PAPER BIRDS – Surrender (Digital)

Ich freu mich immer wieder, wenn Bands mit den Echos der guten alten Heavenly Voices Zeit, dem ätherischen Wave der frühen 90s im Hier und Jetzt einen Fussabdruck korrespondieren. Dies ist überhaupt nicht rückschrittlich, sondern mehr als wertvoll, geht diese Art Sound so wundervoll in die Tiefe, wird heute nicht mehr so oft bedient in der dunklen Szene. Dieses amerikanische Projekt aus Philadelphia setzt genau dort den Hebel an, wo seinerzeit Bands des amerikanischen Projekt Records Label, aber auch dem deutschen Vorzeige-Label Hyperium die Schönheit des weibliches Gesangs in Verbindung zu schwebend dunklen Klängen für sich entdeckten und zu einer speziell verklärt romantischen Kunstform erhoben. Addiere das fragile Weltschmerz-Szenario der Franzosen von Rise And Fall Of A Decade hinzu, ebenfalls findet sich die dunkel neoklassische Schwere einer Band wie Dark Sanctuary im Sound der Amis wieder. Gina Jurkiewicz hat dieses Album bereits in 2024 veröffentlicht, es soll einfach nicht unerwähnt bleiben. Die Songs benötigen nicht viel Brimborium, gehen mit stiller, trauriger Grandezza regelmässig durchs Ziel, voller schöner Melodien, die Freunde der alten Zeit zwischen Goth, Wave Pop und ätherischer Romantik mit Sicherheit einige Glücksmomente verschaffen sollten. Nimm exemplarisch einen Song wie das stoisch vor sich hin marschierende ‚Jupiter‘, der mit 6 Minuten, fantastisch schwereloser Attitüde und wavig düsterer Piano-Klänge von ganz allein den bittersüßen Schmerzpunkt findet. Man hält die Dramatik simpel, braucht nur einen Takt und spielt diesen aber mit aller düsterer Konsequenz in die Nacht hinein. Melancholisch, trist, aber trotzdem eingängig umschifft man gekonnt irgendwelche Gothic-Klischees, hat eher was vom lieblich ätherischen Wave der oben benannten Ära. Irgendwie hat dieses himmlische Album was von einem Soundtrack (etwas Enya schwingt auch mit). Ein lieblich surrealer Fantasyfilm würde sich wohl perfekt eignen, hört man die nebulöse Piano-Ballade ‚Fog‘. Alles sitzt am richtigen Ort, vollführt mit viel Gefühl und bittersüßem, gar kitschigen Unterton, seinen romantischen Reigen. Fragile Neoklassik dank schöner Piano-Sounds und flehend geisterhafte Female Vocals, die mich positiv an DARKHER erinnern, füttern den Hörer im 7-minütigen ‚Hiraeth‘ mit einer Masse an Bildern und Fantasie. Romantisch düstere Orte, geisterhafte Szenarien, Ruinen, vergessene Geschichten, Simon Marsden, Dracula und irische Klippen erscheinen vor dem geistigen Auge, so man es zulässt. Nebulös, voller Hall und auch wieder nur mit minimalen Stilmitteln wie Piano, schwebenden Synths und sehnsüchtigen Vocals begeistert ‚Withdrawal Of Life..‘. Es braucht nicht viel, man schafft spielerisch den Hörer in mondlichte Kammern zu führen, in die Baumwipfel blicken zu lassen und man entdeckt vermutlich ein Fantasie-Wesen, welches so einfach gar nicht existieren dürfte. Das ist alles voller Bilder, voller Atmosphäre, und wird wie in ‚It Never Gets Easier‘ mit wenigen Gitarren, Piano, Vogelzwitschern zu einem sogartigen 7-minütigen Gebräu, welches eigentlich keine Genre-Etiketten benötigt. Mit ‚MRI Song‘, ‚These Walls‘ und ‚Vyvanse Dance‘  gibts dann im späteren Verlauf des Albums doch mal härtere Beats, ohne das Terrain des dunklen elektrischen Wave tatsächlich zu verlassen. Dies lockert die vorher komplett abgekoppelte Atmosphäre auf oder holt ein etwas zurück in die Realität. Da bin ich noch etwas unstrittig ob es dem Gesamtbild gut tut, war man bis zu diesem Zeitpunkt komplett in einer anderen Welt. Über die meiste Zeit der Platte ist jedoch alles schwer melancholisch aufgeladen, tief romantisch, was die Amerikanerin hier in den Äther musiziert und es wird den Hörer im schwindenden Abendlicht wie von allein in seinen kleinen Wunden und Schmerzpunkten berühren, dies aber rücksichtsvoll und mit viel Wärme. “Surrender“ ist eine unbedingte Empfehlung für alle Freunde düsterer Klänge, die mit Minimalismus, schönem zentrierten Frauengesang und fast komplett weltentrückter Atmosphäre mal eine Stunde Pause vom verrückten Hier und Jetzt brauchen.

(R.Bärs)

Format: Digital
 

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