Achtung – dieser wilde „Rosengarten“ hier lag hinter dem Eisernen Vorhang versteckt und noch dazu im Sperrgebiet, wo neben dessen scharfen Dornen der Stacheldraht nur 5 Kilometer entfernt war! Mit der Band ROSENGARTEN verknüpfe ich ganz spezielle persönliche Erinnerungen an die eigene „unruhevollen Jugend“ in einem Land, das es nicht mehr gibt. Die wenigen Kassetten-Aufnahmen, welche ich von ihnen hatte, waren mir absolut heilig und wurden trotzdem hoch & runter gehört. Ich stand damals sogar mit der Band im Briefkontakt und hatte seiner Zeit noch das Glück, sie 4 mal in Berlin, Salzwedel, Leipzig und Radebeul Live zu erleben. Noch heute verbinde ich mit den Texten bestimmte Situationen von damals, bekomme Gänsehaut beim hören und kann sofort mitsingen, so eingebrannt sind ROSENGARTEN in meiner DNA! Doch der Reihe nach:
1985 in Salzwedel gegründet und musikalisch hauptsächlich beeinflusst von JOY DIVISION und BAUHAUS, hielt die erste Bandbesetzung nicht lange, denn u.a. ging Sänger Alex Carstensson nach Berlin, um dort 1988 zusammen mit dem Gitarristen Torsten Füchsel (auch bekannt unter Pegman) die noch mehr BAUHAUS affinen B.CROWN zu gründen. Vorerst blieb Pegman jedoch bei ROSENGARTEN, um zusammen mit der zweiten Besetzung bzw. dem neuen Sänger Helge Semlow die bekannteste Phase der Band einzuläuten. Dies geschah mit den Aufnahmen zum ersten Demo-Tape „Blut & Liebe“, dessen Titel-Song ihnen dann gleich das erste Airplay in der legendären DT64-Sendung „Parocktikum“ bescherte. Ende 1987 erfolgte in diesem Zuge der Live-Mitschnitt ihres Konzertes im Kreiskulturhaus Treptow in Berlin, welches im Februar 1988 unter dem Banner der „Paroktikum-Session“ gesendet wurde und für große Popularität in der ausgehungerten Untergrund-Szene der DDR sorgte. Ein Jahr später wurde davon der Titel „Bessere Zeiten“ sogar auf dem „Parocktikum“-Sampler bei Amiga auf Vinyl gebannt und ist seit dem fest im Kanon der letztendlich unter der Bezeichnung „die anderen Bands“ zusammengefassten musikalischen DDR-Underground-Kultur verankert. Das besondere an ROSENGARTEN waren ihre meist deutschen Texte, die verbunden mit dieser gewissen morbiden „Grufti“-Atmosphäre und der Pogo Punk-Instrumentierung etwas sehr eigenes darstellten. Helge Semlow schaffte es durch seine sich mitunter überschlagende Gesangsdarbietung, welche vergleichbar mit der von Max Gold (FOYER DES ART) bei „Komm in den Garten“ war, den düsteren Texten eine makabre Gewichtung zu verleihen. Später kamen bei den noch folgenden zwei Demo-Kassetten deutlich mehr melodische Einflüsse zwischen DEAD CAN DANCE und TUXEDOMOON + vermehrt englischer Gesang dazu, bevor sich die Band in den Wendewirren nach dem Mauerfall zwar offiziell nie auflöste, jedoch irgendwie lautlos verschwand. 2017 traf ich dann auf der 50. Geburtstags-Party von Alex Carstensson in Berlin auch Helge & Marion wieder, wo es zu einer kurzen wie magischen Reunion von B.CROWN kam und ich dort auch sofort die Möglichkeit ansprach, das alte ROSENGARTEN-Material endlich ordentlich für die Nachwelt auszuwerten. Leider war man sich sehr unsicher, ob das noch jemanden interessiert, weshalb es für mich jetzt umso unerwartet und schöner ist, dass es nun 6 Jahre später doch noch passiert. Das sächsischen Label Rundling hat sich dieser Vermächtnis vollen Aufgabe angenommen und veröffentlicht das erste Demo „Blut & Liebe“ stilvoll auf Vinyl. Überraschend frisch, unverbraucht und unverfälscht klingen dabei die Songs. Sehr gut ist auch die Qualität des Ausgangsmaterials bzw. die Restauration dessen, wenn man bedenkt, dass es dafür als Grundlage ja keine Studio-Masterbänder gibt, sondern nur einfache Kassetten-Kopien. Ebenso gelungen ist die Pressung des Vinyls (leider heutzutage keine Regel mehr), welches absolut laufruhig und sauber daher kommt. Die Platte ist dazu mit einer gefütterten Innenhülle ausgestattet und enthält zusätzlich ein Beiblatt mit den Texten + kultigen Band-Foto. Das schlichte und trotzdem stylische Cover orientiert sich an der Original-Kassette, was die Titelliste allerdings nicht ganz macht, da man auf Grund der begrenzten Spielzeit eine leicht reduzierte Auswahl treffen musste. Diese Tatsache trübt jedoch keineswegs die Freude über die wunderbare Platte, zumal Rundling die Wiederveröffentlichung der anderen beiden Demo-Kassetten schon in Aussicht gestellt hat. Ein nie in Erfüllung gehend geglaubter Traum wird somit wahr, aber erst mal gilt es „Blut & Liebe“ standesgemäß zu kaufen, hören und würdigen! Die Platte im schwarzen Vinyl ist problemlos bei den einschlägigen Mailorder-Versanden erhältlich, die 100 Exemplare im roten Vinyl jedoch nur direkt über Rundling zu beziehen. Mit „Blut & Liebe“ wurde endlich ein wichtiges musikalisches Zeitdokument der DDR für die Nachwelt wieder zugänglich gemacht und sollte dementsprechend auch honoriert werden! (Marco Fiebag)
Format: LP |
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