Das James Smith bzw. Jamie XX nicht nur der Mann im Hintergrund von THE XX ist, hatte er schon zeitig 2011 mit dem Komplett-Remix des letzten Werks von Gil Scott-Heron gezeigt und spätestens 2015 mit seinem Solo-Album „In Colour“ war klar, dass er ein ganz großer im IDM-Genre ist. Ähnlich seinen beiden schüchternen Band-Kollegen hält er sich jedoch angenehm zurück und produziert oder remixt nicht auf Teufel komm raus! Statt dessen ist er zum Surfer geworden und inzwischen haben auch seine beiden THE XX-Kollegen Romy Madley Croft und Oliver Sim jeweils mit Solo-Alben nachgezogen. Zeit für ihn, wieder vorzulegen, obwohl ein viertes Album von THE XX auch mal wieder fällig und fein wäre. Ob jetzt der Titel „In Waves“ im Surfer-Kontext steht oder nur Zufall ist, dürfte angesichts der geballten groovigen Beat-Gewitter von Jamie XX auf den 12 neuen Tracks egal sein. Das Album in seiner monochromen Farbgebung ist eine manisch depressive wie hedonistische Huldigung der Nacht im Club und des Morgens danach. Flirrenden House-Beats + narkotisch-shuffelnde Dubstep-Rhythmen dominieren „In Waves“ und nebenbei streift man federleicht gleich noch Disco, Garage, Northern Soul und Acid mit. Über all dem tänzeln energetisch hoch- wie runter gepitchte Vocals von diversen Gäste, wie herrliche Sixtie-Samples dazwischen funken. Neben Honey Dijon, Robyn, Oona Doherty, Erykah Badu, John Glacier, Kelsey Lu, PANDA BEAR und THE AVALANCHES, sind natürlich auch Romy und Oliver Slim mit von der Partie. Erstere war ja auf ihrem Album ähnlich selbstvergessen rhythmisch unterwegs und seine Inspiration bezog Jamie XX diesmal aus der Zeit der Corona-Pandemie bzw. des fast weltweiten Lockdowns. Dieser führte ja vieler Orts zur absoluten Lähmung, wie gerade bei uns in Deutschland sich die Clubs auf ihrer staatlichen Stützung ausruhten und jetzt verwundert feststellen müssen, dass die goldenen Zeiten vorbei sind. In England gab es dagegen keine Hilfe für die Clubs, so dass sich dort eher der Spreu vom Weizen getrennt hat und illegale Raves wieder angesagt waren. Den im Lagerhaus oder Frachtraum herrschenden rauschhaft urigen Spirit der flüchtigen Nacht versuchen die 12 Tracks auf „In Waves“ einzufangen bzw. festzuhalten, was Jamie XX auch formidable gelungen ist. Diese selten anzutreffende Mischung aus Gefahr, Adrenalin, Euphorie und Melancholie jage ich selbst immer beim Sport hinterher, weshalb mich wahrscheinlich Jamie XX mit diesem Album auch gerade so abholt. „In Waves“ läuft jedenfalls bei mir gerade nonstop, weshalb es sich daher bestimmt ganz weit vorne in meiner Jahres-Top 10 platzieren wird und auch so wird im Dance-Genre wohl kaum jemand 2024 an Jamie XX vorbei kommen!
Neben der Standard-CD und einfachen Vinyl-Ausgabe, gibt es auch eine wesentlich Preis intensivere Deluxe-Version auf Vinyl, die ich hiermit jedoch ausdrücklich empfehlen möchte, denn diese ist wirklich ihr Geld wert! Neben dem Album als Doppel-Vinyl mit breiter geschnittenen Rillen, enthält diese Variante eine Bonus-Platte mit den drei Vorab-Singles zu „In Waves“ + zwei exklusiven Tracks. Die zwei Die-Cut-Cover stecken dabei in einem transparenten Plastik-Schuber, der verschiedene Kombinationen der psychedelischen Effekte des Artworks zulässt. Die Pressung der schwarz/weißen Platten ist hervorragend und insbesondere der Bass-Sound phänomenal! (Marco Fiebag)
Format: LP/2LP+12"/CD |
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