LEBANON HANOVER – Let Them Be Alien (CD / LP)

Niedergeschlagenheit, Melancholie und Todessehnsucht sind noch immer die dominierenden Themen von LEBANON HANOVER. Unglaublich hingegen, wie groß die beiden Musiker mit ihrem abseitigen Konzept mittlerweile geworden sind!

Das schweiz-griechisch-britische Duo LEBANON HANOVER hat sich zur gegenwärtig wichtigsten Coldwave-Band einer neuen Waver-Generation entwickelt. Und es ist vor allem ihre disziplinierte Strenge und Beibehaltung des zugegeben stark limitierten Klangbildes, dass der Band mittlerweile Kultstatus verliehen hat.

Drei Jahre nach ihrem letzten Album „Besides Of The Abyss“ und den Ausflug in elektronische Dance-Gefilde mit der 80er-Hymne „Babes Of The 80s“ kommt über das griechische Label Fabrika Records ein neues Lebenszeichen der Melancholiker. Natürlich variieren LEBANON HANOVER auch auf ihrem fünften Album ihren Sound nur um Nuancen, scheinen ihr minimalistisches Klangbild aber mittlerweile auf Perfektion gebürstet zu haben.

Da wären die sanften, weltverlorenen Gesangseinlagen von Gitarristin Larissa Iceglass, die auch als Stilikone sicherlich dutzende junge Wave-Mädchen beeinflusst und der charakteristische, monotone Diabolik-Singsang von Bassist William Maybelline, der in der Vergangenheit vor allem mit seinem sehr düsteren Nebenprojekt QUAL von sich hören ließ und dessen markante Erscheinung sicherlich nicht unwesentlich zur Faszination von LEBANON HANOVER beiträgt.

Auf „Let Them Be Alien“ thematisieren die New Romantics wieder Themen abseits des Mainstreams: Weltverlorenheit, Einsamkeit, Sinnsuche und Desillusionierung in einer oberfächlichen, digitalen Welt ohne Attitüde und grenzenlosem Hedonismus. Sie kritisieren virtuelles Flirtverhalten und Depressionen, die durch Social Media hervorgerufen werden. Es macht Spaß, die intelligenten auf den Punkt gebrachten Textzeilen zu studieren und den reflektierten Seitenhieb auf die eigene Subkultur zu betrachten. Was LEBANON HANOVER im Laufe der Jahre als die definitive Relevanz als Speerspitze eines stagnierenden Genres aufsteigen lässt ist ihr lakonischer subtiler Humor, mit der sie ihre kalte, melancholische Musik würzen. Aufgenommen in den Fabrika Studios in Athen gibt es diesmal auch prominente Unterstützung von Saxophonist Dimitris Pavlidis, Fabrika-Labelkollege und bei dem artverwandten Projekt SELOFAN aktiv.

Die Tragik und die Komödie liegen vor allem im Betrachten der stark ästhetischen Musikvideos eng beeinander. Die Band stilisiert sich in Look und Auftreten als Gegenentwurf einer uniformierten Massengesellschaft, schafft es aber durch Dechauffrierungen eigener Szenemerkmale den gewissen Wortwitz auf die Tanzfläche zu bringen, die vor allem bei 80er-Jahre-Nostalgikern und adretten Schwarzträgern sehr gut ankommt und einen verdammt coolen Style in die triste Einöde der Mainstream-Gesellschaft integriert.

Vor allem fällt auf, dass LEBANON HANOVER auf ihrem neusten Werk ihre bandinterne Formel perfektioniert haben – so teilen sich Icelass und Maybelline noch immer die Gesangparts, immer öfter singt Larissa aber mittlerweile auf Deutsch, während die songorientierten Synthie-Spielereien durch markante Melodien und Beats sofort im Gedächtnis bleiben. Live begeistert vor allem der Zugabenteil, wenn die beiden seelenverwandten Musiker eine Art DJ-Set zelebrieren und viel mehr in Richtung tanzbaren DarkWave gehen und Maybelline seine mittlerweile legendäre 80er-Jahre-Industrial-Performance hinliegt.

Insgeheim wünschen sich viele Fans vielleicht eine Neuorientierung oder Stilwechsel der Band in exakt diese Gefilde. Denn auch wenn der Kult um LEBANON HANOVER immer größer wird, musikalisch ist hier bereits seit Album Nummer Zwei eigentlich alles gesagt. Es bleibt spannend zu sehen, wohin die Reise dieser von grundauf sympathische Band noch gehen wird. Wir werden die Beiden auf ihrem Weg begleiten, denn dieses Duo hat längst den Untergrund-Status ihrer eigenen Ikonen wie JOY DIVISION, SISTERS OF MERCY oder THE JESUS & MARY CHAIN erreicht.

(D. Charistes)

 

Format: CD / LP
Vertrieb: FABRIKA Records
Mailorder: Going Underground
 

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