Ein ganz besonderes Stück Musik liegt hier als Doppel-Album auf 3 CDs vor, noch dazu in drei verschiedenen Editionen, die allesamt sehr ansprechend und ich wage zu sagen „liebevoll“ gestaltet worden sind, lässt uns doch die Beschreibung des Künstlers auf discogs wissen, dass dieser auch selbst Sammler ist. Doch – natürlich – zur Musik: „I have to change me“ beginnt mit einem mysteriösen, wohl synthetischen Zirpen, bevor wir dann in die Welt alles anderer als gefühlloser Electronica entführt werden. Tiefe, knarzende Bässe, die immer nur kurz dominieren, zarte Melodien und eine Stimme, die bis zur Unkenntlichkeit verzerrt worden ist – oder gar niemals eine Stimme war und hier nur als Anklang zu einer solchen synthetisiert worden ist, erschaffen hier ein ganz eigenes Klangbild, welches gleichwohl sicherlich in der Tradition von Elph, Coil oder dem Threshold HouseBoys Choir steht. Hier gibt es auch Rhythmen, doch eigentlich niemals eine klassische Songstruktur, sondern immer wieder sich neu eröffnende Klänge und Klangpfade, Feldaufnahmen von fließendem und plätscherndem Wasser, was jedoch weniger meditativ einlullend, sondern eher „dialogisch“ wirkt. Zum einen habe ich den Eindruck, man muss sich extrem auf die Musik einlassen und mit ihr in Dialog treten sollte, zum anderen scheinen auch die vielen Klangfarben und Sequenzen miteinander im Dialog zu stehen. Manche Titel, z.B. „Promises (Outer Space)“ sind dann auch so verspielt und stellenweise wild rhythmisch, das mir wirklich nur Nurse With Wound einfällt, um jenen, die „It iz everywhere now“ (noch) nicht kennen, einen Eindruck zu vermitteln, was hier „passiert“ bzw. was, ZeroChris, der Mann hinter diesem Projekt, passieren lässt.
Ein Anspieltipp wäre womöglich „Staggering silence“, was durchaus nicht aus Stille besteht, sondern zeigt, wie auch und gerade synthetische Musik Gefühle ausdrücken können, ohne das man ein Wort von dem versteht, was die klagende, stark verfremdete Stimme intoniert – zumal ich glaube, auch mal ein Kichern zu hören. Doch auch das folgende „Death‘s Benefit“ bleibt über sechs Minuten spannend, ist deutlich elegischer, faszinierend und entzieht sich doch weitestgehend der Beschreibung. So versuche ich, die etwas 80 Minuten dieses Werks zusammenfassend zu beschreiben: Hier ist nichts zum Mitsingen und trotz der immer wieder auftauchenden Rhythmussequenzen auch nichts zum Tanzen. „It iz everywhere now“ macht auch keine auf Drones basierende Ambientmusik und trotz all der Noise-Elemente (v.a. auf der dritten CD, wo zum Ende hin eine faszinierende „Quasi-Kakophonie“ erklingt) sind wir auch weit weg von Industrial. „2 Start/Stop – 3 Let it go“ ist elektronisch, eher experimentierfreudig als experimentell, sicherlich kein Hörspiel, aber irgendwie auch, hier erklingt stellenweise faszinierende und bewegende Musik, die niemals langweilig und manchmal etwas schwierig bzw. anspruchsvoll ist. Nicht nur etwas für Leute, die schon alle Veröffentlichung des Eskaton-Labels Zuhause haben, um hier eine weitere Referenz zu bemühen, sondern eine ganz ernsthafte Empfehlung für alle, die sich die Welt elektronischer Musik nicht als geordneten Garten oder lediglich sanft dahinfließenden Fluss, sondern als Urwald voller Leben (und Tod) vorstellen, denn den bekommt man hier. Für diese wahrscheinlich wenigen ist dieses Doppel- oder Dreifachalbum ein Muss. (flake777)
Format: 3CD |
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