Diese norwegische Künstlerin war mir bisher tatsächlich noch nicht bekannt und die Dame hat auch keine Scheu, wenn es um ganz große Themen in der Musikwelt ging. Auf ihrer Platte „Go Dig My Grave“ forschte sie in der Musikhistorie herum und hat wichtige amerikanische Tracks und alte englische Stücke mit barocken Instrumenten und ihrer unverwechselbaren Stimme eingespielt. Fügt man noch SUSANNAS eigene Kreationen dazu, klang es wie eine Prise HENRY PURCELL mit LOU REED gewürzt und machte die hohe Komplexität der künstlerischen Ausdrucksform von SUSANNA sehr erkennbar. Die neue Platte nun handelt von keinem geringeren als dem französischen Dichter Charles Baudelaire, der Zeit seines Lebens stets gegen die Behörden gewettert hatte und in der Literaturgeschichte als „Enfant Terrible“ einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte. Wie würde er nun die heutigen Zeiten beurteilen, was durchaus als spannend zu erwarten wäre? Seine Gedichte, die auch schon mal ins Fantastische abdriften und von gruseligen, sinnlichen, fieberhaften durchzogen sind, wurden schon oft vertont, während sein gnadenloser Lebensstil auch schon Musiker wie THE DOORS, BOB DYLAN, SCOTT WALKER beeinflußt hatte. Nun greift auch die Sängerin und Komponistin SUSANNA die schwierig, dekadenten Verse des Dichters auf und setzt sie als Basis ihrer Veröffentlichung ein. Die Sounds von SUSANNA WALLUMROD erinnern mich meistens an die Folk Schwestern im Geiste JONI MITCHELL und JUDY COLLINS oder auch an STINA NORDENSTAM, KATE BUSH und TORI AMOS. Das hatte ich bei den älteren Cover-Tracks der CD „Flower of Evil“ u.a. von LOU REED mit „Vicious“ oder von HARRY NILSSON mit „Without you“ sowie SANDY DENNY mit „Who knows where the Time goes“ auch schon im Gefühl, diese typisch skandinavische Dunkelheit gepaart mit den grandiosen Kompositionen und ihrer faszinierenden Stimme, diese verwunschene, tief gehende, teils mystische Klangwelt von SUSANNA ist schon einzigartig. Zudem gibt es noch Cover-Songs mit dem Magical Orchestra zusammen von DEPECHE MODE mit „Enjoy the Silence“, LEONHARD COHEN mit „Hallelujah“ und „Love will Tear us Apart“ von JOY DIVISION. Und schon beim Vorgänger “ Garden of Earthly Delights“ aus 2019 hatte SUSANNA das gelungene Werk einen verstorbenen Künstler interpretiert, das des holländischen Renaissance Malers Hieronymus Bosch. Die neue CD mit 10 Stücken, die im Stockholmer Atlantis Studio aufgenommen wurde, entstand in reiner Abgeschiedenheit, alles wirkt arg reduziert, sowie fragil, sphärisch und wird als eine Art Night-Song Repertoire präsentiert. Allein die ausdrucksstarke Stimme, begleitet durch geisterhafte Klavierpassagen, klingt vollkommen durch und könnte den geneigten Hörer wahres Kopfkino vermitteln. Und gerade die Zurücknahme von Opulenz gibt den Gedichten von Baudelaire die nötige Ruhe und den Raum, sich vollends zu entfalten. Diese intime Atmosphäre spiegelt sich in der ganzen Nacktheit der Sounds ohne große Extras perfekt wieder, da reicht das Klavier mit den Gedichten des Künstlers, weil von ihnen außerordentlich viel Gefühl ausgeht. Wie auch in den Werken des Franzosen, geht es auch in den Songs der Norwegerin um die Grenzen des Verlangens und darum, das unsere Existenz auf der einen Seite als ein Wunder, aber auch genauso gut als eine absolute Sinnlosigkeit dargestellt werden kann. Die 10 Texte die SUSANNA aus Baudelaires Werk „Les Fleurs du Mal“ herausgearbeitet hat, zeigen sein komplettes Spektrum auf und bringen sogesehen den Inhalt des Dichterwerks absolut vollkommen zum Ausdruck. Die leisen Töne umschlingen auf eine elegisch schöne Art die Worte des Dichters, so das man auf eine wahre, klare und wunderschöne Veröffentlichng mit einer atembraubenden Stimme trifft. Großer Tip für eigentlich jeden Musikliebhaber. Das hier ist große Kunst.
(S.Erichsen)
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