzelpersonen fast vollständig aufgearbeitet und stellvertretend hierfür seien Tapetopia von Henryk Gericke, das Major Label oder Rundling genannt, welche vorbildlich längst verschollen geglaubte Kassetten wieder hörbar machen oder diese wissend kuratieren. Selbst das ehemalige staatliche Label Amiga hat zwei dicke CD-Boxen unter den Titel „Die anderen Bands“ veröffentlicht und darin u.a. die seiner Zeit offiziellen Studiodebütwerke von AG GEIGE, DIE VISION, EXPANDER DES FORTSCHRITTS, DIE ART, SANDOW, DIE SKEPTIKER und HERBST IN PEKING wieder verfügbar gemacht. Einzig die Band, welche für die damals ab 1986 immer größer werdenden Szene von unangepassten (aber nicht verbotenen) Bands als Namensgebung herhalten musste, fehlte auffällig in diesem Kanon der Underground-Ostalgie. Die anderen waren damals eine der ersten Bands, die Live mit ihrer bis dato in der Ostzone nie gehörten pfiffigen Mix aus Punk, Wave, Ska und Jazz größere Popularität erreichen konnten. Nicht ganz unschuldig daran ihr energetisch-authentischer Live-Mittschnitt, welcher 1987 als erste Parocktikum-Session bei DT64 beim deutschen John Peel Lutz Schramm über den Äther ging und von Hörern dankbar aufgenommen wurde. Im Zuge dessen durfte die Band für den Rundfunk den Song „Gelbe Worte“ aufnehmen, der daraufhin oft zum Einsatz kam und letztendlich auf der „Parocktikum“-LP bei Amiga landete. Neben ihren zwei Kassetten „Berlin Radio“ und „Global Minded“ blieb dies letztendlich die einzige richtige Veröffentlichung der Band in der DDR, obwohl sie meist für volle Häuser sorgten und Bandkopf Toster sogar in den Berufsmusiker-Stand wechseln durfte, was zu DDR-Zeiten ja gar nicht mal so einfach war. Mit dem Mauerfall fiel allerdings auch die Band auseinander und obwohl man rund 10 Jahre später eine kleine Reunion versuchte, verliefen sich danach ihre Spuren im Wandel der Zeiten. Als Ende vorigen Jahres im Netz bzw. auf Instagram als eine Art von Schnitzeljagd erste Anzeichen von neuen Aktivitäten um die anderen auftauchten, hoffte ich insgeheim sofort an ein längst überfälliges Comeback und zumindest einen exklusiven Live-Auftritt der Band. Am Ende der professionell-cleveren Kampagne stand dann jedoch fest, dass auf Grund der Initiative von Antek Marquardt (Old Boy Universe) die beiden oben genannten Tapes von die anderen aufwändig im Vinyl-Format veröffentlicht werden. Mit Hilfe einer Schar von alten Weggefährten, Fans und aktuellen Promis rührte er charmant die Werbetrommel für die beiden Platten, welche dann Ende Januar 2025 auf einer rauschenden Party in Berlin im Roadrunner’s Paradise gebührend gefeiert wurden. Neben jeder Menge Promis und Veteranen aus der alten Zeit, war auch fast die komplette Band dort versammelt, nur Kopf, Sänger und Gitarrist Toster fehlte schmerzhaft und somit ein insgeheim erwarteter Überraschungsauftritt hinfällig. So blieben nach diesem denkwürdigen Abend nur die beiden Platten übrig (+ der gleichzeitig veröffentlichten „Parocktikum-Session“ auf LP), die durch das aufwendige Mastering von Bo Kondren (Galyx Mastering) im völlig neuen Klang & Glanz erstrahlen. Das Toster die beiden Kassetten damals schon als reguläre Alben gesehen und für das klassische LP-Format konzipiert hatte, spielte diesem Vorhaben natürlich gut in die Karten und so hält man jetzt zwei absolut perfekte Platten in den Händen, die so auch in den 80er schon hätten erscheinen bzw. sollen können. Mag sein, dass der Eingangs erwähnte wilde Stilmix mit heutigen Ohren gar nicht mehr so exotisch und neu klingen mag, jedoch funktioniert das fesche Songwriting und die z.T. überraschend seherischen Texte immer noch hervorragend. „Berlin“, „In mich selbst verliebt“ oder „Gelbe Worte“ sind beißend-gültige Bestandsaufnahmen und Beobachtungen, wie die englischsprachigen Songs einfach irgendwie zeitlos klingen! Beide Platten sind neben den bereits erwähnten guten Klang, ebenso hervorragend gepresst und jeweils in ein schönes Klappcover mit Relief-Lackdruck gehüllt. In diesen stecken neben dem Vinyl noch jeweils zwei Aufklebern und ein großformatiges dickes Booklet. Diese bieten Linernotes von Ronald Galenza (DT64) und massig bisher ungesehenen Fotos, wie auch die Mitglieder, Freunde und Weggefährten von die anderen zu Wort kommen. Beide Platten (ebenso auch die „Parocktikum-Session“ bei Edition Iron Curtain) sind somit rundherum richtig wertige Angelegenheiten geworden, die man am besten und günstigen über den Buschfunk-Vertrieb beziehen kann. Somit wurde nun endlich eine schmerzlich klaffende Lücke der Musikgeschichte in der ehemaligen DDR geschlossen und den die anderen ein gebührendes Denkmal für die Nachwelt gesetzt! (Marco Fiebag)

Format: LP
Vertrieb: Old Boy Universe / Buschfunk
 

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