YANN TIERSEN – Portrait (MC/3LP/2CD)

Seit Jahren versucht nun schon Yann Tiersen dem Fluch des Erfolges seines Soundtracks für „Die fabelhafte Welt der Amelie“ zu entkommen und letztendlich zog es ihn fort aus dem Moloch Paris, hin in die bretonische Einöde, genauer gesagt auf die kleine Küsten-Insel Quessant. Gerade seine letzten zwei Alben „Eusa“ und „All“ standen mit ihrem minimalistisch kargen Sound und mystischen Atmosphären für das raue Klima auf der Insel und somit ganz weit weg von der klischeehaft-unbeschwerten Paris-Melancholie seines berühmten Soundtracks, der übrigens in großen Teilen aus Songs seiner ersten Alben bestand, welche dafür aus dem ursprünglichen Rahmen gerissen und in einen völlig anderen Kontext gestellt wurden. Dieser Umstand ärgerte Yann Tiersen schon sehr lange, weshalb er diese Songs sogar nicht mehr Live gespielt hat und dafür auch angefeindet wurde. Paradoxerweise ist er aber gerade durch die „Amelie“-Tantiemen finanziell unabhängig und kann sich so sein Einsiedler-Leben leisten, wie auch genau die Musik, die er wirklich machen will. Für „Portrait“ geht er jetzt sogar so weit, 25 alte wie noch relativ frische Songs in seinem Eskal-Studio (eine ehemaligen Discothek auf Quessant) neu einzuspielen und diesmal sogar komplett analog aufzunehmen bzw. zu mischen. Diese Rerecordings sollen so den aktuellen Live-Charakter der Songs einfangen und irgendwie auch eine Neudeutung seiner Vergangenheit sein. Nicht umsonst spendiert sein Label Mute dafür ein aufwendiges 3fach LP-Set und ausnahmsweise sogar eine Magnettonband-Ausgabe! Zudem hat er sich für dieses Projekt eine Reihe von Gastmusikern um sich geschart und neben Mitgliedern seiner Live-Band sind hier Stephen O’Malley von SUNN O))), Gruff Rhys von den SUPER FURRY ANIMALS, John Grant und BLONDE REDHEAD beteiligt. Insbesondere die typischen Dröhn-Sounds von Stephen O’Malley harmonieren überraschend gut mit den spröden Kompositionen Tiersens und man höre nur als Beispiel „Prad“, wo sich statt des erwarteten Schifferklaviers unheilvoll Gitarren-Drones reinschieben. Wunderschön auch der elfenhafte Feen-Gesang von seiner Gattin Emilie, die traurigen Klavier-Melodien sowieso und natürlich das dezente Bandrauschen, welches alle Songs so herrlich warm untermalt. „Portrait“ ist somit keine schnöde Best Of oder Greatest Hits, sondern eher eine eigenwillige Werkschau, welche wunderbar auch als neues Album durchgehen kann! Der Vinyl-Ausgabe mit dem Artwork im Stile einer „Senkel-Kassette“ für die analoge Bandmaschine liegt übrigens zusätzlich eine Bonus-Single mit exklusiven Cembalo-Versionen von zwei Songs des „Amelie“-Soundtracks bei und das Set ist wahlweise im clear oder schwarzen „Gold“ erhältlich. (Marco Fiebag)

Format: MC/3LP/2CD
Vertrieb: Mute / PIAS
 

Stichworte:
, , , , , , , , ,