TROUM & VARIOUS ARTISTS – The Transformation Tapes (20th Anniversary Celebration) (2CD)

Den zunächst sehr, sehr leisen Anfang macht ALLSEITS: Langsam schwillt der Drone an, d.h. er wird natürlich nicht nur lauter, sondern vielschichtiger, größer, und wenn ich nicht Angst hätte, diese Adjektiv jetzt schon zu verbraten, majestätischer – nun habe ich es doch getan. „Times“ jedenfalls ist sicherlich nicht nur, aber auch gekonnte Ouvertüre für die uns erwartende Klangvielfalt auf dieser Zusammenstellung. Mit tiefen, melancholischen Klängen wird der Klangbogen von CONTRASTATE weitergeführt, die, wie ich dem wirklich sehr informativen Beiheft entnehme, hier Motive von TROUMs „Grote Mandrenke“, verarbeitet haben. Die Intonation eines Gedichts von Detlev von Liliencron bildet hierbei ein geradezu perfekt passendes lyrisches Element, zudem ist es interessant, dass dieser Track, der sich mit dem „großen Ertrinken von Menschen“ auseinandersetzt, eben nicht einfach nur tieftraurig – versinkend – endet, sondern gegen Ende elektronisch geradezu (ent-)schwebt. Es folgen INADE und wer geglaubt hätte, die hätten mal etwas anderes als großartige Musik gemacht, wird ziemlich enttäuscht sein – ein fantastischer „remix“ bzw. eine gelungene Synthese der Sounds von TROUM und INADE ist hier zu hören. Auf über zwölf Minuten entfaltet sich die Bearbeitung von „Giascai“ durch das VANCE ORCHESTRA, ein aus Feldaufnahmen bestehender oder doch nach solchen klingender „Berg“ bzw. Gletscher von einem Track, gemächlich, vielschichtig, kräftig, drängend. TARKATAK haben sich den Titel „Brinnan“ vorgenommen und mit seinem eher schwebenden, brüchigeren, experimentelleren Sound, inklusive der zusätzlichen Schicht des Gesangs von FREEDA BEAST, verlassen wir hier den „klassischen“ Drone-Klang. Traumhaft – aber passend zum Motto „dreamt by dreamers who are awake“ endet es nicht gar zu sanft und leise… Dass auch die Beiträge von RAISON D‘ÊTRE und NADJA sehr gelungen sind, erwähne ich, weil ich bisher jeden Track erwähnt habe, überraschen dürfte es niemanden: Wieder einmal vorzügliche Kost dieser beiden Troum-Kollaborateure und man hofft, da kommt noch mehr. „An Untitled Protest“ ließ mich indes zunächst aufhorchen und überprüfen, ob sich da nicht ein fremder Titel in die Playlist (bisher liegt mir diese VÖ nur als Download vor) eingeschlichen hat. Aber nein, hier ist kein Neofolk-Stück reingeraten und nach wenigen Sekunden ist es einem auch klar, v.a. wenn man an das schöne „To a Child, Dancing in the Wind“ Album denkt: Wieder ist hier MARTYN BATES mit von der Partie, der TROUM einen „skeleton track“ zusandte, aus dem hier ein Song wurde: Gesang, Akustik-Gitarre, Schlagzeug – und dahinter bzw. daneben eine „kleine Welt aus Drones“, was will man mehr? Als Nächstes erklingt ein Stück aus der Tjukurrpa-Trilogie: [MULTER] erweitern hier „Saiwala“ zu „Sela Saiwala MNX“  und zu einer faszinierend leisen und mysteriösen Komposition, die einen über eine Viertelstunde zum genauen Hinhören verleitet. Kein Minimalismus, aber sicherlich das Gegenteil von Bombast. Als QST nehmen sich FRANS DE WAARD und MAURICE VON DONGEN „Kapotte Muziek by Troum“ vor und verpassen diesem Track eine ordentliche Dosis Rhythmus. Darf ich schreiben, dass ich das cool finde? Natürlich.

Rhythmus hört man bei „Krypte“ von URE TRALL eher nicht, aber ansonsten fast alles… Ein großer, dichter Soundteppich, der natürlich auch Stellen der Stille hat, dabei nicht nur und nicht in erster Linie „Drone“ ist… Fast schon Neoklassisch und – auch wenn ich es oben schon geschrieben habe – wirklich erhaben und majestätisch. Ein besonders hörenswerter Track, wie auch URE TRALLs „blurb“ im Beiheft besonders lesenswert ist. „Sen No 350“ haut sich einem dann rhythmisch und ziemlich hart um die Ohren und auch wenn ich zuerst dachte, noch nie etwas von 016 VS MYRRMAN gehört zu haben: Zum Teil sind hier die alten und geschätzten Bekannten von Reutoff aus Reutov am lärmenden Zug, bei dem u.a. Feldaufnahmen aus Wäldern der Moskauer Vorstadt zum Einsatz kamen. VOICE OF SECRECY (STEVEN HALL) lässt „Spirare“ als „Breath again“ wiederauferstehen und auch wenn ich zugeben muss, dass ich mich von der Beschreibung dieses Stücks durch den Künstler selbst habe beeinflussen lassen: Dies als erhabene, sich in musikalischer Form manifestierende Schönheit zu beschreiben, ist durchaus nachvollziehbar. Schon wieder hätten wir einen Anspieltipp. TATAN 24 ist irgendwo zwischen „collaboration and a remix“ einzuordnen und gehört zu den rhythmischen Tracks, wobei (auch) hier eher eine meditative denn eine tänzerische Stimmung herrscht (wobei wir ja wissen, dass Tanz auch Meditation sein kann). „Signedumiroir“ von BAD SECTOR ist probemlos als Bad Sector Track zu erkennen, was natürlich ein Gütesiegel ist, gekonnte, stellenweise filigrane Eletronik vom Feinsten.
Fast nichts konnte ich über den Künstler MARKOW C. in Erfahrung bringen, doch ist er nicht nur für das Mastering der beiden CDs verantwortlich, sondern auch für den Track „Chaneism“. Letzterer ist ein mit Rauschen- und Noise-Elementen arbeitender Song mit getragenem, aber deutlichem Rhythmus, der gerade zum Ende hin eine ganz eigene Atmosphäre entfaltet. Für die nächsten beiden Tracks geht‘s musikalisch nach Russland: CISFINITUM zeigen uns die melancholischere Seite der Drones, hier ist es nicht ganz einfach, nicht ins traurige Träumen zu geraten, doch wieso sollte man sich auch nicht einmal für begrenzte Zeit solchen Gefühlen hingeben? „Skaun[ei]“ erklingt hier jedenfalls fast schon schmerzhaft schön. „Hypoxia“ wurde von REUTOFF unter Einbeziehung von Klängen von OMD bearbeitet. Herausgekommen ist einer der sowohl melodischsten als auch stellenweise rhythmischsten Tracks dieser Compilation und gerade bei den rhythmischeren Passagen kommt auch deutlich die reutoffsche Härte zu Gehör.
Mit „Ennoia“ bildet Moljebka Pulse den Abschluss dieses wohlklingenden Reigens. Glücklicherweise habe ich mir Begriffe wie „erhaben“ und „majestätisch“ bis zum Schluss aufgehoben (und Sie, liebe/r Leser/in, haben glücklicherweise bis hier gelesen), denn, wenig überraschend, wenn man sich die Qualität sowohl des Ausgangsmaterials als auch des Re-Interpreten vor Augen/Ohren hält, erklingt hier (auch) zum Abschluss ein großartiges, tiefes Stück Musik. Im Angesicht der Welt – und eben nicht mir geschlossenen Augen träumend – erscheint solche dunkle Musik die adäquate Reaktion zu sein. Tiefe und Melancholie nicht als Eskapismus, sondern Trauer als Reaktion – „Sadness is Rebellion“ – und deren Ästhetisierung als Verarbeitung, Aktion. Welch wunderschöne Musik hierbei zustande kommen kann, haben uns TROUM und alle hier Beteiligten gezeigt, fast hätte ich geschrieben: geschenkt. Leute, lohnt die Künstler, kauft, genießt, feiert, macht!  (flake777)

Format: 2CD
Vertrieb: Drone
 

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