Über eine Marianne Faithfull groß einleitende Worte zu verlieren, erübrigt sich bei dieser ehrwürdigen Ikone der 60er Jahre, die inzwischen zwar gesundheitlich sehr angeschlagen (aktuell erholt sie sich von einer Covid-19-Infektion), aber musikalisch immer noch rege aktiv ist. Wer bei ihren Alben der letzten Jahren genauer auf die Liner-Notes hingeschaut hat, dem dürften dort sehr bescheiden aufgeführt, einige recht bekannte Namen wie Nick Cave, Warren Ellis und Brian Eno aufgefallen sein. Eben jene sind jetzt zusammen wieder auf ihrem aktuellen Werk „She Walks In Beauty“ für den ambienten Hintergrundsound verantwortlich, welcher für die dezente Untermalung eines lang gehegten Wunsches von Marianne Faithfull dient. Seit vielen Jahren nämlich trug sich schon die alte Lady mit einem Projekt der Verbindung von Musik mit Lyrik romantischer Dichter und auch wenn es auf diversen Alben der Vergangenheit einige kurze Ausflüge in diese Richtung gab, ist jetzt erst „She Walks In Beauty“ das lang ersehnte komplette Konzept-Werk zur Poesie der englischen Romantik. Mit einer von ihrem wechselhaften Leben gezeichneten brüchigen Stimme rezitiert Marianne Faithfull hier insgesamt 11 Gedichte von Lord Byron, Thomas Hood, John Keats, Percy Bysshe Shelly, Williams Wordsworth und Lord Alfred Tennyson über einen unaufdringlich-weichen Klangteppich, der sich erst bei mehrmaligen hören so richtig erschließt und letztendlich in Verbindung mit ihrer rauchigen Stimme eine regelrecht Sogwirkung erzeugt. Meiner Meinung nach macht gerade der Kontrast ihrer rauen Stimme zur lieblich-zärtlichen Untermalung den besonderen Reiz von „She Walks In Beauty“ aus und ebenso die Tatsache, dass sich hier Größen wie Nick Cave oder Brian Eno so völlig zurücknehmen bzw. unterordnen! Die Vinyl-Ausgabe, wie auch die CD-Version sind beide sehr hochwertig aufgemacht und neben den Texten noch mit zahlreichen Wasserfarben-Bildern ihres langjährigen Freundes Colin Self illustriert. Wer jetzt Gefallen an diesem wirklich spannenden Lyrik-Musik-Konzept gefunden haben sollte, dem möchte ich bei dieser Gelegenheit gleich die ähnlich gelagerte Kollaboration von Jeanne Moreau mit Etienne Daho über Jean Genet namens „La Condamne A Mort“ empfehlen, welche damals vor rund 10 Jahren allerdings über Frankreich hinaus leider kaum Beachtung fand. (Marco Fiebag)
Format: 2LP/CD |
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