KALTFRONT waren 1987 die erste Punk-Band, welche ich Live erleben durfte und natürlich war dies für mich ein äußerst prägendes Ereignis in meinem damals noch jungem Leben. Seitdem bin ich der Dresdner Band stets treu geblieben. Selbst als sich die Band 1990 gleichzeitig mit der DDR auflöste, lebten KALTFRONT durch ihre vielfach kopierten Kassetten immer weiter. 2004 dann endlich die langersehnte Wiederauferstehung, welche auch einher ging mit diversen Veröffentlichungen der legendären Tapes auf CD und Vinyl, sowie Neueinspielungen der alten Titel + neuen Songs. Die Alben „Zwischen allen Fronten“ und „Wenn es dunkel wird“ waren daher ein Mix aus alt und neu, was KALTFRONT-Neulingen kaum aufgefallen sein dürfte, da die alten Texte immer noch Relevanz haben und absolut zeitlos sind. Das aktuelle Album „Spiegel“ bietet jetzt bis auf eine Ausnahme nur brandneue Songs, lässt dezent neue musikalische Einflüsse zu und klingt trotzdem am Ende 100% nach KALTFRONT! Einerseits fußt die aktuelle Frische auf der sehr guten Aufnahme & Produktion des Albums in den analogen Castle Studios von Arno Jordan und andererseits durch die perfekte Gitarren-Arbeit von Willi Löffler, dem Sohn von KALTFRONT-Urgestein und -Bassist Jörg Löffler. Jener ist ja schon seit „Wenn es dunkel wird“ mit an Bord, aber jetzt auf „Spiegel“ dominiert seine Handschrift und gibt der alten KALTFRONT-Brise richtiggehend neuen scharf-klirrenden Wind. Unter den 9 neuen Songs sind jetzt erstmals drei mit aktuellen politischen-gesellschaftlichen Bezügen, wobei KALTFRONT es immer noch schaffen, ohne direkten bzw. plakativen Zeigefinger auszukommen. “Was glaubst Du?“, “Zurück in Dein Grab“ und „Ein dreckiger Schleier“ nehmen sich ungewohnt offen der Querdenker-, AFD- und PEGIDA-Thematik an, sind dabei textlich aber eher desillusioniert neutral spiegelnd von der Seite, musikalisch jedoch sehr aggressiv-wütend angelegt. Originell übrigens bei Letzteren die Hommage in der Hookline an die FEHLFARBEN. Selbst wenn dann bei den restlichen Songs einige bekannte Textbausteine von KALTFRONT auftauchen, klingt das Album neu, rund und wie aus einem Guss. Abgeschlossen wird „Spiegel“ durch den Klassiker „Nachts in den Straßen“, einer ewig gültigen Depro-Punk-Hymne, die mich schon seit 1987 begleitet und mir immer noch eine Gänsehaut beschert. Dieser „Spiegel“ ist deshalb ganz weit vorne in meinen Top 10 für 2021! (Marco Fiebag)
Format: LP/CD |
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