Ô PARADIS – Liquido (CD)

In einem schicken Digifile in überraschend hellen, klaren und irgendwie „modern“ wirkenden Farben liegt das neue Album von Ô PARADIS vor. Eine Frau am Strand ziert das Cover. Wirkt zunächst alles sehr hübsch – aber ist das um ihren Arm da etwa eine Schlange?Düsterer und schleppender als erwartet beginnt „Liquido“ mit „Sant Felip Neri“ und man könnte sich durchaus vorstellen, dass hier nicht nur Trommeln geschlagen werden; ein wahrlich ziemlich düsteres Intro, das womöglich die im Label-Info „tiefgreifende Veränderung“ andeutet. Und es bleibt tief, der Rhythmus schwerer als sonst, auch wenn dann im zweiten Lied DEMIANs Stimme und die Violine von ALOMA RUIZ BOADA erklingen. Nachdenklicher Gesang und klagende Klänge, wie sie wohl nur von Geigen hervorgebracht werden können, in der Tat macht sich hier die von DEMIAN auch im aktuellen Interview erwähnte, leidenschaftliche und kämpferische Stimmung breit. Es bleibt aber natürlich (?) und glücklicherweise Ô PARADIS und man versinkt nicht in Melancholie, die „Beats“, der wie so oft prägende Rhythmus, werden auch wieder ein wenig flotter sowie DEMIANs Stimme ein wenig heller, es bleiben jedoch noisige Hintergrundloops, die den Rhythmus mitprägen und das Ganze klingt für mich doch etwas „martialisch“, wenn auch mehr nach martial hip hop als nach military pop, um mich auch hier etwas auf die Wortwahl der Label-Info zu beziehen. Als vierter Titel erklingt dann der Titeltrack „Liquido“, zunächst fast leicht und elektronisch, doch dann muss sich der Gesang durch einen ziemlich dichten, wenn auch rhythmischen Noise-Wall kämpfen, was ihm allerdings mit Bravour gelingt – und auch hier wird er von der traurig, aber nicht deprimiert klingenden Geige unterstützt. Es mag nach Schießpulver riechen und klingen, aber die menschliche Stimme, die menschliche Stimmung bleibt spürbar. (Und ja, einmal mehr bedaure ich, so wenig Spanisch zu verstehen…) Nach dem erneut eher „klassisch“ klingenden „Las cajas de cartón“ und dem experimentellen „Lord Henry Wotton“, welches reich an Samples ist, nimmt uns DEMIAN auf „Inerte“ und „Alicia“ mit in die geschätzten musikalischen Sphären seines musikalischen Projekts, wobei das „mediterrane Flair“ spürbar rauer, die tendenzielle Traurigkeit der Musik konkreter und beständiger, zäher geworden zu sein scheint. Bei „Mundo sin mundos“ wird es wieder experimenteller, die Rhythmik vertrackter und die Stimme erklingt zum Teil im Chor, was die mysteriöse Stimmung noch verstärkt. Zum Abschluss, in dem wirklich sehr schönen „La estata del niño estudiante“ ist dann alles Noisige und Martialische verschwunden, allerdings auch DEMIANs Stimme. Es bleibt der Rhythmus, eine feine Melodie und eine starke Geige.

Ich kenne womöglich nicht alle Alben von Ô Paradis und habe garantiert nicht alle mental präsent, aber dies ist sicherlich eines der stärksten, wenn nicht sogar das beste. Keine musikalische Kehrtwende, eine spür- und sehr nachvollziehbare Weiterentwicklung, rau, und wie problematisch der Begriff auch sein mag, authentisch. Anspieltipps „Liquido“ und das letzte Stück, am besten aber sowieso als Ganzes zu erleben und genießen!  (flake777)

Format: CD
Vertrieb: Dark Vinyl
Mailorder: Going Underground
 

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