„In Utero“ war 1993 das dritte Album von NIRVANA und ist bis heute ein Zeugnis von Überforderung, Inkonsequenz, Scheitern und letztendlich das eines Triumphes (des Todes)! Die damals populärste Band der Grunge-Bewegung war auf den unerwarteten weltweiten Erfolg von „Nevermind“ nicht vorbereitet und kam mit den diversen Nebeneffekten des Erfolges nicht klar. Der extreme Drogenkonsum von Frontmann Kurt Cobain und Leitbild einer ganzen Generation machte das Ganze nicht einfacher und man wollte irgendwie wieder zurück zu den Anfängen als Band. Das neue Album war daher unter dem Titel „I Hate Myself And I Want To Die“ geplant und als Produzent sollte Steve Albini (BIG BLACK, RAPEMAN, SHELLAC) fungieren. Dieser war und ist für seine direkten Analog-Aufnahmen bekannt und NIRVANA erhofften sich durch diese Kombination einen wieder etwas schrofferen Sound. Im Gegensatz zu wohl fast allen anderen potentiellen Kandidaten riss sich Steve Albini nicht um diesen Job, stellte Bedingungen und bekam trotzdem den Zuschlag. Geffen Records war davon überhaupt nicht begeistert, betitelte das Ergebnis als „Scheiße“ und saß damit letztendlich am längeren Hebel. Die Band knickte ein und das Album wurde von Scott Litt zum Teil neu gemixt, editiert und zensiert, obwohl sich das Steve Albini vertraglich verboten hatte. Das sorgte natürlich für richtig Ärger, der Meister war sauer, zumal er dahingehend hingewiesen hatte und deshalb auf dem fertigen Album unter dem neuen Titel „In Utero“ nur ein „Recorded By Steve Albini“ stand. Die Bedenken des amerikanischen Major-Labels waren jedoch unbegründet, denn die Single „Heart-Shaped Box“ wurde (auch Dank MTV) ein Hit und das Album ging in mehreren Ländern auf Nummer 1. Durch den Selbstmord von Kurt Cobain wenige Monate später im April 1994 wurde dann das Album (wie die ganze Diskografie) sowieso zum ewigen Selbstläufer. Zum 20. Jahrestag von „In Utero“ hatte sogar Steve Albini seinen Frieden damit gemacht, denn zu diesem Anlass erschien erstmals der Original-Mix des Meister im Rahmen der 20th Anniversary Deluxe-Box. Inzwischen sind nun schon wieder 10 Jahre vergangen und eine neue Würdigung des letzten Album von NIRVANA steht in den verschiedenen Formaten an. Diesmal beschränkt man sich beim Haupt-Album wieder auf den bekannten gefälligeren Mix von 1993, welcher jetzt durch Bob Weston von den Analog-Tapes neu remastert wurde und richtig interessant wird es dann bei den Zugaben. So bietet die Doppel-CD-Variante 14 bisher unveröffentlichte Live-Tracks von der „In Utero“-Tour und die 5CD-Deluxe-Box neben 5 B-Seiten & Raritäten ganze 53 Live-Tracks bzw. zwei komplette Konzert-Mitschnitte + Bonus-Aufnahmen! Natürlich gibt es die Super-Deluxe-Box auch im Vinyl-Format und diese erstreckt sich dabei auf 8 LPs. Mir liegt zum Review allerdings nur die einfache LP-Ausgabe vor, welche trotzdem absolut nicht zu verachten ist. Zuerst wäre da mal das überaus stabile Klappcover, die gefütterte Innenhülle und sehr gute Pressung der 180g-Platte lobend zu erwähnen. Des weiteren enthält diese ein Beiblatt und eine 10“ mit den 5 B-Seiten & Raritäten. Diese sind im einzelnen der CD-Hidden Ghost-Track „Gallons Of Rubbing Alcohol Flow Through The Strip“ von „In Utero“, die beiden Single-B-Seiten „Marigold“ und „Moist Vagina“ (damals nur unter der Abkürzung „MV“ veröffentlicht) und die Compilation-Beiträge „Sappy“ („No Alternative“) bzw. „I Hate Myself And I Want To Die“ („The Beavis And Butt-Head Experience“). Diese laut Sticker limitierte Version ist wirklich eine sehr schicke, lohnende wie ausreichende Erweiterung dieses Album-Klassikers und die anderen Deluxe-Ausgaben wohl eher was für die Hardcore-Fans und Sammler. Ich selbst habe inzwischen auch mit NIRVANA meinen Frieden gemacht und kann der düster-rauen Atmosphäre von „In Utero“ etwas abgewinnen. Dem war nicht immer so, denn Anfang der 90er ging der Grunge-Hype völlig an mir vorbei und ich eh in völlig anderen musikalischen Gefilden unterwegs. Allerdings erkannte ich schnell das Potential der Band, denn wir hatten damals bei unserer „The Axeman’s Jazz“-Disko recht zeitig das „Nevermind“-Album (mein Kollege war Sub Pop-Fan) und als wir das erste Mal „Smells Like Teen Spirit“ spielten, tanze zwar keiner, aber mussten es danach an diesem Abend noch 2 x auflegen! Fand ich damals Scheiße, inzwischen jedoch ganz amüsant und Zeiten ändern sich halt, weshalb jetzt eben auch „In Utero“ 30 Jahre später Einzug in meine Sammlung hält. (Marco Fiebag)
Format: LP+10"/8LP/2CD/5CD |
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