Nachdem es ja um BJÖRK und SIGUR ROS etwas ruhiger geworden ist, oblag es in den letzten Jahren dem jungen Pianisten Vikingur Olafsson, musikalischer Botschafter von Island in Europa zu sein. Gerade seine letzten beiden Alben „Philip Glass – Piano Works“ und „Johann Sebastian Bach“ bei der Deutschen Grammophon wurden hierzulande sehr interessiert aufgenommen und waren ein großer Erfolg. Mit „Bach Reworks“ betritt er selbst für sich jetzt Neuland und verbindet sein neoklassisches Piano-Spiel mit experimentellen Electronic-Sounds befreundeter Künstler bzw. lässt von diesen Stücke seines Bach-Albums remixen. Den Anfang macht allerdings das Requiem „For Johann“, welches jedoch nicht Bach gewidmet ist, sondern seinem Landsmann, Freund und Mentor Johann Johannsson, der im vorigen Jahr überraschend mit nur 48 Jahren gestorben war. Es ist ein sehr zarter und zerbrechlicher Einstieg in das Album, dem aber sofort gespenstisch-dröhnende Angst Pop-Frequenzen folgen, die unweigerlich an das deutsche Galakthorrö-Label oder die holländischen DISTEL denken lassen. Diese stammen jedoch von Valgeir Sigurosson, der in Island das renommierte Bedroom Community-Label betreibt und so der „Prelude, BWW 855a“ zu einen völlig neuen Blickwinkel verhilft. Ähnlich ergeht es dem selben Stück bzw. den reduzierten Piano-Akkorden von Vinkingur Olaffsson im Ladder Mix von Ben Frost, der ja eigentlich Australier ist, aber schon lange in Island lebt und ebenfalls über Bedroom Community veröffentlicht hat. Kristalline Synthesizer-Drones überlagern an- und abschwellend das konzentrierte Spiel von Vikingur Olafsson und wem das gefällt, dem sei gleich noch die großartige Kollaboration „The Centre Cannot Hold“ von Ben Frost zusammen mit Steve Albini empfohlen, die letztes Jahr bei Mute Records erschienen ist. Kraut Rock-Legende Hans-Joachim Roedelius (CLUSTER, HARMONIA) geht dafür auf Distanz und lässt Vikingur Olafsson kühl-warm und wie gedämpft durch Watte aus der Ferne klingen und nennt das Ganze witzigerweise gleich „Bach mit Zumutung“. Mit dem japanischen Soundtrack-Komponisten Ryuichi Sakamoto ist gleich eine weitere Legende mit an Bord, der einen wohligen Ambient-Teppich über die Bach-Komposition „BWV 974“ legt, wie auch Skuli Sverrisson eher dezente, wie angenehme Sounds zu „Kyriena“ beisteuert. Hildur Gudnadottir verzichtet dagegen gleich völlig auf die Vorlage ihres Landsmanns und spielt die „Minor C Variation“ allein mit ihrem irrlichternd-spröden Cello ein. Des weiteren finden sich hier noch Kollaborationen und Interpretationen mit und von Peter Gregson und Halla Oddny Magnusdottir, sowie drei weitere Solo-Bach-Stücke von Vikingur Olafsson. „Bach Reworks“ ist ein ungemein faszinierendes, spannendes und atmosphärisches Album geworden, dass die klassische Musik von Johann Sebastian Bach auf eine völlig andere Ebene bringt. Des weiteren ist es schon beachtlich, dass bei den zum Teil analog schwierig abzubildenden Electronica-Sequenzen das Vinyl-Mastering nicht in die Knie geht, sondern absolut klar und transparent klingt! Außerdem ist die Pressung der Platte absolut hervorragend und die Verarbeitung entsprechend der dargebotenen Musik. Die schwere 180g-Pressung ist völlig laufruhig, frei von Störgeräuschen und wird geschützt durch eine gefütterte Innenhülle. Zur Ausstattung der Platte im matt-rauen Karton-Cover gehören weiterhin eine Download-Code-Karte und ein 4seitiges Insert, womit es sich wieder einmal bestätigt, dass die Deutsche Grammophon seit je her nicht nur musikalische, sonder auch haptische für ausgezeichnete Qualität steht! (Marco Fiebag)
Format: LP |
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