Bald Anders-ein Projekt der Gebrüder König (Lunar Aurora)-benannt nach einem Gestaltenwandler, einer Sagenfigur, welche bereits in deutscher Literatur des 16. Jahrhunderts auftauchte. Konzept des Albums sind Kindheitsmomente, Träume, Erinnerungen…ein sehnsüchtiger Blick ins Vergangene. Man sammelt hier Geschichten, teils bekannt und teilweise der eigenen Phantasiewelt der Musiker entlehnt. Und ja, man tut es auf schön schräge, kauzige, teils sehr melodisch aber auch gern sperrige Art und Weise. Wer das Nocte Obducta-Projekt Dinner auf Uranus kennt, das Markus Stock Projekt Noekk, die kruden Angizia oder Dornenreich…der bekommt eine ungefähre Ahnung vom strangen Gebräu der Bayern. Progressiver Rock, Metal-Anleihen, mal atmosphärisch, mal richtig schön verschroben. Wiederum finden sich immer wieder feine straighte rockige fast schwebende Parts , um dem Ohr zu schmeicheln. Der Opener „Amaryllis“ lebt von stetiger Dynamik, dem Wechselspiel aus elegischen ruhigen Parts hin zu luftigen straighten Midtempo-Klängen, ergänzt von gar kosmisch spacigen Parts, die irgendwie Metal, Doom und kauzige 70s Klänge vereinigen, ohne nur annähernd sich bei gängigen Vertretern zu bedienen. Dazu ist der Gesang schon viel zu weit „draussen“. Diese Vortragsform wird die Hörer/Geister spalten, das kann im richtigen Moment fesseln oder nerven, wahlweise Tagesformabhängig. Im weiteren Verlauf wird z.B. in „Prof. Wright“ die Kultserie Captain Future, im speziellen der Cyborg besungen, was schon auf irgendwie sympathische, kauzige Weise ein Lächeln herbeizaubert, transportiert Gesang+Text den Hörer in die old-schoolige Serien-Welt vergangener Tage. Bald Anders wissen mit akzentuierten Instrumentarium wie Xylophon, Saxophon und Orgelartigen Klängen diese waldige Schrulligkeit herzustellen, gerade in Songs wie „Kinderwälder“ oder „Alter Mann“ funktioniert dies auf eine zum Teil sehr entrückte, verspielte Art. Da kann man mit der sehr warmen, organischen Produktion punkten, die in den melancholischen, leisen sowie den kraftvollen, teils fast Metal-lastigen Momenten jederzeit die richtige Dosierung findet. Diese spezielle Art des Vortrages lässt Bald Anders mit den wenigen o.g. Vertretern schon Alleinstellungsmerkmal innehaben, es fordert schon des Hörers Motivation ab und im richtigen Moment funktionierte die Platte im abendlichen Schein recht vortrefflich. Vielleicht hätte man den Gesang nicht so vordergründig gestalten müssen, da sich ab und zu dieser doch als Spalter darstellt. Der Erzähler-Vortrag wird nicht jedermanns Sache sein, aber zu dieser musikalischen Form passt es letztlich. Obskur, verschroben, eigenwillig, waldig, nächtlich, melancholisch…naja Lunar Aurora leben und lebten ja auch immer von ihrem Exoten-Status und ähnlichen Attributen. Der Apfel fällt schliesslich nicht…Nur will sich diese Form progressiver Rock-Klänge erst einmal erschlossen werden, was offene Hörer, vor allem Fans aus dem Prophecy-Lager nicht zu schwer fallen wird. In jedem Falle eine eigenständige, konsequente theatralische Rock-Platte, die zu 100 Prozent zu Thor´s Label Trollmusic passt. Hier sind Freigeister am werkeln, die ohne Rücksicht auf Genre-Konventionen ihr eigenes Kleinod gebastelt haben.
R.Bärs
Format: CD |
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