Peter Wicke: RAMMSTEIN – Provokation als Gesamtkunstwerk (BUCH)

Ich muss gestehen, seiner Zeit RAMMSTEIN-Fan der ersten Stunde gewesen zu sein, was auch damit zu tun hatte, dass ich einen Teil der Bandmitglieder noch aus DDR-Zeiten kannte. Zum anderen hat mich der Sound, die Texte und die Optik von RAMMSTEIN sofort angesprochen, aber spätestens mit dem einsetzen des großen Erfolges hatte ich dann schon gewisse Bauchschmerzen. Denn Angesichts des zunehmenden prolligen Publikums bei den inzwischen meist ausverkauften Konzerten, fühlte ich mich sichtlich unwohl und nach dem insgesamt 100. Konzert der Band in der Arena in Berlin war ich zumindest Live raus. Trotzdem beobachtete ich interessiert die weitere Entwicklung von RAMMSTEIN zur internationalen Stadionrockgröße aus der Ferne, auch wenn mich die inzwischen erwartbare wie krampfhafte sexuelle Dauerprovokation langsam langweilte. „Deutschland“ fand ich dann aber mal wieder richtig gut und perfekt auf den Punkt in der Wunde gelegt, selbst wenn es bei mir dann doch nicht zum Kauf des Albums gereicht hat. Ironischerweise habe ich mir das letzte Album „Zeit“ im Nachgang reflexartig gekauft, aber nicht, weil ich die Songs gut fand, sondern aus Solidarität mit der Band, die sich plötzlich in einem medialen, wie viralen Shitstorm wiederfand. Auf Grund eines Influencer-Fräuleins, welche sich mit nicht bewiesenen Behauptungen und Anschuldigungen wichtig gemacht hatte (und weitere darauf aufgesprungen sind) und welche vom woken Feuilleton sofort dankbar aufgegriffen, wie völlig unreflektiert aufgebauscht und gierig weiter verbreitet wurde. Inzwischen haben sich die Vorwürfe (wie ebenso die Influencerinnen) in Luft aufgelöst, an denen fast jede Band wohl zerbrochen wäre, aber nicht so RAMMSTEIN. Das Kollektiv hielt zusammen und die Reihen fest geschlossen, was letztendlich ihrer Herkunft und Sozialisation in der DDR zu verdanken ist! Der Musikwissenschaftler und Professor Peter Wicke geht in seinem Buch jetzt diesem Phänomen unaufgeregt, ausführlich, umfassend und vor allem Fakten orientiert auf den Grund. Auf 340 Seiten seziert er informativ, wissend und wohlwollend (aber nicht wertend) die inzwischen über drei Jahrzehnte dauernde Geschichte von RAMMSTEIN. Der Leser findet hier Informationen und Details zum allgemeinen Werdegang der Band, dem speziellen Sound, den Texten, Videos und der monumentalen Bühnenshow, welche richtig in die Tiefe gehen und die bisherige Publikationen über die Band vermissen ließen. Natürlich wird auch zum Ende des Buches hin die Eingangs von mir erwähnten Vorwürfe analysiert und richtig eingeordnet. „RAMMSTEIN – Provokation als Gesamtkunstwerk“ ist somit gleichfalls an die Fans der Band (allerdings nicht die, die ebenso zu Roland Kaiser und SANTIANO gehen) und allgemein an Musikgeschichte interessierte Leser gerichtet. Diese werden mit dem handlichen Buch, das zwar auf opulente Bebilderung und Hochglanz-Fotos verzichtet, bestens bedient und somit der Preis von 25 Euro dafür absolut gerechtfertigt ist. (Marco Fiebag)

Format: BUCH
Vertrieb: Hannibal Verlag
 

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