So kurz vor Jahresende 2018 noch so ein Überwerk/Highlight kredenzt zu bekommen, damit war nicht zu rechnen. Die Amerikaner Holy Fawn, welche bis dato 2016 mit der „Realms“-EP in Erscheinung getreten waren, fahren ein gewaltiges Sound-Monster mit ihrem einstündigen Debüt auf, welches in diesem frühen Stadium dieser jungen Band eine Größe atmet, die ihresgleichen suchen dürfte. Von einer atmosphärischen Tiefe und Dichte beseelt, mit allerlei qualitativen Zutaten aus Shoegaze, Post Rock/Metal, Doom und Ambient und und und..weht eine schwer greifbare Aura über die komplette Album-Länge, bestehend aus feingliedrigen, schwebenden, komplett entrückten Parts bis hin zu einer drückenden schweren ausufernden Heavyness, die jeden Fan atmosphärischer Rockklänge in jeder Faser/Synapse durchdringen sollte. Emotionalität ist mal wieder der Key, diese ergänzt um das feine Gespür, die Dynamik-Kurven im stetigen Auf und Ab über den Hörer durch einen Parkour aus schwebender Fragilität und rauschhafter Distorsion/Noise-Eruptionen peitschen zu lassen. Scheinbar spielerisch gelingt den Amerikanern dieser Sprung durch die Spielarten sämtlicher Postrock-Stilistika. Da ist die kristalline zerbrechliche bzw. leidenschaftlich laute Vocal-Performance von Sänger Ryan Osterman, welcher seine Stimme wahlweise wie ein zusätzliches Instrument himmlisch tönend oder mit HC-Shootings in dem mit viel Shoegazer-Hall getränkten Bandsound involviert und in jeder Sekunde dieses Albums das emotionale I-Tüpfelchen zu setzen weiß. Sämtliche Songs leben von einer unbeschreiblich hypnotischen Stimmung, welche sich durch die verträumten, androgynen Vocals in Verbindung mit einer schwer zu beschreibenden entrückten Schwere definieren..irgendwie treffen Sigur Ros oder die Schwebekönige von Hammock auf die Schwere einer Band wie Junius, vermählen sich Shoegaze und Postrock auf eine sehr leidenschaftliche Weise. Auch Holy Fawn haben das Spiel mit der Dynamik zu 100 Prozent für sich entschlüsselt, greift dieser sich stetig steigernde Rausch in so gut wie jedem Song emotional auf den Hörer über. Pastorale Postrock-Gitarren so weit das Auge reicht, viel Distortion, allerlei Hall auf Instrumenten und Vocals..in allen Nuancen immer dieses etwas an Mehr, was am Ende ein Suchtartiges Abtauchen, ein immer und wieder hören dieser Platte unvermeidbar macht. Melancholisch, sehnsüchtig perlende Momente, exemplarisch wie im nur wunderbar zerbrechlichen „Drag me into the Woods“(was ein Übersong), den traurig, romantischen „vespertine“ oder dem Rausschmeißer „Sleep Tonque“ stehen Songs wie das tief im treibenden Postpunk verwurzelte „Yawning“(Hit) gegenüber, die mit einer strahlenden Kraft gen Himmel schreien, von euphorischer Verzweiflung getränkt. Die Amis haben den Dreh raus, jeder Song atmet mit allen Stärken des Postrocks eine Weite, eine Erhabenheit, eine Wehmut…die Band gibt dem Stimmungen die nötige Zeit sich zu entfalten, was zu typischen Song-Längen bis zu 7 min führt. Harter Post-Metal oder doomig verzehrte Momente wie im Opener „Dark Stone“ oder dem folgenden verschleppten, teils leichtfüssigen „Arrows“ leben von ihrer Ambivalenz, treffen hier schwebender Shoegazer-Hall auf teils derbere HC/PostMetal Sphären zum Ende der Songs, die mit einer emotionalen Kraft alles zum Bersten bringen. “ Zwei knisternde, flüsternde Ambient-Inseln wie „two Waves“ oder „same blood“ lassen innehalten, erinnern an Bands wie Hammock oder The American Dollar. Ansonsten hinterlassen die mal himmlischen, mal latent aggressiv verzweifelten Vocals, die schwerelos driftenden, dronigen Gitarren ein 60-minütiges Manifest in Sachen modernen Postrocks/Shoegaze/Post-Metal, bei dem alle wichtigen elementaren Register gezogen werden und eine permanente emotionale Achterbahnfahrt garantiert ist. Ausufernde Song-Strukturen, in denen sich der Hörer ein aufs Andere Mal tief fallen lassen darf. Perfekte Ergänzung zu wichtigen anderen Vertretern der Post-Szenerie der Neuzeit wie Deafheaven, Crippled Black Phoenix oder Hammock. Zum Abheben schön.
(R.Bärs)
Format: CD |