MADRUGADA – Chimes At Midnight (CD / LP)

Die gefeierten Jubiläumskonzerte in 2019 anlässlich des 20-jährigen Debüt-Albums „Industrial Silence“ ließen dank einer augenscheinlich stimmungsvollen Bühnenperformance hoffen, das trotz fleißigem Solo-Veröffentlichungen S. Hoyems vielleicht nochmal was Richtung Hauptband geht. Die Band wurde ja seinerzeit nach dem tragischen Ableben des Gitarristen R.Buras (+2007) im Jahre 2008 mit letztem Studio-Album begraben. In jedem Fall waren diese Konzertabende zu 100 Prozent atmosphärisch und stimmig, absolut tighte Performance mit alten und zwangsweise neuen Musikern. Für die Band selbst schienen diese Abende ebenfalls Anstoß zu nehmen, dem Ganzen positiven Schwung in ein neues Studio-Album mit rüber zu transformieren. Somit wurde fleißig bis knapp ins Corona-Dilemma in L.A  bis zum Frühjahr 2020 alles fertig aufgenommen. Die bereits im Vorfeld veröffentlichten Clips waren ja echte Appetizer, dunkel schimmernde Halb-Balladen, wie man es schätzen und lieben gelernt hat, dazu perfekt auf diese ganz spezielle nordisch visuelle Art in Szene gesetzt. Was bringt diese Rückkehr-ein ruhiges,Altersmildes, sehr atmosphärisch wehmütiges und vor allem warmes Album. Die rockigen Ecken und Kanten, seinerzeit Input des verstorbenen Buras, tauchen auf dieser späten Rückkehr nicht auf, das vermindert die Dynamikkurve, gibt dem Album aber eine große, tiefe Ebene, in die es gilt einzutauchen. Fühlte man sich auf den frühen Werken manchmal durch diese krachigen Momente eher aus dem „Blue Hour Moment“ herausgerissen, so sitzt man jetzt durchgehend am Steuer und fährt sanft gefedert durch die Sounds dem Polarlicht entgegen. Hoyem reflektiert, sinniert, sehnt und schmachtet wie eh und je in seiner ganz eigenen Vita, Vocals zwischen Nick Cave, Chris Isaak, Jim Morrison, Mark Lanegan, unterstützt von wunderschön voluminösen Dark Cosmic Americana Rock. Ich muss ein ums Andere Mal an die großen Zeiten der Grant Lee Buffalo denken (Running from the Love of your Life“ oder „Empire Blues“), die auch diese weiten Arrangements hatten und ihren Alternative-Country-Rock dadurch auf einem ganz anderen Weite erzeugenden Cinematik-Level zelebrierten. Wunderschön angedunkelte skandinavische Slo-Motion Pop-Songs, die komplett entschleunigt, getragen vom einlullenden, leidenden Gesangs Hoyem´s, diese berühmte melancholische Wide Screen Panorama bedient (Stabat Mater). Experimente bleiben draußen, alles ist im Fluss, die Stimme thront und trägt das Album, die Band legt den Teppich, ein permanenter Ritt in den Sonnenuntergang (z.B. „Imagination“) sehr amerikanisch angehaucht, definitiv. Sollte ursprünglich mehr Elektronik lt. Produzent K. Ratterman in dieses Album verpackt werden, blieb das schlußendlich dankenswerterweise aus, man weiß einfach wann die richtige Portion Hall auf Stimme und Gitarre die nötigen effektvollen Tiefen-Momente erzeugt und derlei Gimmicks gibts Zuhauf und setzen viele wichtige, feine atmosphärische Ausrufezeichen. „Dreams at Midnight“ oder „Call my Name“ rocken sehr mainstreamig durch den Äther, da lässt sich der Road-Movie Effekt nicht leugnen, den das große weite Land hinterlässt. Am Ende muß man sich nicht im Detail verlieren, die Stimme, der Sound sind seit Bestehen der Band absolut on Top, diese Rückkehr hier ist wie eine warme Decke, die Clips dazu eine tiefe atmosphärische Verbeugung, dem Wissen ums Älterwerden, der Schönheit des Moments weit draußen im Nirgendwo, der Kraft/Zerstörungskraft der Liebe und dem Loslassen müssen. Die wundervollen Herzschmerz-Lyrics, die poppigen, aber immer atmosphärisch tiefen Arrangements ergeben ein liebevolles, insgesamt sehr ruhiges Rückkehrer-Album der Norweger, welches viele neue und alte Fans glücklich machen wird und immer das Licht am Ende des Tunnels nie aus den Augen verliert.

(R.Bärs)

Format: CD / LP