Das Mailänder Kollektiv Camerata Mediolanense veröffentlicht mit „la vergine folli“ sein 5.Album, existiert aber bereits seit den frühen 90er Jahren. Mit dem 2.Album, dem Referenzwerk „campo di marte“ 1996 schuf man seinerzeit einen kleinen Klassiker, der sich viele Freunde innerhalb der aufblühenden Neofolk/Neoklassik Szenerie machen konnte. Hier vermählten sich auf sehr sympathische Weise klassische Elemente mit bombastischen Percussions, Folk und traditioneller Musik. Vor allem live (gerne mit den Landsleuten von Kirlian Camera) wussten die Italiener mit viel Leidenschaft zu punkten, war doch der immer sehr einnehmende Charakter ihrer Auftritte ein Garant für ein besonderes Live-Erlebnis.Wie Kirlian Camera auch musste man sich seinerzeit mit immer wieder auftretenden Vorwürfen auseinandersetzen, zur braunen Neofolk-Seite zu tendieren. Es reichte ja leider schon aus, mit gewissen optischen Stilmitteln, Accessoires automatisch rechtslastig zu sein. Schnee von gestern…zum Glück. Die Musikalität, das künstlerische Element, die Ernsthaftigkeit im Ausdruck stand für das Kollektiv um Komponistin Elena Previdi jederzeit über diesen mühseligen Diskussionen. Wie auch schon auf den letzten Werken, so ist der Ansatz der Italiener auf ihrer neuen CD ein minimaler, versucht man sich an fast kammermusikalischer ruhiger Neoklassik, welche gespickt ist mit kleinen bombastischen Ausrufezeichen. Traditionelle,dem Barock, der Renaissance entliehene Melodien, fast ausschliesslich eingespielt auf alten Klavieren aus dem 19./20.Jahrhundert zeigen klar die Bezüge zu vergangenen Jahrhunderten auf, was jeher ein grosses Anliegen im künstlerischen Ausdruck der Italiener darstellt. Mit „la vergini folli (die närrischen Jungfern) wird über 33min mit 3 verschiedenen Sängerinnen der totalen Harmonik (alte Sangestechnik) gehuldigt, was in Verbindung mit dem im Vordergrund stehenden Klavierklängen ein herausforderndes Unterfangen darstellt, pendelt man zwischen sehr ätherischen, fragilen, romantischen Songs wie „dolce salire“(tolle Background-Chöre), dem mystischen bombastischen Opener „lacrime di gioia“, der im Vorfeld mit wunderschönen Video untermalten-Single-Auskopplung „quando l Sol“ und wiederum mitunter schrägen Sangesmustern wie im eigenwilligen „mi vuoi“. Sakrale romantische Songs, bei denen man auf Texte von Francesco Petrarca(1304-1374) zurückgriff, einen der Begründer der Renaissance bzw. um Gedichte längst verstorbener italienischer Dichterinnen, Texte der „vergessenen Literatur“ eben. Der Fokus der sehr kurzweiligen CD liegt ganz klar auf der verträumten, sehr klassischen Ausrichtung der Band, die sicherlich schon immer fester Bestandteil der Mailänder war, nur vermisst man immer ein wenig den aufwühlenden, sehr Percussion-lastigen Bombast früherer Alben, reduzieren sich die Klänge eben Konzeptbezogen auf die weiblichen Stimmen in Verbindung mit dem Klavier. Da kann man nur auf einen Auftritt im Schauspielhaus beim WGT hoffen, wäre wie geschaffen für den aktuellen Sound. In Klang, Stimmung und künstlerischem Ausdruck ein nichtsdestotrotz sehr typisches, tief romantisches, in die Vergangenheit schauendes Werk, was an Theatralik,Melancholie und sakraler Atmosphäre als wichtigen Elemente auffährt und für den nahenden Winter bei Kerzenlicht der richtige Soundtrack sein dürfte.
(R.Bärs)
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