PINK WONDER – Der schwebende Hund vor meiner Tür (LP)

Ein blaues Wunder erlebt, wer sich einer möglichen Farbverschiebung nicht gegenwärtig in einem Jetzt wiederfindet, das einem gefährlich vorkommt, weil´s so ganz anders erscheint als das, was man kennt. Ein solcher Mensch will das Bekannte bewahren. Konservativ wird so jemand genannt. Er lehnt aus Prinzip die Veränderung ab. Man kann ihn überall treffen. Auch recht weit links von der Mitte gibt´s Leute, die die Welt nicht mehr verstehen. Ein rosarotes Wunder erlebt, wer sich offen hält und versucht zu verstehen. Denn nur nach dem Verstehen ist Kritik überhaupt möglich. Und deshalb hab ich´s getan … auf einem Konzert in der Berliner Volksbühne. Dort spielten Pink Wonder als Vorband von Rosa Beton. Eine Band, die 1983 ein Tape in Heimarbeit einspielte, das allerdings nicht „offiziell“ erschien, aber doch kursierte und Rosa Beton so zu überregionaler Bekanntheit verhalf – mit von der Partie war übrigens der damals 16jährige Thomas Wagner, der auch Tom Terror und das Beil sowie später Herr Blum war.

Das hier thematisch etwas durcheinander kam – das Ganze firmierte unter dem Thema „Vergessene Arbeitskämpfe“, was mir zunächst nicht einleuchten wollte, weil sich eine Band, die unter den Repressionen eines diktatorisch autoritären Staates gelitten hat, dann doch von einer unterscheidet, die sich in einem demokratischen an heutigen, also an sicher anderen Problemen abarbeitet –, lass ich mal beiseite, denn dafür kann Pink Wonder nichts. Außerdem fielen mir nach dem Hören von „Der schwebende Hund vor meiner Tür“ am darauf folgenden Tag gleich drei Möglichkeiten ein, die für die Entscheidung, Pink Wonder in diesem Kontext spielen zu lassen, verantwortlich gewesen sein könnten: Zum Einen wollten die Veranstalter den Roten Salon der Berliner Volksbühne etwas auffüllen (Da waren neben einigen wenigen Alt-Punks mit DDR-Vergangenheit oder zumindest Bezug, noch reichlich recht junge, die wohl mindestens drei Generationen Abstand dazu hatten), also junges mit altem Publikum mischen, d.h. Historisches mit Neuem verbinden. Zum Zweiten kann das ganz schlicht mit der Ähnlichkeit der Namen beider Bands zu tun gehabt haben. Und drittens lag das sicher an der musikalischen Qualität von Pink Wonder, die an diesem Abend zuerst die Bühne betraten und ein mitreißendes Set spielten, das aus knackigen, dem Hüpfen und Springen des Publikums Vorschub leistenden Stücken bestand.

Beim weiteren Durchhören der Platte wurde mir klar, dass auch der Tonträger ein ziemlich starkes Stück geworden ist. Garage-Glam-Punk würde ich sagen. Ein Punk, der nicht dunkellila vor Wut oder tiefschwarz vor Verzweiflung, sondern kräftig rosarot, d.h. eben pink ist – eine Perücke auf dem Kopf (zu finden auf der Vorderseite das Covers) und von einem kuscheligen Einhornkostüm umhüllt (auf der Rückseite) …

Pink Wonder existiert seit 2018. Damals wurde das erste Album „sofortiger töt II“ auf bandcamp hochgeladen. Darauf folgten 2020 fünf Electro-Remixe, die auf dem Album „night beaver remixes“ (ebenfalls bandcamp) zu finden sind. Und nun, d.h. im Juli 2022, kam das DIY-Vinyl-Album „Der schwebende Hund vor meiner Tür“ im Eigenverlag heraus.

Die Titel der drei, die ihren Stil mit „pinky puky bloody punk“ umschreiben, sind auf dem Album – von drei Ausnahmen unterbrochen – durchweg kurz und energiegeladen. Ganz so wie im Punk oder alten Garage-Stücken. Alle so um die zwei Minuten. Hier sogar noch ein kleines bisschen weniger. Das sorgt hier für Geschwindigkeit. Die drei Ausnahmen, die über vier Minuten lang sind, wurden dabei an die genau richtigen Stellen gesetzt. Jeweils auf zwei heftig kurze Stücke folgt eines, dass das Tempo etwas herausnimmt und gleichzeitig auf die nächsten zwei flotten Stücke einstimmt. Anspieltipps sind „Foko“ und gleich im Anschluss „Plastic Bag“ … Mein persönlicher Liebling ist dann aber doch „Insects“ …

Als ich die Platte nach dem Durchlauf vom Plattenspieler nahm, fiel mir noch ein, dass es eigentlich kaum einen gravierenden Unterschied zwischen Pink Wonder und dem Punk vor vierzig Jahren gibt. Früher hätten die Punks vor dem Plänterwald, wenn sie auf Pink Wonder angesprochen worden wären, nämlich sicher gesagt: „Ja eh, die fetzen!“ (awk)

Format: LP
Vertrieb: CORETEX / EIGENVERTRIEB
 

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