Das kautzige Low-Fi-Black Metal Projekt PAYSAGE D´HIVER (französisch für Winterlandschaft) aus der Schweiz, steht seit bald zwanzig Jahren für einen ganz eigenen, mysteriösen Krachminimalismus. Das Ein-Mann-Projekt ist das zweite Standbein von Wintherr, der mit seiner Weltraum-BM-Combo DARKSPACE absolut Kultstatus inne hat, wenn es um die einsame Vertonung der unheimlichen Welten des All geht, während es konzeptionell bei seinem Soloprojekt um die musikalische Interpretation des Winterthemas und Einsamkeit geht.Auf seinen kultisch verehrten Demos „Das Tor (2013“), „Einsamkeit (2007“) oder der Split mit LUNAR AURORA (2004) aber auch allen anderen Vorgängerplatten steht die ewige Marschrichtung bereits fest: Heulender Wind, romantische Winterszenerie und zum Teil unheimliche Dark Ambiente-Klänge vertonen die nächtliche Spaziergänge durch schneebedeckte Wälder und sind konzeptionelles Markenzeichen. Und tatsächlich: Jedes Stück wird mit Windrauschen beginnen und ebenfalls damit enden. Chapeau für diese atmosphärische Kompromisslosigkeit!
In den letzten Jahren hat sich im Untergrund ein regelrechter Hype um Wintherr und seine Musik etabliert, was zur Folge hatte, dass die eigens vertriebenen Demo-CDS zu horrenden Preisen auf discogs oder ähnlichen Sammlerbörsen zu finden waren.
So hat sich sich SPKR Media, die einen Großteil des Prophecy Label-Backkatalogs vertreiben, dazu entschlossen die Musik PAYSAGE D´HIVER in weiteren Limitierungen einer breiteren Hörerschaft zugänglich zu machen – besonders die schicken A5-CD-Media-Books sind hier ein ganz besonderes Format physischer Tonträger, dass man sich im heimischen Regal eigentlich öfter wünscht. In der Vergangenheit waren Fans auf Grund der extremst limitierten Kleinstauflagen gezwungen, die Musik von Wintherr ausschließlich via Bandcamp-Streams oder YouTube zu genießen.
Auf seinem ersten Debütalbum „Im Wald“, welches gleichzeitig ein Doppelalbum ist und mit monumentaler Spiellänge von 120 Minuten daher kommt, führt Wintherr seine Abstraktion von Black Metal zur gegenwärtigen Perfektion, was auch an der druckvollen Produktion liegt, die die kargen BM-Hymnen letzten Endes veredeln, auch wenn der scheppernde Drumcomputer-Sound noch immer irgendwie zum Gesamtbild dazugehört. Auch ausladende Songstrukturen von zwanzig Minuten findet man auf „Im Wald“ nicht mehr, dennoch dauern die Stücke im Schnitt zehn Minuten und sollten in absoluter Dunkelheit, mit Kopfhörern und einer „passenden Grundstimmung“ genossen werden. Dann entfaltet die Musik von PAYSAGE D´HIVER seine ganze Magie: Hypnotisch, magisch, mysteriös und rasende Trance führen zur absoluten Erfüllung, wenn man sich während des Hörens die stimmungsvollen Artworks im Booklet zu den jeweiligen Stücken zu Gemüte führt. Einzelne Stücke herauszugreifen erscheint an dieser Stelle zwecklos, ist der einzusetzende Gesamtrausch am Besten in voller Länge zu empfehlen.
Für viele Metalfans wird der minimalistische Krach möglicherweise eine Zumutung sein. Beschäftigt man sich aber mit ähnlich-gearteten Projekten wie VELVET CACCOON, XASTHUR, NOCTERNITY, DROWNING THE LIGHT oder NOCTURNAL DEPRESSION kommt man dem Klangbild dieser eigenbrödlerischen Szene sehr nahe. Wobei die Vergleiche vielleicht tatsächlich untergeordnet werden müssen, denn für viele „Kenner“ wird „Im Wald“ in diesem Jahr ganz oben auf der Jahresbestenliste stehen. In Kombination mit den Dark Ambient-Klängen, den melodisch verzweifelten Gitarren und dem durchgezogenen Gesamtkonzept bietet PAYSAGE D´HIVER eigentlich alles, wenn man sich für 120 Minuten von der irdischen Welt verabschieden möchte und durch finsterste Dunkelheit waten möchte, die gleichzeitig so viel Heilung versprechen mag – sofern man bereit ist, sich darauf einzulassen. Für Nebenbei-Konsum ist diese Musik definitiv nicht geeignet. Vertones Leid kann so prächtig sein. Ersehnt werden klirrende Temperaturen und Eiszapfen an den Häuserdächern und natürlich ein einsames Wochenende „Im Wald.“
(Dimitrios Charistes)
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