Neun Jahre mussten wir warten, um wieder ein neues Placebo-Album in den Händen halten zu können. 13 neue Lieder erklingen in einer knappen Stunde aus den Lautsprechern und eigentlich klingen sie wie ihre Ahnen zum Ende der 1990er. Aber der rockige Ansatz hat großzügig sphärischen Synthie-Klängen einen üppigen Platz am Tisch überlassen. Es ist ein überzeugendes großartiges Album geworden, dass keinen Fan des (mittlerweile) Duos vor den Kopf schlagen wird.
Es hat alles, was man an Placebo schätzt; auch die behandelten Themen sind nicht neu. Brian Molko und Stefan Olsdal haben es nicht verlernt die Stimmungen und Unzufriedenheiten des Daseins in eingängige und qualitativ hochwertige Klänge und Worte zu kleiden. Eigentlich erhält man sogar mehr als man erwartet hätte, nämlich ein sehr durchdachtes, sensibles stimmungsvolles Album. „Forever Chemicals“ macht gleich deutlich, wohin der Hase läuft. „Es ist so gut, wenn man sich über nichts einen Kopf machen muss und es ist so gut wenn das dann auch noch keinen interessiert.“ So besingt es Molko hier im ersten Stück. Der ewige Kampf mit den Substanzen, die man (Molko?) nehmen soll um sich in der Box zu halten, ist also noch immer nicht entschieden. Es folgt die erste Single-Auskopplung, „Beautiful James“, und dann letztendlich der einzige Hartrocker des Albums, „Hugz“. „Eine Umarmung ist auch nur ein Weg, um sein Gesicht zu verstecken“, heißt es hier. Das Lied tritt aus dem restlichen Fluss heraus, was gerade nach dem sehnsuchtsvollen „Beautiful James“ doch ein ziemlich großer Absatz ist. Mit „Happy Birthday In The Sky“, der zweiten Single-Auskopplung, kommt man dann wieder schnell ins alte Flussbett zurück und ist sich sicher auf solcherlei Stücke wie „Hugz“ verzichten zu können. Bei „The Prodigal“ tragen Streicher das Lied in einem schönen Mantel mit einer Mischung aus Schweben und doch dem Wunsch nicht abgeneigt zu sein, sich festhalten zu können. Die Arrangements der Geigen erinnern mich an Depeche Mode‘s „One Caress“ und dann zum Ende des Liedes greifen sie das Finale von Queen & David Bowies „Under Pressure“ (cause Love’s such an old fashioned word and….) auf. Ich will hier nicht an Zufall glauben, war Bowie doch für Brian Molko ein großes Vorbild und unter Druck stand er selbst sicherlich auch nicht selten. In „Chemtrails“ hat der Protagonist eine neue Insel gefunden auf der man verschwinden kann, weil man zu lange sichtbar war. Eine Auszeit und eine LINE (natürlich) lassen sich hier gut nehmen. Also alles beim Alten. Als Hörer genießt man die Linie der folgenden Lieder und ist sich bereits sicher, das Geld gut angelegt zu haben.
„This is what you wanted“ leitet dann das letzte Viertel ein. Das ruhige Piano und die Stimme vom Brian Molko sind eine schöne und behutsame Mischung, um den Hörer mit auf die Platte zu nehmen. Allerdings ist der Text auf Wut und Frust ausgerichtet und steht damit in starkem Kontrast zum klanglichen Korsett. Am Ende scheint die Gleichgültigkeit zu gewinnen. Aus meiner Sicht wäre das Lied passender für die Eröffnung des Albums gewesen. Wenn man bis hierhin vorgedrungen ist, ist man schon voll mit den lyrischen Feinheiten der Vorgängerstücke abgefüllt, so dass man diese letzte Etappe des Albums schon fast nicht mehr zu würdigen weiß. Zum Glück kann man beim Vinyl 3x aufstehen um die Platte(n) umzudrehen und sich dadurch kurze Pausen gönnen, um wieder ganz Ohr zu sein. „Went Missing“ scheint inhaltlich an das o.g. vorherige Lied anzuknüpfen. Es ist als würde der Protagonist nach seinem Ablassen aller inneren Wut, sich einfach aus der Gesellschaft zurückziehen. Wobei aber der Blick schon noch darauf gerichtet ist, ob es überhaupt jemand mitbekommt.
„Sagt mir nicht wie ich zu fühlen habe! Ich versuche auch nicht das Beste, was ich imstande bin zu tun.“ Fix yourself instead of someone else ist die letzte Aussage, die der Hörer beim letzten Stück ins Ohr gesäuselt bekommt, bevor er die Platte vom Teller nimmt oder wieder umdreht. Ich werde auf jeden Fall letzteres tun. (M.W.)
Format: MC / 2LP / CD |