Eigentlich ist die am 30. April 1966 von Anton LaVey in San Francisco gegründete Church of Satan eine unmögliche Organisation. Sie buhlt nicht um Mitglieder und wächst doch konstant. Sie ist eine Kirche, ohne dass sie ein typisches Gemeindeleben mit regelmäßigen Zusammenkünften hätte. Und sie ist die weltweit langlebigste dem Satan geweihte Organisation, obwohl niemand in ihr eigentlich an die tatsächliche Existenz des Leibhaftigen glaubt. Nun hat Blanche Barton, die letzte Lebensgefährtin von LaVey und viele Jahre Hohepriesterin der CoS, ihre 1990 erschienene History of the Church of Satan in einer überarbeiteten und stark erweiterten Fassung neu veröffentlicht. Entstanden ist dabei ein Buch, das nicht nur die Geschichte jener unmöglichen Organisation erzählt, sondern zudem einen konzisen Abriss der ihr zugrundeliegenden Weltanschauung liefert.Zum Auftakt ihres Buches wirft Barton einen Blick auf die historischen Wurzeln der Church of Satan, zu denen sie die Hellfire Clubs des 18. Jahrhunderts ebenso zählt wie die Nachtseite der Romantik und klassische Horrorautoren wie H. P. Lovecraft Zudem liefert Barton eine biographische Skizze des jungen Anton LaVey (die deutsche Übersetzung ihrer umfangreichen LaVey-Biographie ist unter dem Titel Die Satanischen Bekenntnisse des Anton Szandor LaVey im Index-Verlag erschienen). Anschließend zeichnet Barton den wechselvollen Entwicklungsweg nach, den die CoS nach ihrer Gründung genommen hat: das rasche Wachstum unter den Augen einer neugierigen, Skandale witternden Öffentlichkeit, die organisatorischen Umstrukturierungen während der frühen 1970er Jahre sowie die vor allem in Talkshows geschlagenen Schlachten zur Verteidigung des Satanismus gegen christliche Fundamentalisten während der sogenannten Satanic Panic zwischen 1984 und 1992.
Eine Zäsur für die Church bedeutete der Tod von Anton LaVey im Jahr 1997. Ungeschminkt schildert Barton den schmutzigen Krieg, den sie gegen LaVeys Töchter um sein Erbe führen musste und der dazu führte, dass die CoS nach über dreißig Jahren ihr Hauptquartier, das legendäre Black House in San Francisco, verlor. Aber der Tod des Gründers zog nicht auch zum Tod seiner Organisation nach sich, im Gegenteil: nach der Jahrtausendwende übertrug Blanche Barton die Leitung der Church of Satan in die Hände des Komponisten Peter H. Gilmore und seiner Frau Peggy Nadramia. Beide waren langjährige Weggefährten LaVeys und in führenden Positionen innerhalb der CoS aktiv. Mit dem neuen Führungsduo wanderte der Sitz der CoS nach New York, und mit dem Internet eroberte sich die einzige Kirche des Satans ein neues Betätigungsfeld. Die Geschichte der CoS im 21. Jahrhundert wird in We are Satanists zum ersten Mal umfassend dargestellt.
Zum Abschluss des ausführenden Teils übergibt Barton das Wort an die Mitglieder der CoS: so beschreiben sie u.a. ihren Weg zum Satanismus, ihre Beziehung zur CoS und die Bedeutung der Philosophie LaVeys für ihren persönlichen Lebensweg. Für einen umfangreichen Anhang hat Blanche Barton tief in die Archive gegriffen: neben einem ausführlichen Interview mit Peggy Nadramia finden sich dort lange nicht greifbare Artikel aus dem First Church of Satan Newsletter, interne Dokumente, die Transkription eines Seminars mit LaVey aus dem Jahr 1966 sowie ein leider recht bescheiden ausgefallener Bildteil.
Blanche Barton gehört bis heute dem Council of Nine an, dem zentralen Leitungsgremium der CoS. Daher kann man von ihr kaum eine objektive, kritisch distanzierte Herangehensweise an ihren Gegenstand erwarten. Dafür merkt jeder Zeile des Buchs die Liebe an, die Blanche Barton für die Church of Satan empfindet und den besonderen Respekt, den sie ihren Mitgliedern entgegenbringt. Bleibt zu hoffen, dass dieses Standardwerk bald auch einen deutschen Verlag findet. ( M.Boss )
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