Gleich 2 neue Alben erblicken das Synthpop Licht dieser Welt und entern die Tanzflächen der Republik. Peter Heppner, die grandiose Ex-Stimme von WOLFSHEIM, gibt uns gleich mal richtig Tanzstoff mit seinen gleich zwei Veröffentlichungen „Confessional & Doubts“ sowie „TanzZwang“ , die beide bei Sony Music je als CD Digipak, LP, Digital und als limitierte Fanbox erscheinen. Schon die Alben „Solo“ und „My Heart of Stone“ konnten die Fans begeistern, mal ganz abgesehen von seinen Arbeiten mit GIRLS UNDER GLASS, UMBRA ET IMAGO, GOETHES ERBEN, PAUL VAN DYK, CAMOUFLAGE, MARIANNE ROSENBERG, NENA, SCHILLER und JOACHIM WITT, mit dem er 1998 vom Song „Die Flut“ die prächtige Anzahl von 750.000 Singles verkauft hatte, eine der meist verkauften deutschsprachigen Lieder und Duette seit 1975 in Deutschland. Und gleichzeitig für beide Künstler der bis dahin größte Erfolg ihrer Karriere. Aber auch Live ist Peter Heppner auch schon vor ca. 60.000 Leuten aufgetreten, als Warm up bei einem Depeche Mode Open Air in Griechenland. Und natürlich darf auch Wolfsheim nicht unerwähnt bleiben wo Peter 1987 seine Musiklaufbahn begann, der eigentlich für die Gothszene so garnicht typische Szene Überhit „The Sparrows and the Nightingales“ aus 1991 schlug ein wie eine Bombe. Dieser so ganz andere melancholische und eingängige Power-Popsong der besonderen Art, entwickelte sich zum Europaweiten Clubhit und vergrößerte den Bekanntsheitsgrad von WOLFSHEIM praktisch über Nacht ins Unermeßliche. Das leidige Ende von WOLFSHEIM wurde ja dann in den Medien oft genug dargestellt. Von daher wenden wir uns lieber positiven Dingen im Hier und Jetzt zu, nämlich den zwei neuen Platten und unseren Fragen an Peter Heppner.
Hi Peter, vielen Dank das wir Dich via Telefon für das Blackmagazin interviewen dürfen. Du hast gleich 2 Alben auf die Menschheit und in diesem Fall sogar auf die tanzende Mehrheit der Bevökerung losgelassen, wie konnte es dazu kommen ?
Hallo Sven, ja das kam so, das ich mit meinem einzigen Mit-Komponisten ganz locker im Studio zusammen saß, ich spreche hier vom Dirk Riegner, der auch Live Keyboarder bei mir ist und den ich schon lange kenne Er hat auch die 2 letzten Soloalben mitgestaltet. Die Sessions, die wir dann aufgenommen haben um zu gucken was dabei herauskommt, gestalteten sich als sehr kreativ. Wir verstehen uns privat und musikalisch einfach sehr gut, er ist zudem auch 8o-er Fan von Gruppen wie Chameleons oder A Flock of Seagulls, da ist schon mal die Grundvoraussetzung gegeben. Der Dirk fährt also genau meine Schiene. Da haben wir uns also getroffen und ca. 4 bis 5 Sessions zusammen produziert und da es tierisch Spaß gemacht hat haben wir plötzlich gemerkt, das wir stolze 30 Stücke eingespielt hatten. Vor allem 30 Stücke, die wirklich gut sind und wir wollten keines davon weglassen. Was machen wir nun, haben wir uns gefragt. Man kann nicht 30 Musikstücke auf eine LP machen und ebenfalls auch nicht 20 Songs, ei Doppelalbum kam nicht in Frage. Das finde ich buchstäblich kacke, sowas mag ich garnicht, das sieht immer nach einer Best Of aus. Also habe ich beschlossen, lieber 2 Alben zu erstellen, eine Sache die wir beide einfach gut fanden. Dann haben wir lange nachgedacht, wie wir es aufteilen. Denn erst war die Idee, eines in Deutsch und eines in Englisch zu veröffentlichen, nur konnte ich das Songtechnisch nicht so gut steuern. Denn da wir 80 % Englische und nur 20 % Deutsche Tracks hatten, war diese Idee wieder sehr schnell vom Tisch. Dann haben wir festgestellt, das wir sehr viel Gewicht auf tanzbare Stücke gelegt hatten und da haben wir uns gesagt, dann produzieren wir es auch so, wie viele bekannte Dance-Alben, also produzieren einen Dance-Sampler mit verschiedenen Leuten also im Idealfall mit 11 verschiedenen Mixern für 11 verschiedene Dance Mixstücke. Daraus wurde dann das Werk „TanzZwang“.
Ok, der Song „Fremd in diesem Land“ schließt das an aktuelle Themen an und ist sozialkritisch gemeint ?
Ja auf jeden Fall, einige Texte sind schon älter, aber die meisten Songs sind im letzten halben Jahr entstanden. Vor dem 1.1.2018 hatte ich schon 6 Musikstücke fertig, für mich ist immer ganz wichtig, das die Stücke einen aktuellen Bezug haben, also vom Thema und vom Inhalt her. Es muß nah an mir dran sein und nicht wie ich vor 5 Jahren drauf war, zudem setzt man die Sprache heute anders ein als vor 10 Jahren. Ich schreibe meistens bis kurz vor Schluß der Produktion noch aktuelle Texte, der Song z.b. ist vor 4 Monaten entstanden, und hat einen sozialkritischen Bezug, da einige versch. Gruppierungen im Land sagen, das sie sich hier fremd fühlen. Dies ist nicht mein Land und ich kann mich damit nicht identifizieren, und das sagen sogar völlig unterschiedliche Leute aus vielen Schichten. Ich hab also 2 Meinungen für den Song rausgesucht, um mal zu zeigen, wie diese Meinungen sich darstellen und musikalisch umsetzen lassen. Frei nach dem Motto : Hey hier passiert was, laßt uns das nicht aus den Augen verlieren.
Wie arbeitest Du generell wenn Du Englische oder Deutsche Songs schreibst, wie gehst Du da übrhaupt vor ?
Es kommt drauf an, ich habe da keinen Katalog dafür, wie man was umsetzt. Berührt es mich mehr in Englisch, dann wird es in der Sprache aufgenommen und andersherum sonst in Deutsch. Da geht es nur um mein Gefühl, hierbei gehe ich allgemein immer so vor, wie z.b. beim Texten. Es muß mich persönlich anfassen und berühren, so lange schreib ich auch an jedem einzelnen Text. Gefällt er mir nicht, fliegt er halt raus. Das geht so lange bis er mich ganz tief im Inneren berührt, also praktisch „bis einer heult“, sag ich dann immer. Die Songs sind alles Alltagsskizzen, daher ist für mich die Memo Funktion im Handy die beste Erfindung, früher hatte ich sogar immer ein Büchlein dabei gehabt. Ansonsten liegt auf meinem Schreibtisch ein Notizblock und daneben ein kleiner Kasten wo die Notzen reinfliegen und wenn ich was brauche guck ich da einfach mal rein. Nur wie gesagt, es kommen wirklich nur die Texte in Frage, die mich betreffen und berühren, davon kann ich einen Song kreieren, was halbes hat da keinen Zweck.
Ein anderer Track, der mir positiv auffiel, war „Im Nebel“ von Herman Hesse , da es vor einigen Jahren mehrere CDs zum Thema Hesse / Rilke vom Rilke Projekt gab ?
Ganz genau, da war ich war ziemlich beleidigt, warum ich damals nicht gefragt wurde ! Weil Hermann Hesse einer meiner ganz großen Favoriten bei Dichtern ist. Also in dem Bereich ist er sogar mein Lieblingskünstler. „Im Nebel“ ist eines der großartigsten Gedichte von Hesse und es hat mich tief berührt und mich mit ihm versöhnt. Ich bin mit 13 Jahren zum Hesse Fan mutiert und zwar während meiner Schulzeit im Fach Deutsch. Nur die Sachen wie z.b. „Steppenwolf“ von ihm war so garnicht mein Ding oder gar „Roshalde“, von daher war ich tatsächlich richtig sauer auf Herrn Hesse. Er macht doch wahrlich so gute Sachen wie eben das Gedicht „Im Nebel“ ! Ich laß dann den dicken Band mit seinen gesammelten Werken und sagte mir, gib ihm noch eine Chance. Und tatsächlich, ich fand „Im Nebel“…..seltsam im Nebel zu wandern…..einfach ein großartiger Satz, so soundmalerisch und inhaltlich für mich der pure Wahnsinn. Und dann hoffte ich, das Hermann es nicht doch noch versaut, mein wahres Lieblingsgedicht. Daraus hat sich dann die Idee entwickelt, was daraus zu gestalten. Für mich wie gesagt ein ganz besonderes Gedicht. Hesse schreibt so toll und einfach, keine endlos überfrachteten Sachen und so prägnant, einfach auf den Punkt gebracht, perfekt in Deutscher Sprache umgesetzt. Besser geht sowas für mich nicht. Das Stück Live umzusetzen wird schwierig, da der Rest vom Liveset sehr tanzbar wird.
Zu den Mixen von der „TanzZwang “ Platte , wie kamen die Partner wie z.b. Schiller zustande und hattest Du noch andere Musiker im Visier ?
Ja, Christopher von Schiller kannte ich ja von den bisherigen Arbeiten für seine Alben. Und Apoptygma Berzerk war sowieso schon immer ein Wunsch von mir. Ich wollte auch Ronan von VNV Nation fragen, nur hat er kaum Zeit und arbeitet nur wenn ihn die Muße küßt, er war aktuell leider sehr in Eile und fertigt Remixe für andere Künstler wirklich nur an, wenn er Bock darauf hat. Dasselbe ebenfalls bei Eskil von Covenant, auch er ist im Stress und hatte leider keine Termine für mich frei gehabt, er wäre auch einer meiner Favoriten gewesen.
Zum wundervollen Track „Was bleibt“ mit Joachim Witt, sozusagen nach 20 Jahren der Nachfolger von „Die Flut“ – kommt das Stück auch als Retro Single in der Vinylversion ?
Nein, keine physischen Tonträger wie Vinyl, auch keine Cassette, die Single gibt es nur als Download, also rein Digital ! Für Vinylpressungen gibt es nur noch 1 einziges Werk in Deutschland, das wäre zu aufwendig und zu teuer. Die Belegexemplare, die mich als Vinyl-Version erreichten, habe ich mit sanften Fingern, als hätte ich durchsichtige Handschuhe an, aus der Hülle geschoben, alleine diese Tätigkeit liebe ich schon von der Haptik her, fast ein Ritual für mich Der Song selber ist schon etwas älter, vor 5 Jahren war nur die Musik schon im Kasten, Joachim hatte die Strophen getextet, so das ich die andere Hälfte des Songs, also meinen Textpart noch beisteuern konnte.
Und last, but not least – der thematisch für mich wichtigste und mit emotionalste Song „Theresienstadt: Hinter der Mauer“, wie kam es dazu ?
Hier bin ich Schirmherr bei einem Projekt Namens „Kinder der toten Stadt“. Bei dem Projekt geht es um die Kinder in Theresienstadt und es gibt sogar schon ein Musikdrama, man könnte auch lapidar sagen Musical, nur bei dem ernsten und schweren Thema nennt man es besser Musikdrama. Es geht im Großen und Ganzen auch darum, das die überlebenden Zeugen von damals langsam wegsterben und es daher wichtig ist, das wir Wege und Möglichkeiten aufzeigen, gerade Kindern und Jugendlichen den direkten unkomplizierten Zugang zu dem Thema zu verschaffen, wie z.b. im Geschichts-Unterricht. Und da wäre es doch Musikalisch gerade zu ideal, da die Kinder und Jugendlichen die Hauptpersonen dieser Geschichte darstellen, das Thema in so ein künstlerisches Gewand zu packen. Da das Projekt vom Komponisten und Texter ganz in meinem Sinne geschrieben wurde, gefiel es mir und konnte in meinen Augen nur funktionieren und daher hab ich es musikalisch umgesetzt. In Dokumentationen ist das für die Kids immer schwierig und eher langweilig nachzuvollziehen, in einem Musikdrama, wo Gefühle eine große Rolle spielen, kommt das wesentlich besser rüber als z.b. in einem Theaterstück.
Freust Du Dich schon auf die Live Tour, in Bremen , also hier in der Nähe seid Ihr ja diesmal nicht ?
Stimmt, da hättest Du mal vor 2 Jahren dabei sein sollen, das war im Aladin und war ausverkauft und es gab eine wunderbare Livestimmung. Normalerweise sind die Bremer ja eher nicht so enthusiastisch und tanzen viel herum, aber an dem Abend war pure Energie im Raum und wir hatten eine tolle Liveparty. Im übrigen bin ich ja am Mikrofon als „Nichttänzer“ auf meinen Konzerten verschrien, nur kommt das über meine Konzentration, ich muß mich jedesmal auf meine Songs und Texte so dermaßen einlassen und fokussieren, das ich dabei nicht noch ausufernd auf der Bühne rumspringen kann, wie z.b. ein Ronan Harris von VNV Nation. Vielen Dank für das nette Interview.
(S.Erichsen)(Photos: Mathias Bothor)
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