Die „schweigenden Häuser“ sind ggw. gar nicht so schweigsam. Wie ich zum Glück rechtzeitig erfahren habe, sind sie auf Tour und behelligen auch unser Land. Dann muss doch etwas in der Pipeline sein und siehe da: Ein neuer Tonträger steht servierfertig in den Läden.
Mit ihrer Musik vertonen Molchat Doma das Stillleben ihres Heimatlandes Weißrussland mit seinen von Plattenbauten und Blockstrukturen geprägten städtischen Räumen. Im Post Punk, dem sich die drei Musiker (und ihr Drumcomputer) verschreiben, besteht seit jeher die Affinität zum Ostblock und seinem charakteristischen sozialistischen totalitären Antlitz in schwarz/weiß. Für Spaziergänge durch derlei Stadtviertel, die auch in vielen deutschen Städten möglich sind – selbst da, wo nie Ostblock war – liefern Molchat Doma den passenden Soundtrack. Dabei lebt die Band wohl mittlerweile in Los Angeles, das es ja nun gar nicht mit dem sozialistischen Städtebau und der kalten Ästhetik des Kommunismus aufnehmen kann. Nichtsdestotrotz liefern die Weißrussen auf ihrem 4. Studioalbum einen erstklassigen Elektrosound mit tiefem, entrücktem und viel Hall unterlegtem Gesang in ihrer Muttersprache. In Abgrenzung zu ihren vorherigen Platten rückt der Post Punk mehr und mehr in den Hintergrund. Fraglos noch immer davon inspiriert, liegt die Klangwelt des „Weißen Streifens“ (Belaya Polosa) düster und bitter irgendwo zwischen Joy Division, DAF und Depeche Mode. Große Namen mit denen sich Molchat Doma aber durchaus messen können, denn sie sind kein Abklatsch davon, sondern finden ihren eigenen Platz durch die Fassetten, die ihre Musik ans Ohr trägt. Da haben Sie ihren russischen Kollegen von Motorama oder Ploho einiges voraus, deren Alben sich doch sehr ähneln und speziell bei den Erstgenannten vom klassischen Post Punk kaum wegbewegen.
Schon bei nur auszugsweise Übersetzungen der Liedtexte auf Belaya Polosa wird dann doch ein intensiver Exilgeschmack wahrnehmbar. Es kommt oft zur Sprache, dass es jemandem nicht wirklich gut geht. Fragen nach einem Wiedersehen und dem Sterben werden gestellt. Gedanken, welche die drei Exilanten fernab von daheim nachvollziehbar umtreiben. Einen Schub erhielt die Band auch jüngst über TikTok. Vielleicht liegt darin auch ein Grund dafür, weshalb man sie gegenwärtig in etwas größeren Hallen live sehen kann. Vielleicht ist es aber eben auch wirklich nur einer der passendsten Soundtracks der gegenwärtigen Zeit, die speziell Osteuropa erlebt. Egal welches Album dieses Trios im Warenkorb landet, es wird keine Enttäuschung sein aber dieses hier halte ich für das bisher beste.
(M. Wienecke)
Format: CD / LP |
Stichworte: |