2011 gegründet und von US-Pagan-Folk sowie apokalyptischer Philosophie inspiriert, spielt das Duo MARS aus Mainz naturalistischen Neofolk, bestehend aus Gitarren, Perkussion und zwei männlichen Sängern. In ihren Texten behandeln sie antike europäische Mythologie, aber auch Spiritualität und der Niedergang der Zivilisation spiegeln sich in ihrer Weltsicht wieder. Durch ihren stark fokussierten rituellen Aspekt und poetischer Grundhaltung gehören sie zur Band-Riege des FolkWorld-Labels.
Zwar stehen MARS primär als ein Bandgefüge, dass die Musik vordergründig zelebriert, aber auch Artwork und Performance-Darbietungen von befreundeten Künstlern des Kollektivs stehen gleichermaßen im Zentrum einer MARS-Show. Mit ihren rar gesäten Auftritten möchten sie eine Rückkehr zu archaischen Pfaden feiern und ursprüngliche, primitive Energien in den Zuschauern heraufbeschwören. Am 31.10. gibt es in Frankfurt am Main in einer konzeptionellen Bühnenshow im Programmkino Harmonie die seltene Gelegenheit Marcus Stiglegger (Perkussion, Gesang) und Oliver Freund (Gesang, Gitarre) zu erleben – und den Spirit dieser unverwechselbaren Formation zu erleben.
Wann, und mit welcher Motivation wurden MARS gegründet?
OLIVER FREUND: „Wir haben uns das erste Mal Ende 2011 zusammengesetzt. Der Projektname MARS wurde aber bereits einige Zeit vorher von Marcus erdacht, dem Ganzen war aber noch kein Leben eingehaucht worden. Wir kannten uns damals bereits seit einigen Jahren aus der hiesigen Gothic-Szene und dem Kendo-Kampfsport, bei dem wir regelmäßig gegeneinander angetreten sind. Die Idee, sich auch mal musikalisch zusammenzusetzen kam recht spontan, funktionierte aber auf Anhieb so gut, dass wir beschlossen als MARS eine feste Band zu gründen. Soweit ich mich erinnere, schrieben wir bereits bei unserem ersten Treffen ein erstes Lied.“
Ihr spielt als Duo-Formation, gelegentlich auch mit Gästen. Ist MARS als Zirkel und als ein offenes Kollektiv Gleichgesinnter zu verstehen?
„Ja, das trifft es sehr gut. Wir haben zu zweit angefangen und wollen die Band auch in dieser Formation belassen. Aber wir haben auch von Beginn an mit Gleichgesinnten zusammengearbeitet, nicht nur musikalisch, sondern auch in vielen anderen künstlerischen Bereichen. Wir freuen uns immer über Kontakt oder Kooperationen mit Musikern und Kunstschaffende, die ähnliche Ansichten haben wie wir.“
Eure Auftritte sind rar gesät und selektiert. Da ihr die Band nebenbei betreibt: Wie wählt ihr eure Auftritte aus?
„Zunächst einmal freuen wir uns stets über Interesse an Live Auftritten und Anfragen. Denn diese sind immer etwas ganz Besonderes für uns und wir zelebrieren jeden einzelnen Auftritt mit ganzem Herzen. So etwas wie Routine-Gigs gibt es bei uns nicht. Uns ist wichtig, dass der Rahmen der Veranstaltung zu uns passt. Dabei sind wir aber recht offen, wir spielen auf Black Metal-Veranstaltungen genauso gerne wie auf Folk-Events. Wir ziehen hier keine klare Linie zwischen den Genres, sondern heißen jeden willkommen, der uns sehen möchte und, im besten Fall, das Konzert inspiriert verlässt.“
Ein ganz besonderes Highlight war dieses Jahr zum Beispiel unser Auftritt auf dem „House of the Holy Festival“ auf der Neudegg Alm nahe Salzburg. Dort durften wir die Bühne mit Bands teilen, die wir selbst sehr schätzen, wie WOLVES IN THE THRONE ROOM und HEXVESSEL. Ganz zu schweigen von der einmaligen Atmosphäre dort oben in den Bergen und dem Publikum, dass sich voll und ganz auf diesen magischen Ort eingelassen hat. Wir scheuen für ein Konzert weder lange Anreisen noch harte Zeiten. Es ist uns äußerst wichtig live aufzutreten und unsere Musik erlebbar zu machen.“
Vom Image her gebt ihr euch gelegentlich dennoch sehr männerbündisch. Wie definiert ihr selbst die Einheit bzw. das Konzept von MARS nach außen?
„Männerbündisch trifft es nicht ganz, da tatsächlich viele Frauen im erweiterten Teil von MARS wirken und sehr willkommen sind. Und das auf allen Ebenen, ob Fotografie, Performance, Illustration, Musik oder als großartige Stütze, ohne die das alles gar nicht so stattfinden könnte. Uns ist es prinzipiell sehr wichtig, dass wir zu den Leuten, die im inneren Kreis agieren ein vertrauensvolles und persönliches Verhältnis haben und das wir uns nicht nur auf oberflächlicher Ebene treffen. Geschlechter sind dabei egal. Es sollte eine intensive Verbindung entstehen, die für jeden wirklich Bedeutung hat und nicht nur Mittel zum Zweck ist. Wir sprechen in diesem Zusammenhang vom „Circle of MARS“.
Im letzten Jahr erschien euer Album THE SEEKER. Eure Alben arbeiten ja nach einem festgelegte Konzept. Kannst du uns hierzu noch ein paar Anmerkungen geben, wie ihr an dieses Werk herangegangen seid und was euch wichtig ist, dabei klar herauszustellen?
„Zu zweit sind die Entscheidungswege natürlich angenehm kurz. So arbeiten wir eigentlich schon von Beginn an ganz emphatisch miteinander. Hat einer eine Idee, wird sie vom anderen oft wortlos fortgeführt, werden Strömungen und Gedanken intuitiv verstanden und weiterentwickelt. Selbst wenn wir uns mal ein paar Wochen nicht sehen, verlieren wir diese kommunikative Ebene nie. Zusätzlich fließt natürlich auch noch viel bewusste Arbeit in die Songs und in den konzeptionellen Feinschliff des Gesamtwerks. Besonders spannend ist es, wenn wir andere Musiker als Kollaborations-Partner gewinnen können.
Ziel ist es immer in einen Flow zu kommen und vor allem das richtige Gefühl zu haben und das auch nach außen an die Zuhörer zu transportieren. Das ist übrigens einer der Gründe, weshalb wir einen einfachen, manchmal fast schon rohen Sound gegenüber einem über produzierten und geglätteten bevorzugen. Wir empfinden das als echt und authentisch und das steht bei MARS an erster Stelle.“
Als Neofolk-Projekt spielt ihr akustisch, legt aber auch Wert auf einen rituellen Aspekt. Beschäftigt ihr euch privat mit Schamanismus, Voodoo, Okkultismus oder den Lehren der Kabbalah?
„Wir verorten uns nur zum Teil im Bereich des Neofolks und haben bewusst die Bezeichnung „Apocalyptic-Folk“ gewählt. Musikalisch sind manche Songs sicherlich sehr „neofolkig“. Aber weil wir uns vor allem mit heidnischen und okkulten Themen beschäftigen, die fernab des Neofolk angesiedelt sind, ist uns diese Unterscheidung wichtig. Wir spielen aber mittlerweile sehr oft mit E-Gitarren und nutzen auch Effekte für die Performance. Dies steigert den “Druck”, der auf der Bühne erzeugt wird und die Vehemenz der Musik. Es ist uns wichtig, dass wir die Zuschauer erreichen und berühren können. Wir scheuen also nicht vor vermeintlich modernen Mitteln des musikalischen Ausdrucks zurück. Wenn es sich anbietet, spielen wir aber auch gerne vollakustisch. Das ist mit unserem Song-Repertoire sehr gut vereinbar.“
Welchen Stellenwert spielt Religion bzw. Spiritualität in eurem Leben und wie stark ist der naturalistische Anteil in eurer Musik ausgeprägt?
„Unsere Musik ist immer sehr persönlich und biografisch beeinflusst, auch wenn sich das durchaus verschlüsselt in den Liedern wiederfindet. Religion als festes Konzept kann uns weniger gewinnen, als die Heiligkeit des Ganzen in Verbindung mit heidnischem Gedankengut, dass sich auf archaische und rituelle Aspekte bezieht. Der naturalistisch, paganistische Aspekt ist hierbei eines der Leitmotive.“
Das Neofolk-Genre wird ja außerhalb der Subkultur oft als reaktionär, konservativ, stumpf oder „arm an Überraschungen“ bezeichnet. Wollt ihr gar nicht anders sein oder welchen Bezug habt ihr selbst zur Szene?
„Wir wollen sogar ganz bewusst anders sein, weswegen wir uns nicht als reine Neofolk Band bezeichnen würden. Die Genre-Grenzen sind beim Neofolk doch recht eng, sowohl musikalisch, als auch thematisch. Auch wenn wir von Außerhalb teilweise in diesem Genre verortet werden, denke ich doch, dass wir uns in vielen Aspekten stark von klassischen Neofolk Bands unterscheiden. Besonders Lieder wie „Ravens Eyes“, bei denen stark verzerrte Gitarren zum Einsatz kommen, zeigen sicher recht deutlich, wie sehr wir vom Genre abweichen. Und auch die in den Songs behandelten Themen stehen abseits des Neofolk und eher in einer Pagan Tradition. Uns beeinflussen daher auch eher Stilrichtungen wie Americana, US-Folk, Sludge- und Black-Metal mit Künstlern und Bands wie TOWNES VON ZANDT, STEVE VON TILL, NEUROSIS oder BEHEMOTH. Wir spielen aber durchaus gerne auf Neofolk Events, da die Zuschauer immer sehr offen für unsere Darbietung sind und wir bisher nur positive Erfahrungen machen konnten.“
Wie ist deine eigene musikalische Sozialisation verlaufen und welche Musik konsumierst du selbst aktuell privat.
„Die drei Bands, die für ein richtiges Umdenken Anfang der 90er sorgten, als ich etwa 13 Jahre alt war, waren SEPULTRA, RAGE AGAINST THE MACHINE und LIFE OF AGONY. Nachdem ich entdeckt hatte, dass es neben dem, was im Radio gespielt wird noch so viel interessanteres gab, bin ich immer weiter auf Entdeckungsreise gegangen. Da es damals noch kein Internet oder Social-Media gab, war das als Kind vom Land gar nicht so einfach und eigentlich nur möglich in dem ich regelmäßig Magazine gelesen und mich darüber informiert habe.
Vor allem der Black Metal der frühen neunziger und Bands wie NINE INCH NAILS und MARILYN MANSON fesselten mich damals. Aktuell höre ich Bands wie NEUROSIS, AMENRA, WOLVES IN THE THRONE ROOM oder STEVE VON TILL, COLTER WALL und WOVENHAND. Ich mache aber gerne Ausflüge in viele Genres, höre mich da eine Zeitlang intensiv rein und manchmal inspiriert das auch meinen eigenen Stil.“
Wo findest du neben Beruf und Musik noch kreativen Ausgleich/Austausch?
„Tatsächlich bleibt zwischen einem Full-Time Job und mehreren musikalischen Projekten nicht mehr wirklich viel Zeit für weitere kreative Beschäftigungen. Wenn ich aber die Zeit dazu finde, bemale ich historische Miniaturen. Musik steht aber immer an erster Stelle, da ich mich damit nicht nur ausdrücken, sondern beim Komponieren sogar gut entspannen kann. Eine Gitarre ist bei mir immer nur einen Griff entfernt. Ich kümmere mich im Zusammenhang mit dem Gitarre Spiel auch um viele technische Aspekte. Ich stelle beispielsweise meine Gitarren selbst ein, teste viele Amps, probiere zahllose Soundkombinationen aus, löte meine Pick-ups selbst ein oder baue auch mal ein Effekt Pedal selbst.“
Wo kann man euch das nächste Mal live erleben und welche Pläne gibt es mit MARS für die Zukunft?
„Wir spielen am 31.10. ein ganz besonderes exklusives Set im Harmonie-Kino in Frankfurt am Main, das gleich mehrere Highlights verbindet. Es wird eine Performance von Marcus Dark Ambient Projekte VORTEX begleitend zu einem speziell für die neue Platte kreierten Film geben. Zusätzlich werden einige Lieder des Kooperationsprojektes “MARS presents the Trail” live uraufgeführt. Und schließlich treten wir mit MARS zu einem ausgiebigen Ritual-Set auf die Bühne auf. Das Ganze in einer ausgewählten, einmaligen Kino-Kulisse.“
Wie erlebt man die Musik von MARS deiner Meinung nach im perfekten Ambiente?
„Das anstehende Konzert in einem tollen Kinosaal stellt sicher eine der bestmöglichen Varianten dar, ein MARS Konzert zu genießen. Hier kann sich der Zuschauer richtig fallen lassen und sich voll auf unsere Musik einlassen. Dem kommt nur eine Performance in freier Natur nah. Da wir uns selbst immer vollständig auf unsere Bühnenperformance einlassen und uns davon fast schon hypnotisch wegtragen lassen, kann ich das auch nur allen Zuschauern empfehlen.“
Vielen Dank für das Interview.
Das Interview wurde geführt von D. Charistes
Foto-Credits: Alex Czech
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