Erst kürzlich gab es im Analog-Forum eine unterhaltsame Wortmeldung eines älteren Klassik-Freundes, der sich auf Grund des aktuellen medialen Hypes um die sogenannte Neue Klassik mal bei Olafur Arnalds, Johann Johannsson, Nils Frahm und Max Richter rein gehört hat und dabei völlig empört festgestellte, dass dies doch alles nur ganz einfache und verlangsamte Töne wären! In gewisser Weise hatte er damit ja auch recht, nur erzeugen eben gerade diese repetitiven wie minimalen Tonabfolgen der „Neuen Meister“ beim geneigten Hörer wundervoll-melodische und vor allem atmosphärische Klangbilder zum hinweg träumen aus diese aktuell so hektischen Welt. Max Richter ist darin ein wahrer Meister und er war auch mit einer der Ersten, die diese Form der Neo Classical populär gemacht haben. Unerreicht bisher sein Opus Magnum „Sleep“, der mit einer Laufzeit von 8,5 Stunden mich seit einigen Jahren stetig in einen angenehmen Schlaf dämmern lässt und den es bald auch als Kino-Doku zu erleben gibt. Sein aktuelles Album „Voices“ hat zumindest instrumental einen ähnlichen Ansatz und wie in einer endlos-melancholischen Zeitlupe schichten sich darauf moll- wie basslastig Klavier, Streicher und Chorstimmen an- und abschwellend immer weiter in die Höhe. Der letzte Track „Mercy“ trägt dann mit seiner schluchzenden Solo-Violine von Mari Samuelsen zwar fast schon etwas zu dick auf und schrammt knapp am Kitsch vorbei, aber vorbei ist letztendlich eben doch zum Glück noch vorbei. Der Einsatz von Stimme ist dagegen bei Max Richter eher selten, aber wie der Titel des Albums es ja schon sagt, gibt es diese auf „Voices“ satt! Thematisch dreht sich hier alles um die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“, für die Max Richter weltweit bei seinen Fans um einen Vortrag in der jeweiligen Landessprache aufgerufen hatte und dann Hunderte Aufnahmen in über 70 verschiedenen Sprachen erhielt und davon rund 30 für das Album verwendet hat. Diese stehen mal alleine im Vordergrund, werden jedoch meist vermischt bzw. regelrecht zu ätherischen Stimmcollagen verwoben. Wem das jedoch nerven sollte und den hypnotischen fließenden Sound von Max Richter lieber pur genießen möchte, hat zumindest bei der Doppel-CD-Ausgabe die Möglichkeit, denn auf der zweiten Disk ist das Album im „Voiceless Mix“ zu hören. Ich persönlich finde ja, das wir Menschen auf diesem Planeten gar keine Rechte haben und diese Proklamation als absolut verlogen, zumal diese ja auf Betreiben der Amerikaner nach dem 2. Weltkrieg fußt, um letztendlich ihre kapitalistischen Interessen getarnt unter dem Deckmantel der Demokratie zu betreiben! Leicht tendenziell bevorzuge ich deshalb den „Voiceless Mix“, welcher leider bei der Vinyl-Ausgabe nicht enthalten ist, ich aber Max Richter sowieso lieber im CD-Format höre. Wenn man mal meine rein subjektive Meinung zu den Menschenrechten ausblendet, ist „Voices“ ein weiterer großartiger melancholischer Höhepunkt im Schaffen von Max Richter geworden, der trotzdem Hoffnung und Zuversicht ausstrahlt! Als nächstes steht bei Max Richter eine Wiederveröffentlichung seines ersten Soundtracks für den preisgekrönten Film „Walz With Bashir“ bei der Deutschen Grammophon in den Startlöchern und wird hier auf dieser Seite eventuell auch noch seine Würdigung erfahren. (Marco Fiebag)
Format: 2LP/2CD |
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