DIE ANGST – Abgesang / Salzprinz (7")

Neben dem Punk-Rock, der etwa Mitte der 1970er Jahre entstand und dem Hardcore-Punk, der Anfang der 1980er dazukam, kann eigentlich nur noch der so genannte Düster-Punk zu den ernstzunehmenden Formen des Punks, der als übergeordneter Begriff für alle diese Formen gilt, gezählt werden. Dieser wuchs aus dem Hardcore. Das heißt, war die Wut das Hauptmerkmal des Hardcores, kam mit dem Düster- oder auch schon mal Depro-Punk genannten Stil die Verzweiflung hinzu. Das subjektive Erleben schob sich in den Mittelpunkt. Das Zerbrechen an Zuständen war zu beklagen. Bands, die diesem Stil zugeordnet werden können sind Chaos Z, Fliehende Stürme, EA 80 und Die Angst.

Gegründet nach der Trennung von L.S.K. 2002 wurde das schon mit ihrer ersten Veröffentlichung „… kennt deinen Namen“ 2004 hör- und erlebbar. Das erste Album erschien nach der Single „1000 Jahre“ 2012. Es folgten „Auf Abwegen“ 2013 und „Verschimmelte Blumenwiesen“ 2019. Der größte Teil davon wurde über das bis heute von Kilian Kämpfer betriebene Label Moon-Records, das 1993 gegründet wurde und seit 2002 in Potsdam ansässig ist, veröffentlicht. Noch deutlicher, weil mittlerweile um Längen weiter, wird dies nun mit der aktuellen Single „Letzter Gruß aus Eden“. Doch zunächst die Aufmachung:

Die aufklappbare Schutzhülle ist aus schwarzumrandetem Karton und enthält auf der Innenseite die typografisch und inhaltlich stimmigen Texte. A-Seite links, B-Seite rechts. Vorn sieht man schwarze Vögel um schwarzes Astwerk flattern, hinten schaut die Band in das Bild.

Mir sprang beim ersten Betrachten sofort der Text von „Salzprinz“ auf der B-Seite ins Auge. Das heißt, wenn man frühere Diskussionen um Die Angst erinnern kann, könnte der ein kleiner Stich, oder zumindest Anstoß in Richtung Kritiker sein, die mit eben ihrer Kritik weniger die Musik meinten als das, was um die Band stattfand. Vielleicht trifft es aber das Wort Beschwörung noch besser. Die Angst beschwören diese, sich daran zu erinnern, worum es eigentlich geht. Und zwar: „… im Unglück sind wir alle gleich …“. Aber eine genaue Analyse kann auch etwas Anderes herausarbeiten. Das hier ist nur die Meinung des Autors, bzw. Assoziationen dazu und spiegelt keinesfalls auch die Meinung anderer wider.

Deshalb nun gleich zur A-Seite, zurück: „Abgesang“ ist ein Stück, das auch wirklich auf eine A-Seite gehört. Es verstärkt zwar anfangs den Eindruck, dass wir es hier mit etwas zu tun haben, das einst von Chaos Z angeschoben wurde, geht dann aber eben weiter. Einen eigenen Weg, der vor allem textlich erwähnenswert ist. Da wird zwar genretreu der Herbst genannt, der der Frühling des Todes ist. Auch wird erwähnt, dass man sich nur an der Erinnerung festhalten kann. Der Blick geht zurück, weil das, was kommt, nur vage, also Vermutung sein kann. Jeder Schritt vorwärts fällt schwer. So wie Blei. Ein hoffnungsloses Szenario. Doch die Abwesenheit von Hoffnung verweist hier eben auch deutlich auf diese.

Um das besser zu veranschaulichen sei an dieser Stelle Gottfried Benns „Was schlimm ist“ genannt. Dieses Gedicht nämlich spricht genauso von Hoffnung und dem, was eben schlimm ist, erfüllt sie sich nicht:

Wenn man kein Englisch kann,
von einem guten englischen Kriminalroman zu hören,
der nicht ins Deutsche übersetzt ist.

Bei Hitze ein Bier sehn,
das man nicht bezahlen kann.

Einen neuen Gedanken haben,
den man nicht in einen Hölderlinvers einwickeln kann,
wie es die Professoren tun.

Nachts auf Reisen Wellen schlagen hören
und sich sagen, daß sie das immer tun.

Sehr schlimm: eingeladen sein,
wenn zu Hause die Räume stiller,
der Café besser
und keine Unterhaltung nötig ist.

Am schlimmsten:
nicht im Sommer sterben,
wenn alles hell ist
und die Erde für Spaten leicht.

Ich hoffe, dass es bald zur Single auch ein Album gibt. Denn das, was mich mit dieser Band verbindet, ist nicht nur die Arbeit mit Verzweiflung gegen sie, sondern auch die Hoffnung auf mehr Sinnstiftendes in der Kunst. Die nämlich dient sich leider viel zu oft der Kurzweil, Ablenkung, Zerstreuung an. Ganz zu schweigen von den lauteren Leuten, den Verstiegenen, die auf theoretischer Ebene unnütz über Dinge diskutieren, die sie nie begriffen haben. (awk)

Format: 7"
Vertrieb: MOON RECORDS