Als Alexander Kühne vor rund vier Jahren seinen Roman-Debüt „Düsterbusch City Lights“ veröffentlichte, gelang ihm ein richtiger Überraschungserfolg. Das Buch war sehr autobiografisch geprägt und handelte von seiner „unruhevollen Jugend“ in der DDR, wo er einer der Macher in der kulturellen Underground-Szene war. Das er dies jedoch nicht in einer der großen Metropolen des kleinen Landes war, sondern in der tiefsten Provinz bzw. in Lugau im Niemandsland von Brandenburg agierte, verschaffte ihm einen zusätzlichen exotischen Bonus. Lugau (Düsterbusch) und sein Jugendclub EXTREM wurde in den 80er Jahren zu einer republikweit bekannten Adresse für Konzerte der unangepassten Jugend, wie der später unter dem Banner „die anderen Bands“ firmierenden Musiker. Natürlich hangelte sich das Ganze stetig am Rande der Legalität im real existierenden Sozialismus entlang, aber das ist ja gerade der Stoff, aus dem Legenden entstehen und Alexander Kühne & sein Team waren so eine in der DDR. Er verschaffte Bands jenseits aller Genregrenzen eine Bühne, Hauptsache diese waren originell und irgendwie anders. „Düsterbusch City Lights“ erzählte dann diese spannende Geschichte, allerdings wurden Namen und Bands mit Pseudonymen versehen, die Zeitzeugen und Kenner der Szene jedoch leicht entschlüsseln können. Der Schreibstil von Alexander Kühne war dabei leicht und flüssig, ja nahezu lässig und er tappte nie in die billige Rolle der Verklärung (Ostalgie). Gerade dadurch wurde „Düsterbusch City Lights“ zu einem spannenden Sittenbild der letzten Jahre in der DDR, welches authentischer wie gleichzeitig unbeschwerter, lustiger und tragischer zu gleich nicht sein könnte. Passenderweise zum 30jährigen Jubiläum der Wiedervereinigung schließt jetzt die Fortsetzung genau zum „Mauerfall“ nahtlos an und Alexander Kühne bzw. sein Alter Ego Anton Kummer schlittert völlig unvorbereitet, aber voll motiviert in ein vermeintlich neues und besseres Leben. Das dem dann ja nicht so war, hat inzwischen die Zeit bewiesen und wie schon bei „Düsterbuch City Lights“ schafft es Alexander Kühne wieder ganz unverkrampft die Atmosphäre des sogenannten „Jahr der Anarchie“ in der Übergangszeit von DDR zur BRD einzufangen. Diesmal wird die Geschichte im Gegensatz zum eigentlichen Werdegang des Autor allerdings deutlich fiktiver, wenn auch trotzdem noch genügend biografische Begebenheiten mit einfließen. So stolpert Anton Kummer ebenso wie Alexander Kühne in ein Konzert der damals noch unbekannten NIRVANA, welche als Vorband von TAD in Berlin spielten oder empfindet (ähnlich wie ich selbst) Ekel beim Anstehen nach dem „Begrüßungsgeld“, welches dann natürlich sofort für die langersehnten Schallplatten wieder ausgegeben wird. Außerdem erkennt er relativ schnell die musikalischen Zeichen der Zeit bzw. sieht im Techno die Zukunft der Musik und organisiert wenig später gleich den ersten Rave in einem ehemaligen Raketensilo in Lugau/Düsterbusch. Ich will hier ja weiter nicht zu viel verraten, aber seine Schilderung der Versuche in der neuen veränderten Arbeitsgesellschaft Fuß zu fassen, sein Scheitern, die Rückkehr nach Düsterbusch, die Suche nach Liebe, sein gestörtes Verhältnis zum Vater oder erste Konfrontationen mit den inzwischen erstarkten Skinheads/Neo Nazis sind kurzweilig wie köstlich zu lesen und zeugen von einem Wissen, welches nur einer haben kann, der wirklich damals dabei war und dieses am eigenen Leib erfahren hat! Deshalb ist „Kummer im Westen“ auch ein sehr wichtiger Beitrag zu 30 Jahre Wiedervereinigung und sollte eigentlich zur Pflichtschullektüre werden, wie es seiner Zeit „Käutzchenkuhle“ oder „Die Abenteuer des Werner Holt“ waren. Roman des Jahres – mindestens! (Marco Fiebag)
Format: BUCH |
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