Sind Namen Schall und Rauch? War mir bisher der Name GRUNTSPLATTER kein Begriff, zog mich doch der Schall, der seinem neusten Album „The Aberrant Laboratory” entstieg, recht schnell in seinem finstern Bann. Und je tiefer man durch den ’Rauch’ der Musik dringt, umso mehr gibt es hier zu entdecken. So war es mir wirklich eine Ehre und eine Freude, „Am Ende des Flusses“ mit Scott zu sprechen, der mehr zu sagen hatte als „the horror, the horror“, aber mit dem man offensichtlich den „Horror Vacui“ teilen kann. Enter: GRUNTSPLATTER.
? Lass uns mal mit diesem doch etwas irreführenden Namen beginnen: GRUNTSPLATTER. Das klingt doch zunächst sehr aggressiv und ich musste an Splatter-Filme oder so denken. Ich erwartete eher Musik in Richtung :WUMPSCUT:, aber dann war deine viel weniger tanzbar, dabei aber etwas druckvoller. Warum dieser Name?
Als ich diesen Name wählte, habe ich eigentlich nur etwas herumgespielt und hätte niemals im Traum daran gedacht, dass ich mal mit all den Labels zusammenarbeite, mit denen ich das nun tue. Als ich mich dann 1994 tatsächlich entschloss, das alles auf einem Tape zu veröffentlichen, blieb ich bei dem Namen, da ich eh nie dachte, dass das gar zu viele Leute erreichen würde. Ich habe den Namen aus einer unbekannten kleinen Episode aus der britischen Comedy „The Young Ones“. Eine Nebenrolle, die nicht einmal etwas sagt, sieht da aus wie ein mittelalterlicher Henker und hält ein Schild auf dem steht „Toby Gruntsplatter”. Da ist der Name her, ich dachte, das ist witzig und das Wort blieb hängen. Seitdem habe ich einige Bedeutungen in diesem Wort gefunden, die sehr gut zu dem passen, was ich momentan mache, und er hat so wirklich eine viel größere Bedeutung bekommen seitdem ich ihn ursprünglich ausgewählt hatte.
? Offensichtlich hat sich der Klang von GRUNTSPLATTER im Lauf der Zeit geändert. Könntest du uns etwas über den Weg zu deiner neuesten Veröffentlichung, „The Aberrant Laboratory”, sagen?
Da steckt eigentlich kaum Planung dahinter. Ich hatte eigentlich schon immer dieselben Absichten, aber ich kann diese besser verwirklichen, je länger ich das alles mache. Ich versuche eigentlich immer, mich für mehrer Monate von meinem letzten Album zu lösen, bevor ich ein neues aufnehme, um zu vergessen, was und wie ich es gemacht hatte. Wenn ich dann wieder mit dem Aufnehmen anfange, hänge ich nicht so sehr an den alten Gewohnheiten und Herangehensweisen. Verschiedene Arten von Sounds wirken dann ganz anders auf mich, als wenn ich meiner Art zu denken verhaftet geblieben gewesen wäre. Ich denke diese Distanz ist ziemlich wichtig für die Evolution meiner Musik. Andererseits ist auch die Idee hinter dem Album sehr wichtig für das Gefühl, das ich erreichen möchte, geradezu eine Schlüsselkomponente für die Entwicklung des Sounds. Das ist wohl das Wichtigste und dann geht es vor allem darum, immer besseres Werkzug zu bekommen und dann herauszufinden, wie ich immer besser dahin komme, wo ich hin will. Tatsächlich habe ich aber die letzten drei Veröffentlichungen, „The Passions Of A Cripple” LP, „The Eulogists Assembly” CD und „The Aberrant Laboratory” direkt hintereinander gemacht – ohne diese Pause. Daher ist diese Platte auch die gewesen, die am schwersten fertig zu stellen war. Ich hatte etliche Zweifel und musste eben irgendwann einfach daran glauben, dass es ein ganz eigenes Wesen war und keine Fortsetzung von „Eulogists Assembly”. Letztlich denke ich, das ist es überhaupt nicht, aber es war schon ein Kampf, da ich diesmal nicht reinen Tisch gemacht hatte, bevor ich damit anfing. Mittlerweile denke ich sogar, es klingt ganz anders als die vorherigen Alben, es fühlt sich ganz anders an, ich glaube, ich hab mich da selbst überlistet und habe das erst am Schluss erkannt.
? Wie hast du dich denn selbst ausgetrickst? Arbeitest du unbewusst oder bist du jemand anders, wenn du GRUNTSPLATTER bist?
Überhaupt nicht, in der Tat ist GRUNTSPLATTER mir ähnlicher als ich es manchmal erkenne. Beim Musikmachen erfahre ich mehr über mich, als ich jemals gedacht hätte. Die Art wie ich denke und Gefühle verarbeite, wie ich mein Graphik Design mache, all das ist in meiner Musik. Ich bin diese Musik. Das ist nichts, das ich erkannt habe, bevor es mir aufgezeigt worden ist und ich anfing, darüber nachzudenken. Es gab Leute, die haben meine Art zu kommunizieren (oder nicht zu kommunizieren) in genau den Worten beschrieben, die Rezensenten benutzt hatten, um meine Musik zu beschreiben. Das hat mir die Augen geöffnet, denn die Leute hatten Recht. Ich hatte erst dann erkannt, wie viel von mir in meiner Musik ist. Wenn du dir mein Graphik Design anschaust, siehst du eine visuelle Entsprechung meiner Musik: Obskure Schichten, die trotzdem etwas zeigen, manchmal siehst du etwas, das du vorher nicht wahrgenommen hast – das ist es, was ich auch mit meiner Musik erreichen will. Auch das fiel mir erst ein, als ich darauf angesprochen worden bin. Ich denke also, GRUNTSPLATTER ist schon ziemlich ich selbst und auch ein gutes Fenster in mein Unterbewusstsein. Was ich mit überlisten meinte war, dass ich wohl zu viel nachgedacht habe, als ich einfach nur darauf hätte vertrauen sollen, dass ich auf dem richtigen Weg bin, auch wenn dies gar nicht der Weg war, den ich von Anfang an anvisiert gehabt hatte.
? In letzter Zeit warst du ja ganz schön kreativ, wie kam es denn dazu? Hast du schon einmal daran gedacht, mehre Arbeiten zusammen als Doppelalbum oder Box zu veröffentlichen?
Es gab da einige Gründe, vor allen Dingen war ich zwei Jahre lang arbeitslos, da das Unternehmen Pleite machte, für das ich gearbeitet hatte. Das hat mir viel mehr Zeit gelassen, als ich es gewohnt war und ich habe versuchte, diese zu nutzen, Während des zweiten Jahrs ohne Arbeit, entschied ich, dass der Stress, weil ich keine Arbeit fand, mich nicht zu Grunde richten dürfte und dann nahm ich „The Passions Of A Cripple” und „The Eulogists Assembly” auf. Als ich an „The Eulogists Assembly” arbeitete, kontaktierte mich Dark Vinyl und fragte mich, ob ich an einer Zusammenarbeit Interesse hätte. Ich war wirklich sehr überrascht über dieses Angebot, da Dark Vinyl einige meiner Lieblingsschallplatten veröffentlicht hat und eine lange Geschichte hat – ich fühlte mich wirklich geehrt.
Ich sagte denen, dass ich an einer Platte für Eibon arbeite, und mich melden würde, wenn ich fertig sei. Und wenn sie noch Interesse hätten, würde ich es liebend gerne machen. Das hat alles sehr gut geklappt und ich war wegen dieser großen Möglichkeit so begeistert, dass ich sofort anfing, an „The Aberrant Laboratory” zu arbeiten, anstatt wie gewohnt ein paar Monate zu warten. Ich hatte es mir jahrelang gewünscht, für Eibon zu arbeiten und im Anschluss daran auch noch etwas mit Dark Vinyl zu veröffentlichen, das waren schon einige positive Dinge nach ganz schön bitteren Jahren, jetzt sieht eigentlich alles wieder ziemlich gut aus.
Eine Sache habe ich mir schon eine Weile überlegt und zwar, eine ganz lange Musik-DVD zu veröffentlichen, die würde dann ca. 7 Stunden reine Musik speichern können. So etwas als „Diskographie-CD“ zu machen, fände ich ziemlich cool, dann könnte man sich alles am Stück anhören. Andererseits wäre es auch gut, so eine lange Veröffentlichung nur mit neuer Musik zu füllen. Ich kenne aber niemanden, der sich so lange hinsetzt und zuhört. Vielleicht könnte ich „Chronicling The Famine” und „The Eulogists Assembly” auch als Doppel-CD wiederveröffentlichen. Die beiden würden vom Konzept her gut als Doppelalbum durchgehen, aber um so etwas zu veröffentlichen, bräuchte ich schon eine große Idee, denn ich möchte eine (oder zwei) CD(s) nicht mit ideenlosen Sachen füllen müssen, hinter denen ich gar nicht wirklich stehe.
? Magst du nun eigentlich Splatterfilme? Wie gefällt dir denn „Braindead”, einen der wenigen, die ich kenne.
„Braindead” ist großartig, hier heißt er „Dead-Alive.” Peter Jackson hat die Fähigkeit, gleichzeitig absurd und wirklich intelligent zu sein. Es ist lachhaft, wie sehr er manches in diesem Film übertreibt, aber es ist so unterhaltsam und witzig, dass man es mitmacht. Es gibt gewiss nicht zu wenig Splatter. Insgesamt mag ich wohl eher Horrorfilme mit einem gewissen psychologischen Element, Atmosphäre und Spannung, aber wenn das Gleichgewicht zwischen schwarzem Humor und Blutvergießen stimmt, kann das ganz toll sein. „Re-Animator” ist so ein Film und gehört zu meinen Lieblingsfilmen. Tatsächlich geht es auf meinem neuen Album auch um einige der Ideen hinter „Re-Animator”. Einfache Slasherfilme, wie „Friday the 13th” und was weiß ich, mag ich nicht, da sie so formelhaft sind, daran reizt mich nichts.
? Und „Scream”?
Ich habe keinen dieser Filme gesegen und war auch nie neugierig, denn das ist die Art von Horrorfilm, die ich mir nicht anschaue. Die Schauspielerinnen und Schauspieler wurden ausgewählt, weil sie gut aussehen, nicht weil sie schauspielern können, die Schrecken sind geplante Überraschungen, die einen mehr zum Zusammenzucken bringen, als das sie einem Angst machen. Wie gesagt, ich kenne die Filme nicht, aber ich habe das Gefühl, bei solchen Großproduktionen weiß man auch so, um was es geht.
? Nachdem wir oben Peter Jackson erwähnt habe, muss ich dich natürlich auch nach „Lord of the Rings” fragen…
Die fand ich wirklich toll. Das war schon eine Herausforderung, solch einer Geschichte in Filmen Form zu geben. Klar ist manches anders, aber das war ja zu erwarten, die wichtigen Elemente waren alle da. Das Aussehen des Films und das Casting war großartig. Jackson hat mit diesen Filmen cinematisch [„cinematically”] und technologisch etwas gemacht, was vor ihm noch niemand so geschafft hatte.
? Was ist dein Lieblingsfilm?
Die Antworten hierzu sind zu verschieden Zeitpunkten unterschiedlich, aber oft denke ich zunächst an „Apocalypse Now.” Es geht ebenso um die Reise ins eigene Innere wie darum, Col. Kurtz zu töten. Durchhaltewillen und Entschlusskraft im Angesicht des Chaos’, es geht um Neugier, Introspektion und Selbsterkenntnis, das Unerforschte und Unerwartete und wie man sich manchmal an dunkle Orte begeben muss um herauszufinden, was man zu lernen hat. Der dünne Schleier zwischen Selbstbeherrschung und Durchdrehen, wie richtig und falsch vollständig subjektiv sind… all diese Dinge. Der letzte Track auf „Chronicling The Famine” heißt „The End Of The River” und ist eine Referenz an diesen Film und meine Vererhrung für ihn. Es gibt massenhaft Filme, die mir gefallen, aber diesen nenne ich wohl am häufigsten als Lieblingsfilm.
? Das ist wirklich ein sehr, sehr guter Film und ich finde, „The End Of The River” ist auch ein wirklich guter Track! Irgendwie wie ein ertrinkender Fluss, der nebenbei alles und jeden ertränkt. Hat es dich nicht gereizt, Samples zu benutzen? Natürlich denke ich hier auch an „face of horror” von GENOCIDE ORGAN. Oder benutzt du prinzipiell keine Samples?
Ich habe gar nichts gegen Samples, wirklich, mir gefallen wohlplatzierte Samples in der Musik sehr gut, aber bei GRUNTSPLATTER habe ich mich dagegen entschieden, etwas allzu Konkretes zu machen. Ich brauche ein Konzept, um mich wirklich konzentrieren zu können, daher brauche ich die Titel als Rahmen, mehr muss aber auch nicht sein. Wenn man beim Hören dieselben Ideen wie ich hat, ist das toll, aber ebenso recht ist es mir, wenn man an etwas ganz anderes dabei denkt. Ich mag es, E-Mails zu bekommen, in denen jemand sagt, dieser oder jener Track ließen ihn an dieses oder jenes denken, manchmal wäre ich nie auf so etwas gekommen. Aber sobald man mit Samples arbeitet, grenzt man den Zuhörer doch auch ein. Das ist ja nichts prinzipiell Schlimmes, aber nicht das, was ich mit GRUNTSPLATTER machen will. Ihre Offenheit für Interpretationen ist wahrscheinlich das Beste an dieser Art von Musik, irgendwie ist sie „flüssig“. Abhängig von deiner Stimmung, der Tageszeit oder wo du gerade bist, kann Musik sich verändern und immer etwas anderes bedeuten.
? Magst du Joseph Conrads „Heart of Darkness”? Was liest du gerne?
Das hab ich vor Jahren mal gelesen und mochte es sehr, auch wenn mir, glaube ich, der Kontext und die Zeit von „Apocalypse Now” besser gefallen, aber es ist ein großartiges Buch. Bezüglich anderer Bücher, ich lese einiges an Non Fiction und mag Schriftsteller wie Henry Miller, Celine, Bukowski… Ich lese auch viel Mythologisches oder so. „A Journal Of The Plague Year” von Dafoe war die Basis für meine „Pest Maiden” Veröffentlichung. Ich schätze eine gewisse Art von Realismus an den meisten der Bücher, die ich lesen. Viel Horror oder Fantasy habe ich nicht gelesen, obwohl ich es immer mal wieder vorhatte.
? Geht es bei „The Aberrant Laboratory” um Alchemie? Gibt es einen „Kern der Dinge“?
Eigentlich geht es weniger um Alchemie als um Versuche in Hinterzimmern und Experimente, die man möglicherweise besser unterlassen sollte. Um die Idee, dass gute Absichten zu schlimmen Ergebnissen führen können, wenn man die Pläne der Natur durchkreuzt. Es folgt Ideen von Werken wie Shellys „Frankenstein” oder Lovecrafts „Herbert West, Re-Animator” und diesem roten Faden, man sieht aber auch Parallelen in der „realen” Welt. Heute machen wir dieselben Dinge, indem wir mit dem Klonen und der Genetik herumpfuschen. Der hippokratische Eid, den alle Berufsmediziner schwören müssen, ist, dass sie sich nicht gottähnlich aufspielen werden. Diesen Text zitiere ich auf dem Insert und darum geht es auch. Naturwissenschaften, oder besser Naturwissenschaftler begehen manchmal verbotenen Wege, das war schon immer so und wird wahrscheinlich immer so bleiben, manchmal tatsächlich mit den besten Absichten, manchmal nur aus Neugier… Die Idee hinter dem Album ist, dass Neugier unbeabsichtigte und negative Folgen haben kann und dass die Natur wahrscheinlich weiser als die Naturwissenschaft ist und man sie öfter mal in Ruhe lassen sollte.
Wegen des „Kerns der Dinge”… Energie, Chemie, das kollektive Unbewusste und die natürliche Ordnung. Diese Dinge zeigen das Leben und seine Besonderheiten, Gedanken und Geschichte sowie Zukunft und Vergangenheit.
? Findest du nicht, dass das Konzept der natürlichen Ordnung so vage ist, dass es leicht missverstanden und sogar missbraucht werden kann?
Yeah, ich denke, dieser Ausdruck ist ganz schön verdreht und für Zwecke benutzt worden, für die er nicht notwendigerweise steht. Was ich meine sind die Kreisläufe von Leben, Tod, den Jahreszeiten, dem Altern, der Evolution, der Art und Weise wie die Zeit alles verändert, Natur, all diese Dinge. Ja, das darwinistische Element, welches Leute für alles Mögliche ausschlachten, ist wohl ein Teil davon (ich denke, darauf wolltest du hinaus), aber es ist viel mehr als das. Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Ganzen. Genetik, Kultur, Geschichte, all diese Dinge sind mir schon sehr wichtig, aber sie sind nur ein Teil von etwas Größerem, nicht das Ganze. Es ist ein Lied names „The Fraternal Order Of Hypocrites and Zealots” auf „The Eulogists Assembly”, welches mein kleiner Kommentar zu Fanatikern, Propagandisten und Eiferern ist. Die Übereifrigen können die eigenen Standards ihres Geredes nicht erfüllen und widersprechen sich schließlich immer und immer wieder. Theorien und Realität sind nicht dasselbe. Also prügle dein Pult und schrei an der Straßenecke wie du willst, aber die Zeit wird es zeigen, dass man diesen Fanatismus nicht durchhalten kann, ohne sich selbst als Scheinheiligen zu entlarven. Eine Gruppe, die nicht aus allen möglichen Quellen lernen will, wird von denen überholt werden, die das tun. Von anderen lernen heißt nicht, sich selbst aufzugeben. Schau dir Spiritualität an, im Kern sind es immer wieder die gleichen Archetypen, die in allen Mythen, Kulturen und Religionen universell wiederholt werden. Wenn es mehr neugierige und offene Köpfe gäbe, die sich die Zeit nehmen, dies zu erkennen, statt all der, die immer behaupten die eine Wahrheit zu kennen, dann wäre sie [Spiritualität] nicht der größte Anstifter zu Krieg und Streit, den die Welt jemals gesehen hat.
? Was hältst du von Gentechnologie – kaufst du genetisch veränderte Nahrungsmittel, was ja in den Staaten weitaus verbreiteter ist als hier. Ist es in Ordnung (für Heilzwecke) zu klonen?
Der Gedanke an genetisch veränderte Lebensmittel behagt mir gar nicht und hier in Amerika ist das alles wohl noch weiter verbreitet, als es uns selbst bewusst ist. Ich versuche es zu vermeiden, bin mir aber sicher, dass das nicht immer klappt. Es geht doch nur um Gewinnmaximierung und diese ganze Denkweise passt mir ganz und gar nicht, besonders wenn man mit dem Essen der Leute herumspielt. Das ist echt diabolisch. Sicherlich ist wohl nicht alles schlecht, aber man kennt das Zeug einfach nicht gut genug, um alle Möglichkeiten getestet zu haben. Was Gentechnologie betrifft, mit der man Krankheiten bekämpfen kann, bin ich noch unsicher. Ein Teil von mir denkt, alles ist gut, das Krankheiten bekämpft, und ein anderer, dass wir alle irgendwann sterben müssen und dass diese ganze Kultur des Ewig-leben-Wollens zu nichts Gutem führt. Ich hab hier echt keine feste Meinung und tendiere dazu, mich rauszuhalten. Ebenso das Klonen, wenn es um Regenerierung von verbranntem Gewebe oder so geht, dann klingt das doch wirklich gut. Aber wollen wir alle leben, bis wir 150 Jahre alt sind? Die Erde ist sowieso überbevölkert. Ganze Menschen oder Tiere zu klonen finde ich nicht gut. Es klingt zwar reizvoll, so etwas Neues auszuprobieren, aber ich denke, wir sollten uns davon doch besser fernhalten. Dabei können zu viele Sachen schief gehen, naturwissenschaftlich, sozial und ethisch. Irgendwer, irgendwo würde dieses Wissen ausnutzen um etwas ganz Unappetitliches zu machen – da kannst du sicher sein, denn so ist es schon immer gewesen.
? Reden wir mal wieder über deine Musik. Wie kann man sich GRUNTSPLATTER „live” vorstellen?
Das ist alles Improvisation. Ich geb mir auch keine Mühe, die Musik von den Alben zu spielen. Normalerweise habe ich einen wirklich langen Loop als Grundgerüst, sodass es nicht ganz still wird, falls ich es verbocke, alles andere mache ich dann ganz spontan. Wie die einzelnen Sets dann genau klingen, weiß ich selbst nie, bevor es losgeht, nur dass ich immer ein einzigartiges Stück Musik erschaffen möchte, dass die richtigen Gefühle einfängt und direkt vor dem Publikum entsteht. Außerdem versuche ich immer, eine Videocollage im Hintergrund zu haben, sodass man etwas Interessanteres sieht, als einfach nur mich, wie ich auf der Bühne stehe – ich hoffe mal, dass verbessert auch die Stimmung. Diese Art von Musik ist für mich sehr visuell und wenn ich mir vorstelle, dass man da nur einen Kerl rumstehen sieht, ist das doch ziemlich niederschmetternd. In die Videos investiere ich mehr Vorbereitungszeit als in die Musik, denn die mache ich ja spontan. Ich versuche nur, ein Gefühl dafür zu kriegen, wie ich meinem Equipment umgehe, was womit zusammenhängt, also eher Praktisches – ansonsten gibt es nicht viel zu proben oder so.
? Klingt ja sympathisch! Hast du es denn schon oft „verbockt”? Eine Frage, die ich schon viele „Kerle” fragen wollte, die vor einem Bildschirm auf der Bühne stehen und an ihrer Technik rumhantieren: Was macht ihr denn da wirklich? Sucht man da spontan auf der Festplatte nach passenden Samples, wird auf der Tastatur gespielt oder werden nur irgendwelche Filter verändert? Sorry, ich kann mir manchmal echt nicht vorstellen, was da passiert, während die Musik läuft.
Völlig verbockt habe ich es noch nie, aber es ist gut, ein Sicherungsnetz zu haben, und es hilft mir auch, die ungefähre Atmosphäre zu bestimmen, abhängig eben von den Strukturen des Loops. Ich denke, es hängt sehr davon ab, wen man fragt, wenn man herausfinden will, was so auf der Bühne geschieht. Ich arbeite da an den Filtern, Equalizern und Effekten und generiere Synthieklänge entweder analog oder mit Samples, allerdings zuletzt nicht mehr. Ich arbeite mit 2-3 Kontaktmikrophonen, fange Loops meines eigenen Livesounds ein und verarbeite diese weiter. Manchmal produziere ich auch minimale Vocals, die sind dann aber sehr weit nach hinten gemischt und ich mische eben immer daran herum, um alles in fließender Bewegung zu halten. Ich benutze keine Laptop oder Festplatte, wo dann schon alles drauf wäre. Was die Leute mit ihren Laptops machen, würde ich auch gerne wissen, keine Ahnung.
? Es ist ja nicht so, dass diese Art von Musik in Deutschland sehr populär wäre, aber in den Staaten sieht es ja auch nicht anders aus, oder? Gibt es da, wo du lebst, eine alternative (Musik-) Szene (und wo ist das) oder arbeitest du „in isolation“?
Ich wohne in Portland, Oregon. Die meisten amerikanischen Städte haben wohl eine kleine Szene mit experimentellen oder ’noise’ Projekten und immer mal wieder gibt es auch Shows. Allerdings sind die dann eher in Galerien oder Lagerhallen, weil so wenig Leute auftauchen. Wenn es 50 sind, sind es schon viele, normal sind so 20 – 30. Ich hatte schon mal vor 8 Leuten gespielt, alle anderen im Publikum gehörten zu den Bands, die an dem Abend auch spielten. Es gab aber schon mal 100 – 120 Zuschauer. Ich spiele auch nur ein oder zwei Mal im Jahr und das ist auch schon einige Jahre her, da ich lieber im Studio arbeite. Hin und wieder juckt es mich aber schon, live aufzutreten. Wo du lebst und ob es da ’ne Szene gibt, ist wohl auch egal. Man muss sich da weitläufiger orientieren, wenn man Leute finden will, die deine Musik mögen. Zum Beispiel höre ich mehr aus Europa über GRUNTSPLATTER als aus Amerika, wobei sich das langsam angleicht. So sehr ich es auch möchte, ich war noch nie in Europa, noch nicht einmal als Tourist. Aber durch das Internet, die vielen Labels, Mailorders und Zines, kann man an einem sehr isolierten Ort wohnen und trotzdem Leute finden, die ähnlich denken und ähnliche Musik hören, wenn man weiß, wie man Beziehungen und Netzwerke knüpft. Liveshows sind also zur Promotion gar nicht so wichtig, vor allem, wenn man sowieso immer vor denselben Leuten spielt. Ich weiß ja nicht, wie hoch eure Auflage ist, aber wahrscheinlich gibt es mehr Leute, die dieses Interview lesen, als ich insgesamt bisher Besucher auf meinen Konzerten hatte. Wenn ich live spiele, mache ich das wegen der „Katharsis“ der Energie und der Lautstärke, die es eben nur live gibt – nicht um mein Projekt weiter zu bringen.
? Hoffentlich lesen das ein paar Tausend. Möchtest du denen noch was sagen?
All denen, die in irgendeiner Weise von meiner Musik Notiz genommen haben, möchte ich sagen, dass ich das wirklich toll finde. Ich hätte niemals gedacht, dass dieses Projekt all das machen kann, was es nun erreicht hat und ich schätze es wirklich sehr, wenn sich jemand die Zeit nimmt, mir zu schreiben und ihre/seine Gedanken dazu mitteilt. Irgendwie mache ich das ja alles in einem Vakuum. Man steckt so viel Zeit und Energie in eine Platte und wenn du Glück hast, siehst du eine Handvoll Rezensionen und damit hat sich’s dann. Manchmal weiß man gar nicht, ob es sich überhaupt irgendwer anhört. Es ist schön, wenn sich jemand die (Lebens-)Zeit nimmt und mir etwas darüber sagt. Ansonsten: Achtet auf die Welt um euch und lernt daraus so viel ihr könnt. hat you can from it.
? Vielen Dank für deine Musik und dieses Gespräch!
Auch dir vielen Dank, hat mir gefallen.
– M.Flake –
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