Wer, zur Hölle, sind Fritz & Tony? Sind es die neuen Simon and Garfunkel oder Erasure? Nein, es handelt sich dabei um zwei Neofolk-Größen. Tony Wakeford von Sol Invictus bzw. Crisis und Ex-Mitglied von Death In June, wurde von Oliver – wohl das bekannteste Gesicht bei Sonne Hagal – in London besucht, um ein bisschen gemeinsam zu musizieren. So lässt es sich zumindest aus den Fotos und Kommentaren ablesen, die vor einiger Zeit bei Facebook und wahrscheinlich auch auf anderen Kanälen zu sehen waren.
Das Ergebnis liegt nun vor. Zwei Lieder, die jeweils eine Seite dieser LP ausfüllen. Auf der A-Seite (Die Matrix sagt allerdings B.) erklingt eine anfangs recht verspielte Flöte, die dem Lied den Weg zeigt. Sie wird dann ruhiger aber bestimmender und wird von einer leicht verträumten Basslinie begleitet. Dazu gesellen sich Harmonium und Glockenklänge. Dieses Ensemble ist mit einem dahin treibenden Boot auf einem Fluss vergleichbar. Schwer im Wasser liegend aber doch leicht genug für langsame Drehungen und Wendungen. Die Instrumentierung läuft dabei dem Liedtext zuwider. „Punch Judy“ heißt es immer wieder in den Lyrics, denn Judy hat Schuld daran, dass man vor dem Essen schmoren gelassen wird, weil es nicht rechtzeitig serviert wird. Ihr Kaffee ist immer bitter und steht stellvertretend für die chronische Unzufriedenheit übers ganze Jahr hinweg. Den Frust, den einem die Welt zuträgt, lässt man am besten an Judy aus.
Die B-Seite (die Matrix der Platte sagt A) enthält mit „Empty Streets“ ein Easy-Listening-Stück, das mit leicht verraucht jazzigen Ambiente auffährt und oft an die Schöpfungen von „Bohren und der Club of Gore“ erinnert. Eine Trompete erklingt mit ihrem Hall wie ein verlorenes Solo aus längst vergangenen Zeiten oder eben ein Trompeter, der einsam und verlassen im dunstigen Schimmer der Straßenlaterne steht und sein Lied in die Nacht wirft. Tony Wakefords Stimme legt sich nachdenklich über die Szene und beklagt die leeren Herzen und den verottenden Körper Ayn Rands, der (noch immer) die Brunnen verseucht. Das klingt nach harscher Kritik an der Doktrin von radikalem Egoismus und Individualismus, welche die Autorin ( *1905, + 1982) verfasste und die offenbar nach wie vor von dubiosen Gestalten für sich vereinnahmt wird.
Auch wenn ein Bass in beiden Liedern ziemlich deutlich in den Vordergrund tritt, scheint sich Herr Wakeford keinen umgehangen zu haben. Jedenfalls ist in den Credits davon keine Rede. Dafür steht hier, dass was als Solo-Projekt begann letztendlich in einer Ansammlung exquisiter Musiker endete. Ohne deren Zutun wären die Ideen wohl sicherlich irgendwann in die hinteren Kammern des Gehirns oder Hard Drives versunken. Es wird nicht klar, ob hier nun Olivier, ich meine Fritz Hagal, oder Tony Wakeford zum Hörer sprechen. Auf jeden Fall macht diese „Maxi-Single“ Lust auf mehr. Hoffentlich macht sich einer der beiden schleunigst wieder auf den Weg zum Anderen. Vielleicht schnappt Ihr Euch noch Gernot Musch (Pilori, :Golgatha:) dazu, denn mit dem hat Herr W. ja auch schon als „Twa Corbies“ eine schöne Langspielplatte abgeliefert. (MW)
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