Nach vielen Irrungen und Wirrungen finden der Bildhauer Arno Breker und seine aus Griechenland stammende Ehefrau Demetra im Herbst 1945 eine neue Heimstatt im schwäbischen Wendern. Der Sturz konnte tiefer nicht sein: nur wenige Monate zuvor noch residierte Breker als einer der führenden bildenden Künstler des Dritten Reichs im eigenem Schloss mit großzügig bemessenen Atelier im in der Nähe von Berlin gelegenen Jäckelsbruch, nun wohnt er auf engstem Raum, hat gerade Platz genug zum Aquarellieren und steht beruflich am Nullpunkt. Dabei kämpft Breker nicht nur, wie Millionen andere Deutsche auch, mit den Alltagsproblemen, sondern sieht sich zudem immer wieder Anfeindungen von verschiedenster Seite ausgesetzt.
Nachlesen lassen sich Brekers eindringliche Schilderungen seiner damaligen Lebenssituation im kürzlich erschienenen Briefwechsel zwischen ihm und dem 1896 geborenen Kunstkritiker und Dramaturgen Albert Buesche. Begonnen hatte dieser Briefwechsel bereits 1942 anlässlich von Arno Brekers großer Werkschau in Paris, zu der Buesche einen Kurzführer verfasste, er endete mit dem Tod Buesches im Jahr 1977. Ihre höchste Intensität erlebte die Korrespondenz in der Zeit zwischen 1945 und 1951, in der die beiden Briefpartner damit beschäftigt waren, ihr Überleben im besetzten Nachkriegsdeutschland zu organisieren und ihre Existenzen auf neue Füße zu stellen. Breker übersiedelte 1949 nach Düsseldorf, wo er bis zu seinem Tod 1991 leben sollte, während Buesche mit seiner Frau, der Schauspielerin Ursula Krieg, in der Ruinenstadt Berlin wohnt und sich u.a. mit der schlechten Versorgungslage und regelmäßigen Stromsperren konfrontiert sieht.
Breker und Buesche schildern nicht nur ihr Überleben in den Wiederaufbaujahren nach der Stunde Null, sondern reflektieren auch über die geistigen Grundlagen, auf denen die Kultur Deutschlands neu aufgerichtet werden kann. Manchem Verächter des Werks Arno Brekers mag es verblüffen, wie sehr der protestantische Bildhauer im Christentum verwurzelt ist. So schreibt Breker im Brief vom 25.06.1947: „Die historischen Ereignisse haben uns nackt und bloß an den Strand gespült. Uns bleibt das Urfundament Antike und Christentum. Aus diesen Quellen gespeist werden wir die letzte Strecke unseres Weges, ausgestattet mit dem Notwendigsten, zurücklegen.“
Im Werk spiegelt sich diese Verbundenheit in Brekers verstärkter Hinwendung zu christlichen Motiven wieder. So berichtet er Buesche von seinen Vorarbeiten für einen Hl. Sebastian, und zu Beginn der 1950er Jahre fertigt er für die Zentrale des Gerling-Konzerns in Köln Reliefs der Heiligen Drei Könige sowie der Heiligen Georg und Christopherus.
Darüber hinaus hinterfragt Breker aber auch seine Rolle an exponierter Stelle im Dritten Reich. Diese selbstkritischen Überlegungen und das Eingestehen der eigenen Schuld gipfeln am 8. August 1946 in dem Bekenntnis: „Ich schrieb Ihnen schon, dass ich es als gottgewollte segensreiche Fügung ansehe, von den großen Aufgaben befreit zu sein, so verlockend auch die Durchführung dieser Probleme zu sein schien. Aber diesem Regime durfte man keine Denkmäler bauen und ich ahnte frühzeitig den Bruch, den ich schweigend in meiner Brust verschlossen, mit mir herumtrug. Andeutungsweise haben Sie das eine oder andere früher schon erfahren. Nur durch die schonungslose Erkenntnis eines tiefschürfenden Mea Culpa wird der Weg frei.“ Hier spricht ein Verführter, der sich von einer Ideologie instrumentalisieren ließ und dabei viele seiner künstlerischen Ideale verriet.
Herausgegeben haben den Briefwechsel Arno Brekers Tochter Carola sowie der Brekerforscher Rainer Hackel, von dem auch die einfühlsame und kenntnisreiche Einführung stammt. Bleibt zu hoffen, dass diese erste größere Veröffentlichung aus dem Nachlass Arno Brekers den Anstoß gibt, Leben und Werk des Bildhauers neu zu bewerten. (Michael Boss)
Format: Buch |