Björn Fischer: Rock-O-Rama – Als die Deutschen kamen (Buch)

Um das westdeutsche Label Rock-O-Rama ranken sich seit jeher Mythen, Gerüchte und Rätsel. Das Buch „Als die Deutschen kamen“, möchte jetzt „Licht ins Dunkel“ bringen und nimmt im Titel dabei Bezug auf den legendär-berüchtigten Sampler des Labels „Die Deutschen kommen“ aus dem Jahre 1982. Wenn ich ehrlich bin, war dieser auch mein einziger Bezugspunkt auf Rock-O-Rama, denn das provokante Cover ist mir damals nach dem Mauerfall als erstens ins Auge gefallen, als ich im erstbesten Plattenladen in West-Berlin auf der Suche nach Platten von JOY DIVISION, BAUHAUS, THE POGUES etc. war, jedoch dort leider nicht fündig wurde. Wenn ich allerdings gewusst hätte, wie hoch inzwischen dieser Sampler gehandelt wird?! Entschuldigung, ich schweife gerade ab… Rock-O-Rama startete im Jahre 1980 als Label des geschäftstüchtigen Plattenladen-Betreibers Herbert Egoldt und setzte ganz auf die gerade laufende Punk-Welle in Deutschland. Den Anfangs dort veröffentlichten Bands wie die RAZORS, OHL, COTZBROCKEN, DER FLUCH oder CHAOS Z haftet seit dem immer noch ein Kult-Status an, obwohl die Qualität der Aufnahmen meist sehr schlecht und die Präsentation der Platten recht kontrovers wie lieblos war. Trotzdem (oder gerade deswegen) sind diese Original-Platten inzwischen gesuchte Raritäten und werden für stolze Preise verkauft. 1984 tauchten dann plötzlich im Label-Raster die BÖHSE ONKELZ auf und Rock-O-Rama eröffnete sich so mit der Skinhead/Oi-Szene ein neuer lukrativer Absatzmark. Bands wie SKREWDRIVER, ENDSTUFE, KAHLKOPF und STÖRKRAFT machten Rock-O-Rama letztendlich zum führenden Rechts-Rock-Label, sorgten für unglaubliche Umsätze, aber auch für eine Indizierungs- und Zensur-Welle, welche wiederum weitere Aufmerksamkeit generierte. Der meist als schmierig bezeichnete Herbert Egoldt agierte dabei immer sehr geschickt, übervorteilte die Bands zu seinem Gunsten und war kaum greifbar. Erst sein plötzlicher Tod (Herzinfarkt) 2005 lies das undurchsichtige Rock-O-Rama-Gebilde mit zig Unterlabels ins Trudeln kommen, wobei die völlig unklare Rechtslage (sic) seit dem Unmengen von Counterfeit- & Raub-Pressungen ermöglicht. Björn Fischer, seines Zeichens Drummer & Sänger bei diversen Punk-Bands, versucht nun auf rund 450 Seiten dieses dubiose Geflecht etwas zu entwirren, was ihm allerdings nur teilweise gelingt. Zu weit gehen da die Aussagen bzw. Erinnerungen ehemaliger Label-Bands auseinander und zu gut hatte sich Herbert Egoldt von der Öffentlichkeit abgeschirmt. Außerdem lässt der Autor einen Großteil der späteren Rechtsrock-Bands für eine Vollständigkeit im Buch außen vor und konzentriert sich hauptsächlichst auf die Punk-Phase bis Mitte der 80er Jahre. Dieser Umstand sorgte zum Beispiel bei vielen Amazon-Bewertungen für Unmut unter den Käufern, welche zwar durch ihren Erwerb das Buch schon zu mehreren Auflagen in kürzester Zeit und weit vorn im Bestseller-Ranking verholfen haben, aber diese dann enttäuscht waren. Der Name Rock-O-Rama zieht also immer noch in der rechten Szene, wie auch bei den Fans der inzwischen angeblich geläuterten BÖHSE ONKELZ. Diesen gemein-subversiven Ansatz von Björn Fischer finde ich deshalb eigentlich schon wieder ganz witzig, denn trotzdem ist das Buch sehr informativ, spannend und interessant. In dem dicken wie schweren Band im Quadrat-Format mit Lesebändchen werden alle Veröffentlichungen bis 1986 von Rock-O-Rama jeweils ausführlich beleuchtet, und dazu gibt es jede Menge O-Töne von Bandmitgliedern & Zeitgenossen + massig Bildmaterial. Des weiteren sind u.a. Kapitel über den ursprünglichen Plattenladen Rock-O-Rama, die Vertriebsstrukturen des Labels, den spektakulären Lizenz-Deal mit dem finnischen HC-Label Propaganda Records, die späteren Jahre nach der Wiedervereinigung und eine komplette Diskografie (inklusive der Unterlabels) im Buch zu finden. „Als die Deutschen kamen“ ist somit als ein äußerst lesenswertes musikgeschichtliches Standardwerk anzusehen, selbst wenn man keine Berührungspunkte zu der dort veröffentlichten Musik haben sollte. (Marco Fiebag)

Format: Buch
Vertrieb: Hirnkost
 

Stichworte:
, , , , , , , , , , , , , , ,