VOX.ELEVEN – Under The Blue (CD)

Ein wunderschönes Album zwischen Dark Wave, Goth, Neoklassik, Pop und Post Rock-Einflüssen erwartet Dich und wird Dir so manch einsame Stunde im Winter als Soundtrack dienen-versprochen! Dieses deutsche Projekt aus Saarbrücken kannte ich bis dato nicht, um so mehr freuts mich „under the blue“ zu genießen, ein kleiner feiner Ausflug hinaus aufs Meer, voll Sehnsucht, Melancholie, Pathos und Bilder flutender Atmosphäre. Der Opener ‚lost in the ocean‘ nimmt Dich ganz sanft an die Hand, voller Streicher und organischer Entrücktheit wird mit brüchig, lebensmüden Gesang die Schwermut gefeiert wie lange nicht. Ausladende Arrangements, wehmütige, in die Weite tragende Melodien führen Dich weit hinaus aufs einsame Meer, nur die Frage bleibt wieso man diesem tollen Stück Musik nur knapp 3.30 Zeit einräumt. Der blanke Wahnsinn ist das, diese wunderschöne Melodie hätte mit seiner ausladenden Sigur Rós-Attitüde ganz episch ins Nirvana spielen dürfen! Das folgende, ebenfalls schön flächige Dark Wave-affine ‚beautiful moon‘ ruft Erinnerungen an viele gute und wertige Platten aus den starken Jahren des Dark Wave hervor. Ein nicht perfekter, aber perfekt für die nebulöse Stimmung inszenierter Gesang nebst weiblichen Backings treibt zum Wellenartigen Auf und Ab der Musik, die mit Post Rock-Gitarren viel viel Wehmut generiert. Ebenfalls unendlich mit Melancholie und Sehnsucht aufgeladen driftet das mit Wal-Geräuschen, nur traurig stille ‚dying whale‘ durch die winterliche Leere. Der Band gelingt es gemeinsam mit der Musik einsam zu sein, ein wunderschöner Moment des Innehaltens im täglichen Irrsinn der Nichtigkeiten. Schaust Du Dir das perfekt für die Musik ausgewählte Cover an, hörst die Musik dazu, weißt Du Bild und Ton finden sich ohne viel Worte. Ja ‚love is blind‘- ich kann’s bestätigen, aber auch unendlich schön, der Song dazu mit ätherischen Female-Vocals erinnert an die guten alten 90s mit Bands wie Chandeen, Annabell´s  Garden, Frozen Autumn und den alten Clan of Xymox, nur mit mehr Indie, Postrock und Shoegaze im Sound. Die Musik tut weh, ist unendlich mit greifbarer Verletztheit aufgeladen, ein wundervoller Schmerz-versprochen. Höre die Band bei gedämmten Licht, allein und laut und lass Dich von ihr verschlucken. Tröpfelndes Piano im epischen ‚No‘, etwas balladige Radiohead/Sigur Ros im Sound, erneut sehr sanfte weiblich fragile Vocals, nie perfekt, aber greifbar und pur im Schmerz, machen Dich schwach und greifen deine Synapsen an. Die Band spielt in stille undefinierte Räume hinein, bricht mit seinen intensiven Klängen vergessene, begrabene Echos auf und der Schmerz tut weh, aber auf unendlich schönste Art und Weise. Die feinen elektronischen Klang-Fragmente sind subtil, feingliedrig orchestral und in einer Weise emotional, wie es mir lang nicht unterkam. Postrockige Akkorde definieren ’sunrise‘, verschwommene, nie in Gänze definierte Bilder, brüchig intonierter Gesang und eine sich türmende Wall of Sound zwischendrin ergeben ein Grau in Grau, welches sich als musikalisch überhaupt nicht kategorisierbar erweist und das wiederum, finde ich, bleibt das größte Kompliment an eine Band. Mit fast 8 Minuten konstruiert man in ’29 days earlier‘ Schritt für Schritt ein Bild in feinstem Noir, Elemente aus schwermütigen Shoegaze-Gitarren, Doom-Pop und dunklem Indie/Wave vereinen sich zu einem nie zu auflösenden Nebelfeld. Viel passiert nicht, muss aber auch nicht, die Atmosphäre saugt Dich von ganz alleine ein. Mir fallen meine alten finnischen Helden This Empty Flow ein, die irgendwann auch komplett aus jeder Kategorie hinaus schauten, der gemeinsame Nenner war  stets die driftende melancholische Nebelwand, das nie endende Grau, ein immer dumpfer Schmerz. ‚way down‘ ist mit ebenfalls 7 Minuten und strangen deutschen Texten (Endraum lassen grüssen) ein surreales Low Budget Kino – da Du aber längst verschlungen bist im Sound der Band, zieht’s Dich nur weiter, immer weiter runter. Auch hier ist die seltsam funktionierende Spielwiese aus sich türmenden Postrock-Gitarren und orchestralen Dark Wave-Allüren nebst metallischen Riffs hier und da – ein intensiver, sich steigender Tanz auf dem Vulkan, der der Band ein komplett eigenes Gesicht verleiht. Das fragile Piano nebst Streichern in ‚a feather‘ klingt auch genauso zerbrechlich. Eine tänzelnde Feder inmitten all dem umgebenden Chaos, ein kleiner Hauch vergängliche Schönheit in all dem Verfall. Vorgetragen mit erneut schlichten, etwas windschiefen männlichen Vocals, die so wundersam die Zerbrechlichkeit der Musik rückkoppeln – danke dafür. Die abschließenden, mit wundervoll mehrstimmigen Vocals ausgestatteten ‚echoes‘ und das ambiente in die Meerestiefe spielende ‚fading lights‘ sind definitiv erlöschende Lichter in einer Welt, die immer schwärzer wird und doch eigentlich so wunderschön ist. All das hier erinnert mich an das Video von Radiohead’s ‚Pyramid Song‘ – ein musikalischer Abgesang auf diese kalte Welt und ich danke der Band für einen seltenen Erweckungsmoment, dieser durchgehend berührenden Platte, die in Einsamkeit und Reflexion ein wunderbarer Begleiter, ein perfektes seelisches Schmiermittel darstellt.

(R.Bärs)

Format: CD
 

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