CIRCULAR oder Gestaltung des Unbekannten
Das der Dark Ambient-Markt durch die erleichterten technischen Bedingungen und gemessen am mehr als überschaubar daran interessierten Publikum leider völlig überschwemmt ist, dürfte unbestritten sein. Um so schöner, wenn aus der grassierenden Veröffentlichungsflut ein wirklicher Diamant heraussticht und genau so einen funkelnden Edelstein stellt das Debüt „Shaping The Unknown“ von CIRCULAR dar.
Erschienen ist das Album in der ostdeutschen Dark Ambient-Schmiede Loki Foundation, welche somit wieder einmal ihre Ausnahmestellung unterstreichen und der Maxime Recht gibt, daß Qualität vor Quantität geht. Obwohl der Sound von CIRCULAR sehr dunkel und spacig erscheint, wohnt ihm eine gewisse Wärme und Organität inne, die eventuell auf die klassische Musikausbildung der Person hinter dem Projekt zurückzuführen ist. Ob dem wirklich so ist, verrät uns Johannes Riedel im folgenden Interview.
? Was war für Dich der Beweggrund, das Projekt CIRCULAR ins Leben zu rufen und Dich damit musikalisch auszudrücken?
Den Beweggrund, als solchen, kann ich schwer festmachen. Vielmehr war es die Verdichtung des Materials, das Zusammenfinden und -funktionieren von Sounds und letztendlich die fertig gemischten Tracks, das Ergebnis, mit dem man selbst zufrieden war und ist.
? Gibt es einen musikalischen Werdergang vor CIRCULAR von Dir?
Ich habe eine klassische Musikausbildung hinter mir, die nach dem ersten Öffnen eines Synthesizerfilters zwar sofort an Attraktivität verloren hat, nachhaltig aber sicher sehr gut war. Vorprojekte oder Aktivitäten in Bands gibt es nicht. Von dort an ging es sofort los mit der Arbeit an Tracks für CIRCULAR. „Eclipse Unveiled“ und „Spawn Of The Winds“ sind zum Beispiel Stücke, die in ihrer Grundstruktur gut sieben Jahre alt sind.
? Welche musikalischen Einflüsse kann man auf CIRCULAR gelten lassen?
Ich denke, jede Musik, die man persönlich hört und mag, beeinflußt einen auch. Insofern gibt es, ob nun hörbar oder nicht, sicher viele unterschiedliche Einflüsse auf CIRCULAR. Manchmal ist es ein ganz bestimmter Sound oder Effekt auf einer Platte, der einen inspiriert. Manchmal ist es aber auch einfach „nur“ die Stimmung einer Platte oder eines Tracks. An der Entwicklung elektronischer Musik bin ich schon sehr interessiert. Ambientmusik habe ich mit dem Label Recycle Or Die, welches 1992 als Sublabel von Eye Q/Harthouse gegründet wurde, entdeckt und lieben gelernt.
? Was möchtest Du mit CIRCULAR musikalisch aussagen bzw. erreichen und welche Reaktionen beim Hörer hervorrufen?
Musikalisch möchte ich mit CIRCULAR auf jeden Fall die Kritikpunkte und Aspekte erfüllen und ausdrücken, die mir selbst an Musik sehr wichtig sind und die ich auch als Erwartung an (Ambient-)Musik stelle. In einer Aufnahme sollte zum Beispiel eine gewisse „Tiefe“ mitschwingen und eine Entwicklung im Verlauf eines Tracks zu erkennen bzw. hören sein. An einem Stück für CIRCULAR arbeite ich solange, bis es meiner Meinung nach vom Soundspektrum her vielseitig und facettenreich ist und doch ein homogenes Ganzes ergibt. Dabei versuche ich, möglichst viele unterschiedliche Soundquellen (analog; digital; Mikrofonaufnahmen; reale Instrumente…) in Einklang zu bringen. Ich hoffe, daß die Hörer „Shaping The Unknown“, genau wie ich selbst, mit ganz bestimmten Stimmungen und Situationen verbinden können und die Platte in eben solchen Situationen für sie immer wieder funktioniert.
? Wie bist Du zur Loki Foundation gestoßen?
Wir haben uns in Lille/Frankreich im November 2000 beim DEADLY ACTIONS Festival kennen gelernt, sind uns in Leipzig immer mal wieder über den Weg gelaufen und haben uns dann so getroffen oder gemeinsam Konzerte besucht.
? Kannst Du die Vergleiche von jenen nonpoppigen Journalisten nachvollziehen, die den Sound Deines Debüt-Albums in die Nähe des deutschen Krautrocks gerückt haben?
Zugegeben, es gibt schon Abende, an denen es eine CAN- oder FAUST Scheibe auf den Plattenspieler schafft – aber selten. Vielmehr wundert mich an dieser Besprechung, daß später behauptet wird, die Scheibe kommt ohne Gitarre aus, zumal ja der tatsächlich vorhandene Einsatz von Gitarrenlinien, wenn auch vollkommen anders produziert, der wohl offensichtlichste, wenn auch weit hergeholte, Vergleich zum Krautrock wäre? Aber es fällt ja auch noch der Begriff „Kosmische Musik“, mit dem ich gut leben kann!
? Wie ich es in meinem Review im BLACK 46 vorausgesagt habe, hast Du Dein Live-Debüt im Rahmen der Sonic Lodge-Veranstaltungsreihe in Leipzig gegeben – wie siehst Du nun mit etwas Abstand Deinen Auftritt und was waren Deine Eindrücke von diesem Abend? Ich persönlich hatte das Gefühl, das Dein Live-Sound noch etwas trauriger oder melancholischer als auf der Debüt-CD war.
Der Sonic Lodge-Abend ist und bleibt mit einem guten Gefühl in Erinnerung. Als trauriger bzw. melancholischer würde ich den Live-Sound jedoch nicht beschreiben. Der Sound wirkt vielleicht durch Lautstärke, Umgebung und Visualisierung einfach intensiver und ergreifender, als daheim vor vertrauter Anlage? Aber ganz sicher ist das ein rein subjektives Empfinden und soweit Dich der Sound irgendwie berührt hat, ging die Rechnung ja auf.
? Beim ersten Live-Auftritt von FJERNLYS hast Du den Knut akustisch auf der Bühne unterstützt, warst aber an der Debüt-CD von diesem Projekt noch nicht beteiligt. Auf der zweiten Platte war Dein Name aber inzwischen zu finden und Knut stand Dir seinerseits bei Deinem CIRCULAR-Auftritt zur Seite – bist Du inzwischen auch richtig in FJERNLYS involviert und wenn ja, was können wir in Zukunft da erwarten?
Die Mitarbeit an FJERNLYS kam mit dem Plan, daß das Projekt auftreten wollte und Knut mich ansprach, ob ich die Streicherparts transkribieren und den Teil dann folglich auch Live übernehmen könnte. Aus den gemeinsamen Sessions reiften zahlreiche Ideen und somit entschloß sich FJERNLYS den akustischen Anteil auch mit in die Studioaufnahmen einzubauen. Ob das für ewig so bleibt, weiß man nicht, in jedem Fall werde ich bei einigen neuen Stücken beteiligt sein und auch die Liveauftritte 2008 werde ich mitbestreiten.
? Das der Dark Ambient-Sektor gemessen am potentiellen Publikum mehr als überschwemmt ist, dürfte unbestritten sein. Wie siehst Du selbst die aktuelle Lage auf diesem Gebiet und wo gibt es Auswege?
Ist nicht mittlerweile fast jeder musikalische Sektor davon betroffen? Ich denke, es ist ein Selbstlauf der (technischen) Entwicklung, was das Produzieren, aber vor allem das Verbreiten von Material angeht. Das hat, wie immer, seine Vor- und Nachteile. Der Markt ist halt ganz schön unübersichtlich geworden und man muß sich durchkämpfen, um an die Perlen zu kommen. Um so schöner sind die Momente, an denen man sie dann entdeckt. Das erste Hören von COMBATIVE ALIGNMENT oder PHELIOS, um mal im Genre zu bleiben, waren für mich zum Beispiel solche. Auswege kann da wohl jeder nur für sich selbst finden, insofern er die Situation überhaupt als problematisch empfindet. Das viel größere Problem sehe ich in der schwindenden Livepräsenz. Die Anzahl an stattfindenden (Szene-)Konzerte hat schließlich deutlich nachgelassen.
? Du hast mit CIRCULAR weder eine Internet- noch MySpace-Präsenz – eine beabsichtigte Entscheidung und wenn ja, warum?
Ja, das scheint es. Ich schließe das Erstellen einer Homepage für CIRCULAR nicht grundsätzlich aus, denke jedoch, daß der Zeitpunkt im Moment (nach einer Platte und einem gespielten Konzert) einfach zu früh wäre. Dazu kommt, daß es schließlich eine Homepage des Labels gibt, auf der alle wichtigen Informationen zur Platte vorhanden sind. Sicher kommt es irgendwann zu dem Punkt, an dem dieser Schritt Sinn macht.
? Wie wird es mit CIRCULAR im Jahre 2008 weitergehen?
Neben der Arbeit an neuen Stücken für CIRCULAR und der Suche nach neuen Sounds und Samples wird auf Skogholt eine Live-LP erscheinen, auf der sich Konzertaufnahmen vom Sonic Lodge-Abend am 1.12.2007 von INADE und CIRCULAR befinden werden. Weiterhin arbeite ich an einem LLOVESPELL-Remix, welcher für eine Kollaboration/Remix-Veröffentlichung bestimmt ist, die gegen Ende des Jahres erscheinen soll.
? Hast Du eine All-Time-Top 5 und was sind Deine aktuellen Favoriten auf dem Tonträgermarkt?
All TIME Bands: COIL, ADD N TO (X), TANGERINE DREAM (1969-1984), CONTRASTATE und MASSIVE ATTACK.
Aktuelle Platten: CARTER TUTTI “Feral Vapours Of The Silver Ether”, GOLDFRAPP “Seventh Tree”, SWAYZAK “Some Other Country”, ANTLERS MULM “Of Withered Sparks” und PJ HARVEY “White Chalk”.
Ich danke Johannes für dieses Interview und wünsche für die Zukunft alles Gute. Des weiteren geht Dank an die Loki Foundation für ihre Unterstützung.
Vielen Dank für das Interesse an CIRCULAR und alles Gute für Dich und das BLACK-Magazin.
(M.Fiebag)
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