Invisible Limits, diese Synthpop / Darkwave Gruppe aus Dortmund werden noch eher die älteren Print Blackleser kennen, eben die Leute, die in den Golden 80s schon dabei waren. Von 1987 bis 1995 produzierte die Band um die markante Frontfrau und Sängerin Marion Küchenmeister 4 Studio und 1 Live-Album. Mit dem grandiosen Coversong „Love will tear us apart“ von Joy Divison erreichte die Truppe Europaweiten Kultstatus und tourte u.a. viel und erfolgreich in Spanien und Frankreich. In den späteren 90s wurde aus der Band ein Duo mit Marion und Andreas Küchenmeister, das Album „Violence“ wurde 1995 in Südamerika veröffentlicht. Ich habe die Kultgruppe in der Besetzung Marion mit Sohn Max u.a. Musikern nun beim Livekonzert in Bochum besucht und bekam von Marion einige ausführliche Antworten auf meine Fragen, hier nun die musikalische Reise in die Synthpopwave Vergangenheit der 80/90er Jahre.
Hi Marion, nach dem tollen Konzert in Bochum Ende August mit No More als Vorband, die auch schon im Black-Magazin waren, hier nun ein paar Fragen. Du bist schon seit einer gefühlten Ewigkeit dabei und sozusagen eine wahre Koryphäe der Elektro Wave Synth-Pop Szene, Deine Stimme und Optik ist weltbekannt. Nun trittst Du u.a. in neuer „Family“ Besetzung mit Sohn Max, der auch eigene Projekte hat, auf und er spielt die fulminanten Gitarrenparts wirklich hervorragend ein, wie kam es dazu ? Und noch schnell zur Vergangenheit, da auch ich ein Riesenfan Eurer Platten damals mit Tracks wie „Golden Dreams“, „For you“, „Natalies“, „Kill me Dearly“ usw. war, bitte einmal ein kleiner Rückblick wie Deine Musikkarriere dereinst begann und wie Du damals auf die Synthpopschiene gekommen bist, was war dafür der entscheidende Anlass ?
Ich habe schon sehr früh Songs geschrieben, mit 14 Jahren nahm ich an verschiedenen Wettbewerben teil und stand auf der Bühne. In den frühen 80ern war ich fasziniert von David Bowie, Jean Michel Jarre oder Alan Parson. Ich mochte Musik mit mehr Inhalt, mehr Text, mehr Songwriting, mehr Komposition. Aber als ich Visage und „Fade to Grey“ hörte, war ich völlig elektrisiert. Dieser Song lief bei mir in einer Dauerschleife, für mich war das eine völlig neue coole Musikwelt. Meinen Einstieg in die 80er Wave-Szene hatte ich dann ab 1983 im Dortmunder Club „Memphis“. Da gab es Siouxsie, Kissing the Pink, Human League, Anne Clark, aber auch Killing Joke, The Mission, Joy Division usw. Ich war nie auf „Elektro“ fixiert, ich stehe auch auf gute Gitarren, die auch immer ein fester Bestandteil von Invisible Limits waren. Max ist schon lange ein fester Bestandteil der Limits. 2015 feierten wir 20-Jahre Invisible Limits im Bochumer Zwischenfall. An diesem Abend war er das erste Mal als unser Gitarrist sichtbar. Er kennt unsere Songs sehr gut und spielt sie heute in seinem eigenen Stil, den er sich mit seiner beachtlichen Band- und Bühnenerfahrung erspielt hat. Er schiebt die Live-Songs richtig an und ich bin sehr dankbar, so einen guten Gitarristen in der Band zu haben. Übrigens waren NO MORE in Bochum kein Support, das würde dieser großartigen Band nicht gerecht. No More existierten schon viele Jahre vor Invisible Limits. Wir spielen jetzt häufiger Doppelkonzerte, weil die Bands gut zusammenpassen. Am 15. Februar spielen wir wieder zusammen, dieses mal im Hamburger Hafenklang.
Wie lief es generell früher zu Deinen Anfängen in der „guten alten“ Dortmunder Elektro, Goth und Kulturszene in 1985 zu Eurer Gründung so ab, gab es damals Kontakt zu anderen Bands oder Newcomern der Szene aus Deiner Gegend ?
Wir haben uns 1985 im „Memphis“ getroffen, meine Freundin hatte damals den Kontakt zu Andreas, Ralf und Thomas hergestellt. Nach der ersten Probe entstanden unsere ersten gemeinsamen Songs wie „Thoughts“ und „For You“. 1985 und `86 haben wir die beiden Maxis veröffentlicht und nachdem T. Lüdke die Band verlassen hatte, haben wir 1987 „Demand for Supply“ – unser erstes richtiges Synthpop-Album – produziert. Klar hatten wir Kontakt zu anderen Bands: Mit Neon Judgement, Psyche, Escape with Romeo, Pink Turns Blue zum Beispiel waren wir auf Tour. Ich erinnere mich noch an ein Festival, 1993 in Menden mit 3 Bands: Wolfsheim, Deine Lakaien und Invisible Limits als Headliner, wäre heute ein legendäres Set.
Bitte erkläre den Black-Lesern einmal das Konzept eines typischen Albums Deiner Wahl von Invisible Limits.. welche Konzepte steckten dahinter und wieviel Arbeitszeit hast Du dereinst in die Produktion investiert und wie liefen die Arbeitsprozesse ab? Deine Platte „Familiar“ wurde sogar vom großen John Fryer ( Depeche Mode, Cocteau Twins usw. ) produziert ?
Wir haben damals einfach nur Songs geschrieben, was in den Sessions entstand, wurde ein Album. Konzeptgedanken hatten wir dabei nicht. Uns waren die Studioproduktionen sehr wichtig, wir wollten einen gut klingenden und harmonischen Sound auf den Alben. Dabei haben uns alle Produzenten sehr geholfen. Wir haben mit ihnen unsere Songs fertig arrangiert, die Keyboard-Sounds rausgesucht, Gitarren und Vocals ausgearbeitet und das immer als Co-Produzenten. Die Arbeit im Studio war immer ein gemeinsames Werk. Das 1. Album „Demand for Supply“ entstand mit Micki Meuser, der seinerzeit Die Ärzte produziert hatte. Das 2. Album „A Conscious State“ produzierte Janez Kriszaj mit uns, damaliger Laibach-Produzent, es wurde unser erfolgreichstes Album. Janez kreierte diesen cleanen, trockenen Synthiesound, er hatte besonders mich im Studio sehr herausgefordert. Das 3. Album „familiar!“ war dann mit John Fryer entstanden, sein Einfluss als 4AD-Techniker ist deutlich zu hören. Das ganze Album ist vernetzt mit kleinen Soundcollagen und hat eine bestimmte emotionale Energie. Das 4. Album „Violence“ produzierten wir letztendlich mit Len Davies, der seinerzeit auch mit Alien Sex Fiend auf Tour war. Die Zeit im „Principal Studio“ in Senden war äußerst produktiv. Zu der Zeit wechselten wir zu SPV als Label-Partner. Leider haben sie erheblich Einfluss auf die Violence-Produktion genommen, so dass wir Sound-technisch etwas aus der Art schlugen und in diesen Kommerz-Mist versackten, wie z. Promotion-Touren in Plattenläden oder Club-Remixen, die zu uns gar nicht passten. Dieser Schritt zu SPV war definitiv falsch, weil wir den Limits-Spirit damit ein wenig verloren. Nach ein paar Jahren haben wir dann erstmal pausiert und unser ganz eigenes Ding gemacht, ohne Label oder Management. Die Digitalisierung und das Internet hatten uns 1990 sehr dabei geholfen.
Wie kamst Du bei der Gründung auf Euren Gruppennamen INVISIBLE LIMITS – wer war hier der Kreativ-Part ?
Diesen Bandnamen hatte Ralf Schauf, unser Bassist, mitgebracht. Inspiration war der Song von Tangerine Dream. Ralf hatte schon vor den Limits mit einem Freund Musik gemacht und „Invisible Limits“ stammte aus dieser Zeit. Auf dem Cover unserer „Friends“-Maxi haben wir ihm (Joe Oester) eine Widmung hinterlassen.
Wer macht das Cover-Artwork bei Dir für die CD/Platten Veröffentlichungen, damals wie heute ?
Damals entstand das komplette Design und die Cover in Zusammenarbeit mit Fun Factory, unserem damaligen Label. Heute bastle ich ein wenig an den Covern, die ja eher nur ein digitales Bild sind. Zukünftig wird werde ich mir ein bisschen Hilfe von Webdesignern holen.
Wie bist Du in das Licht der Öffentlichkeit getreten, wo waren die ersten Live Auftritte, wie hat sich das entwickelt u.a. erschien in 1992 Eure wundervolle LIVE CD, die bei mir damals rauf und runter lief, die Aufnahmen sind Dir sicher noch in guter Erinnerung ?
Das erste Invisible-Limits-Konzert fand im Dortmunder Memphis statt, natürlich. Später hat unser Label mit uns professionelle Touren geplant, übrigens noch mit Markus Tombült, dem heutigen Unheilig-Manager. Die Aufnahmen wurden 1992 in der Wuppertaler Börse gemacht. Ich erinnere mich noch, dass wir nach dem Konzert direkt in den Zug nach Berlin stiegen, um Outdoor Filmaufnahmen und ein Interview mit RIAS TV zu machen, die befanden sich damals bereits in der Auflösung. Es waren an die -10 Grad, wir waren völlig müde und durchgefroren. Abends sind wir wieder direkt zurück nach Dortmund, das war mega anstrengend. Die Live-Aufnahmen haben wir dann selbst bearbeitet, fast ganz ohne digitale Technik. Das Konzert war eines unserer besten, damals spielte Markus Giltjes (Pink Turns Blue) bei uns Schlagzeug. Ich bin froh, dass wir dieses Zeitdokument heute haben.
Hast Du eine musikalische Ausbildung genossen ?
Nein. Ich hatte mal Gesangsunterricht, aber mein Lehrer hat mich nach 2 Stunden weggeschickt, er könne mir nichts mehr beibringen. Fand ich damals ziemlich übertrieben, vielleicht hatte er auch einfach keine Lust.
Welche musikalischen Einflüsse gibt es bei Dir, hast Du musikalische Vorbilder, wie sieht Deine Motivation und Inspiration aus für Deine vielen Nebenprojekte ?
Vorbilder in dem Sinne hatte ich nie, ich hörte nur Musik, die emotional was mit mir machte. Das waren damals U2, aber auch Kate Bush und Tori Amos. Hier schlug wieder mein altes Songwriter-Herz, ich höre auch heute noch gerne Singer/Songwriter. Meine Side-Projekte suche ich danach aus, ob mir der Song gefällt, ob ich eine Inspiration zu der Musik habe und vor allem, ob ich mit der Person gut arbeiten kann. Das ist für mich am wichtigsten.
Mit welchen Künstlern aus der aktuellen Szene verstehst Du Dich am besten ?
Es gibt einige Musiker/innen, mit denen mich eine Freundschaft verbindet, dazu gehört natürlich Darrin Huss, Per Anders Kurenbach (sehr guter Komponist) oder auch Tom Elbern und natürlich No More, Tina und Andy. Dank Facebook und gemeinsamen Shows bleiben wir gut in Kontakt.
Was sagst Du zum Thema – mehr oder überhaupt Radioeinsätze von z.b. solch Klängen wie Du sie produzierst, wie könnte man sowas überhaupt nochmal mehr anschieben ?
Ich halte das öffentlich-rechtliche Radio für völlig unwichtig. Die Heavy Rotation wird von den Major-Labels bestimmt, da kommst du heute nicht mehr dazwischen. Internetradio ist zielführender, Clips auf YouTube, Social Media, alle Plattformen, die etabliert sind. Letztendlich sind Live Konzerte und Festivals das beste Mittel, um seine Musik unters Volk zu bringen, zumindest für uns lohnt es sich.
Wie sieht es mit Videos aus, ist das für Dich wichtig Clips zu den Tracks für z.b. Youtube und andere Kanäle zu produzieren ?
Ich würde Videos machen, sind aber aufwendig und teuer zu produzieren, zumindest, wenn sie meinen Ansprüchen genügen sollen. Bevor ein Video peinlich wird, lasse ich das lieber. Dennoch finde ich bewegte Bilder wichtig und momentan haben wir bereits ein paar Live-Videos im Kasten.
Du hast schon etliche Auftritte im Ausland, vor allem Spanien -absolviert, wo hat es Dir generell am besten gefallen ?
1994/95 waren wir auf Tour in Argentinien und Chile. Das Violence Album lief dort ganz gut, wir waren für ein paar Wochen richtig bekannt als europäische Pop-Band. Das war eine sehr intensive Erfahrung, Süd-Amerika ist ein völlig anderes Pflaster als Europa. Ich würde sehr gern nochmal rüber, das ist mein großer Wunsch für die nahe Limits-Zukunft.
Was sind Deine All Time Heroes im heimischen Plattenregal, was holst Du Dir , wenn überhaupt immer mal wieder zum Hören heraus ?
Gerade in der letzten Zeit höre ich wieder Musik aus den 80ern, da bin ich voll im Trend. Momentan sind die Simple Minds, Police, The Mission oder Dead Can Dance auf der Heavy Rotation.
Was außer Musik bereichert noch Dein Leben, außergewöhnliche Hobbys oder Filme, Bücher ?
Musik ist alles. Wenn ich dazu komme, setze ich mich in mein kleines Midi-Studio und suche ein paar Sounds. Manchmal kommen neue Songs dabei raus. Ich lese gern, Bücher sind eine meiner Leidenschaften, früher habe ich auch selbst geschrieben.
Wie stehst Du zur Musikpiraterie, also illegal heruntergeladene Songs von z.b. Musik von Millionären wie U2, D. Mode oder ist es für eher kleine Bands ein Vorteil, dadurch eventuell sogar bekannter zu werden ?
Ich finde es gut, dass You Tube etc. jetzt Abgaben für die Musik zahlen müssen. Sie verdienen sehr sehr viel Geld mit unserer Musik, klar haben wir den Promotion-Effekt, aber trotzdem ist das nicht ausgewogen. Ich denke auch, dass Streaming wie Apple Musik oder Spotify zu billig ist: Wenn ich jede Musik, die ich hören will, einfach nur anklicken muss und downloaden kann, dann sollte das nicht nur 9,90 € monatlich kosten, sondern mindestens 10- 20 € mehr. Für uns Künstler bleibt nämlich kaum etwas übrig. Illegale Downloads wird es immer geben, das kann man nicht verhindern. Die Musik der Limits war immer sehr bekannt, wir waren überrascht, wie viele Menschen zu unseren Konzerten kamen. Das lag ganz sicher an den Bootlegs und am Filesharing.
Da ich ein Fan vom guten alten Vinyl bin, wie stehst Du zur gerade wieder auflebenden Vinyl-Kultur – Du hast ja damals auf Vinyl auch so einiges veröffentlicht, oder ist die Zukunft wirklich das digitale Streaming, also Bandcamp und Co. ?
Die Herstellung von Vinyl ist sehr teuer und meiner Meinung nach was für echte Fans oder DJs. Ich werde kein Vinyl mehr herstellen, dann eher eine CD mit neuen Songs.
Hattest Du noch andere Cover-Songs außer „Temptation“ und „Love will tear us apart“ aufgenommen ? Warum die zwei z. b. oder gibts noch andere, die Du gerne umsetzen möchtest ?
Wir hatten 2005 mit Darrin Huss „Torch“ von Soft Cell aufgenommen, mir hat´s gefallen. Nein, im Moment konzentriere ich mich auf eigene neue Songs, macht mehr Spaß.
Was können wir noch erwarten, bist Du noch motiviert zu neuen Großtaten in Form von neuen Songs von Invisible Limits ?
Ich genieße im Moment die Konzerte und die Menschen, die wir dabei treffen. Ich hoffe, wir können im nächsten Jahr ein paar Festivals mitnehmen. Ansonsten möchte ich neue Songs schreiben und evt. eine neue CD produzieren. Aber das alles total stressfrei, meine Ambitionen sind Lust auf Musikmachen und mit anderen Musikern zusammenarbeiten. Ich möchte nicht 10x im Monat spielen oder 3 Wochen auf Tour gehen, das hatten wir früher und es kostet viel Kraft. Heute habe ich den Luxus, das zu tun, was ich will. Und ich hab Lust auf neue Projekte und ausgesuchte Live-Konzerte.
(S.Erichsen)
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