Wie bei seinen klasse Live-Konzerten beginnt auch der erste Titel dieses Albums mit einigen leicht geschlagenen Geigen-Akkorden, bevor dann die, wie ich finde, sehr gelungene Textzeile „I will ignore the apocalypse“ erklingt, was auch der Name des Openers ist, der sich spannend aufbaut und gleich zeigt, welch vielschichtige Dynamik in „Crumbs“ steckt.
Auch wenn der Titel des zweiten Tracks, „Coldblood“, anderes verheißen könnte, wird die Atmosphäre hier noch einen Tick drängender bzw. „dringender“. Der treibende Rhythmus, die fragende Singstimme und natürlich die optimal eingesetzten Geigen sorgen dafür. Dass die Geige hier nicht zu neoklassischer Untermalung dienen würde, wird im Übrigen auch jedem, der Matt Howdens Werk nicht kennt, durch das gelungene und „slightly angry“ Artwork des aufklappbaren Digipaks schnell deutlich werden. Fast schon in house- oder techno-ähnliche Gefilde scheint uns der Rhythmus bei „Is it dark enough?“ zu treiben, wobei selbstverständlich Matt Howdens Gesang und Geige den Song ausmachen – und wieso sollte man nicht auch zu „kritischer Musik“ tanzen können?
Ärgerlich und „kritisch“, was womöglich nur jenen deutlich wird, die sich auf die Texte einlassen, das sind meiner Ansicht nach essenzielle Eigenschaften dieses Albums, dessen Songs ebenso komplex wie nach einiger Zeit auch ganz schön eingängig sind, so hat sich z.B. „The Overlords are back“ ganz schön in meinem Gehörgang eingenistet. Den womöglich am meisten expliziten Bezug zum aktuellen (politischen) Geschehen hat sicher „Here is the News“, doch auch der Titeltrack mit seiner Zeile „you want crumbs from the rich man‘s table?“ bezieht Stellung ohne simpel oder vereinfachend zu sein. Etwas, dass ich bei den vielen, die meinen „unpolitisch“ zu sein, eine sehr begrüßenswerte Sache finde. Das Private ist politisch. Ist das Punk?
Andererseits geht es indes auch bei Titeln wie „Sell your future“ hier nicht in erster Linie um Politik, sondern einmal mehr um die gekonnte musikalische Ästhetisierung von Gefühlen, die sich ja bekanntlich nicht in Ärger erschöpfen, nicht nur Ohren und Hirn werden hier erfreut und angeregt, immer wieder geht es auch ganz schön in die Beine. Leicht überrascht bilde ich mir immer wieder Ähnlichkeiten zu den grandiosen „Soft Cell“ ein, v.a. bei den elektronischer klingenden Stücken wie z.B. „You want some?“ wobei sich die Parallele „gelungener britischer Männergesang“ durch das gesamte Album zieht. Eines der dramatischsten und dabei gleichzeitig auch positivsten Lieder ist „Forge a better world“, was nicht nur ein guter Anspieltipp ist, sondern auch eines, aus dem ich erneut zitieren möchte, „men of great wealth, recognise your poverty“. Beschäftigt euch (auch) mit den Texten, Leute!
Ein rundum gelungenes Album und , während mir Matt Howdens Alben und seine Konzerte schon seit Jahren gefallen, der bisherige Höhepunkt in seinem musikalischen Schaffen. Die Tatsache, dass „Crumbs“ noch zwei „Band Versionen“ als „Bonus CD Tracks“ enthält, lässt zudem auf eine Vinyl-Veröffentlichung hoffen. Ein tolles Werk, das ohne Effekthascherei oder Extreme auskommt, dafür aber das liefert, was wir doch alle wollen, oder? Nämlich gute, intelligente Musik. (flake777)
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