Interview mit FOSSIL AEROSOL MINING PROJECT

Dass die Musikszene unübersichtlich ist, ist ein Gemeinplatz und auch die Beobachtung, dass es viele “mysteriöse Projekte” gibt, ist nichts Neues. Als es nach Erscheinen des Albums „August 53rd” von „Fossil Aerosol Mining Project” die Gelegenheit gab, sich mit diesem bisher wenig bekannten Projekt, das ich, wie wohl viele, bisher nur durch ihre Zusammenarbeit mit „Zoviet France” kannte, auseinanderzusetzen und womöglich etwas Neues zu Tage zu fördern, griff ich zu.

Bezüglich dieses Projekts findet man online ja allerlei Mythen. Was möchtest du uns denn zur Entstehung und Entwickling von Fossil Aerosol Mining Project offenbaren?

Wegen der Mythen bin ich mir nicht so sicher… Generell ist das alles schon so, wie es auf der Webseite steht. Eine Gruppe von uns interessiert sich für „unser Ende”. Sie sammelt und erforscht tote/leblose Orte, dreht Filme, Videos und macht Musik. Stark auf Zusammenarbeit basierend und „im Fluss”. Manche von uns haben auch nur gemalt oder Filme gemacht, andere indessen konzentrierten sich auf die Musik. Aber jeder trug irgendwie irgendwas zum großen Ganzen bei. Über die Jahre hinweg hat die Musik am längsten durchgehalten und einige Unterbrechungen überlebt, wenn uns immer mal wieder etwas anderes beanspruchte.
Die ersten ernsthaften Aufnahmen machten wir 1986 und einige davon wurden vor einiger Zeit als „extended Track” auf Bandcamp veröffentlicht. Die erste Kassette kam 1987 in Chicago raus. Niemand kaufte sie. Über die Häfte der ersten Auflage wurde schließlich weggeworfen. Das am besten hörbare Material der ersten Aufnahmen haben wir als Teile der „Cassette Recordings” und „Very Early Fragments” wiederveröffentlicht.
In einer kurzen Zeitspanne wurden damals viele Rohaufnahmen gemacht. Vieles davon wurde niemals abgemischt oder digitalisiert. Momentan durchforsten wir gerade die letzen der alten Kassetten, digitalisieren, was uns relevant erscheint und trennen uns von dem Rest. Aber es wird weiterhin ein wichtiges konzeptuelles Element unserer Arbeit bleiben, mit Relikten unserer Vergangenheit zu arbeiten. Die Techniken der Bearbeitung und Komposition ändern sich jedoch ständig.
Bevor es das Internet gab, blieben wir ziemlich unentdeckt – sicherlich unsichtbar für die Printmedien damals. Daher bietet das Internet kaum Informationen über uns an, nur die, die wir und ein paar unserer „follower” anbieten. Das hat einige frustriert, die einfach mal ein paar Fragen bei Google eingegeben hatten. Aber es weist auf einen wichtigen Aspekt hin: Die Geschichte ist sehr offenes Gewebe. Viel mehr wurde vergessen als aufgezeichnet. Wir hatten einfach das Glück, wahrgenommen zu werden, bevor das Vergessen einsetzte.
Aber vielleicht sind wir auch nur jemandes lebhafter Fantasie entsprungen.

Interessant, dass du meinst, dass ihr euch für “unser Ende” interessiertet. Meinst du damit den Tod?

Das Ende der Gegenwartskultur. Das Ende heutiger Technologien. Ein Bruch in den Traditionen, Definitionen und der Erinnerung.

Wenn man tote Orte (oder verlorene/ungehörte/ignorierte Musik) erforscht, erhält man sie doch gewissermaßen am Leben…

Eine Art der Wiederbelebung, ja. Aber eine künstliche.

Natürlich ist es so, dass man, wenn man sich an etwas erinnert (to remember something), die verschiedenen (Versatz-)Stücke auf eine neue Art und Weise zusammensetzt (to re-member), wie man Klänge oder Musik neu abmischt bzw. remixt. Ergibt das Sinn bzw. inwiefern beschreibt das das, was ihr mit diesen “Enden”, Überbleibseln und Relikten macht?

Ja, das ist eine gute Analogie. Das Scheitern der Erinnerung bzw. des Gedächtnisses daran, ein Ereignis akkurat aufzuzeichnen. Die Vergangenheit zu rearrangieren und letzten Endes, ihre vielen Lücken zu füllen.

Was hat es mit dem Namen auf sich?

Den gab es irgendwie womöglich schon vor den ersten Audioaufnahmen. Das zu Tage Fördern der Artefakte und Relikte der Gegenwartskultur.

Wie definiert ihr diese Kultur? Was ist es wert, zu Tage gefördert zu werden?

Es geht nicht um „Wert”. Wie dir jeder Archäologe sagen wird, hast du selten die Möglichkeit, dir auszusuchen, was du bewahren möchtest. Die Relikte tauchen eher zufällig auf, das hängt von den Umständen und dem Erhaltungszustand ab. Und oft ist es das Mundäne und Banale, das letztlich erhalten bleibt.

Als Sammler interessiert mich auch, inwieweit die Verpackung des „Patina Pooling” Albums eure Idee war.

Das Arbeiten mit :Zoviet*France: war so völlig gemeinschaftlich… Idee sprangen hin und her, Sounds sprangen hin und her, wurden aufgesplittet, verpflanzt, mutiert. Wir verlieren da schnell den Überblick, was woher kommt, was natürlich gut so ist. Das Cover mit dem rostigen Stahl bezieht sich im Besonderen auf die Geschichten der beiden Bands. Ich glaube, es drückt die Natur des Projektes perfekt aus.

Könntest du euer Projekt geographisch einordnen?

Im Mittleren Westen der USA.

Welche Rolle spielt es denn für eure Musik, wo ihr lebt und wo ihr herkommt?

Orte spielten früher wohl eine größere Rolle als heute, da wir damals wirklich gefundene Klänge verlassener Orte hier im Mittleren Westen „ernteten”. Alte Tonbandrollen, Filme usw. Somit waren die Klänge Artefakte des Ortes, obwohl sie national oder international verberitete Medien repräsentierten. Hier sind sie aber dem Verfall preisgegeben.

Danke!

(flake777)