Nick Cave ist Sänger, Musiker, Texter, Schriftsteller, Maler, Schauspieler, Junkie etc. und ein Selbstdarsteller in Personalunion oder vereinfacht gesagt – ein Künstler par excellence! Seit seiner Jungend in den 70er Jahren in Australien ist er bis heute ohne Pause künstlerisch aktiv und aktuell mit 66 Jahren umtriebig wie selten zuvor. Diese komplexe Karriere mit seinen verschiedenen Stationen und Brüchen macht eine Biografie über ihn zu einer Mammut-Aufgabe und eventuell liegt es daran, dass bisher noch keine umfassende Abhandlung in Buchform über Nick Cave verfügbar ist. Der australische Journalist Mark Mordue wagte sich vor rund 10 Jahren an diese Aufgabe und ist damit auch krachend gescheitert. Aus der geplanten Biografie, die sogar an seiner Psyche und Gesundheit zehrte, wurde letztendlich eine akribische Dokumentation der Jugendjahre eines Nick Cave’s in seiner Heimat, die genau in dem Moment endet, als seine Band THE BOYS NEXT DOOR in Melbourne ins Flugzeug nach England steigt, um in London als THE BIRTHDAY PARTY die Gangway zu verlassen. Bis dahin sind es knapp 400 engbedruckte Seiten zu lesen, die es wahrlich in sich haben. Ich muss aber auch zugeben, dass der Einstieg in das Buch für mich Anfangs recht sperrig war und die vielen Fuß- bzw. Endnoten etwas nervten. Die Geschichte des jungen wilden Mannes nimmt jedoch zügig Fahrt auf und fasziniert mit einem toxischen Wechselbad zwischen behüteten Elternhaus, ersten musikalischen Gehversuchen, Kunstschule und Rebellion. Den ersten regionalen Erfolge von THE BOYS NEXT DOOR folgen schnell die Drogen und schon sehr früh erliegt der junge Nick Cave den Verlockungen des Heroin, welches ihn dann viele Jahre auf seiner stetig erfolgreicher werdenden Karriere begleiten wird. Dazwischen wird es mit THE BIRTHDAY PARTY, THE BAD SEEDS und GRINDERMAN noch Folge-Bands, wie diverse Besetzungswechsel geben. Darüber geht es in „Jugendfeuer“ aber noch nicht, wenn auch der Grundstein genau da gelegt wurde. Der Unfalltod seines Vaters mag daran nicht ganz unschuldig sein, wenn auch er das immer verleugnet hat („Er hat es nicht anders verdient“). Der charismatische Nick Cave benutzt gern seine temporären Weggefährten zum eigenen Vorteil und Rowland S. Howard, Mick Harvey, Blixa Bargeld oder Anita Lane können davon ein Lied singen. Auch wenn ersterer und letztere inzwischen leider nicht mehr unter uns weilen, kommen sie im O-Ton in diesem Buch zu Wort und zeichnen neben vielen anderen Zeitgenossen ein dichtes Sittenbild der australischen Underground-Szene mit seiner Leitfigur eines jungen Nick Caves. Dabei kommt der Meister nicht immer gut weg bzw. wenig sympathisch (und trotzdem faszinierend) rüber, aber welcher große Künstler kann das schon von sich behaupten. Köstlich zum Beispiel die Anekdote, als ein Gast auf einer Party beim gestylten Anblick von Nick Cave & Rowland S. Howard den Gastgeber um Entschuldigung bittet, nicht gewusst zu haben, dass das hier eine Kostüm-Party sei! „Jugendfeuer“ ist voll von solchen Episoden, welche lange eingefroren in einer engen Zeitkapsel waren und jetzt zwischen zwei Buchdeckeln archiviert wurden. Dazu durchziehen einige wenige, aber dafür um so spektakulärere und bisher nie gesehene Fotos lose das Buch. Diese hätten sicher eine etwas wertigere Präsentation verdient, als in diesem Paperback-Band aus Recycling-Papier, aber das ist am Ende marginal gegenüber dem inhaltlichen Wert von „Jugendfeuer“! Im aktuellen Buch über Nick Cave namens „Glaube, Hoffnung und Gemetzel“ (übrigens wieder keine umfassende Biografie) gibt der Meister zu Protokoll, „Jugendfeuer“ nach anfänglicher Zustimmung inzwischen lieber nicht veröffentlicht zu sehen. Gut, dass das nicht mehr möglich war, denn „Jugendfeuer – Die frühen Jahre des Nick Cave“ ist ein interessantes Puzzleteil ein langen beeindruckenden Karriere, die noch nicht zu Ende scheint! Auf jeden Fall hat das Buch bei mir wieder das alte Nick Cave-Feuer entfacht und ich mich dadurch intensiv mit den Platten und CDs beschäftigt, Literatur dazu gewälzt, wie DVD’s geschaut habe. „Jugendfeuer“ ist letztendlich eine hochinteressante Lektüre, die verstehen hilft, wie Nick Cave zu dem dunklen Hohepriester geworden ist, dem inzwischen sogar der Mainstream erlegen ist. (Marco Fiebag)
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